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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_151/2024  
 
 
Urteil vom 12. August 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Hartmann, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Seeland, Stadtplatz 33, Postfach 29, 3270 Aarberg. 
 
Gegenstand 
Verfahrenskosten (Vertretungsbeistandschaft, Inventar), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 22. Januar 2024 (KES 23 770 KES 23 830). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Entscheid der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Seeland (KESB) vom 23. August 2021 wurde für A.________ unter anderem eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung gemäss Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 Abs. 1 ZGB errichtet und der Beistand ernannt. Die Verfahrenskosten für die Errichtung der Beistandschaft legte die KESB im Entscheid nicht fest, sondern verwies darauf, dass über diese nach Abnahme des Inventars entschieden werde. In der Folge wechselte die Person des Beistands mehrmals, aktuell ist B.________ eingesetzt. Mit Entscheid vom 12. September 2023 nahm die KESB schliesslich das Inventar ab. Sie stellte fest, dass das zu verwaltende Vermögen der Beschwerdeführerin per 1. Juli 2023 Fr. 17'454.01 betrage (Aktiven: Fr. 21'493.84 "Mietzinsdepot/Freizügigkeitsguthaben", Passiven: Fr. 2'768.15 "hängige Betreibungen/Verlustscheine und Sozialhilfe pro memoria Fr. 1.--). Die Verfahrenskosten setzte die KESB auf Fr. 400.-- fest, wobei sie später klarstellte, dass davon Fr. 250.-- auf die Errichtung der Beistandschaft und Fr. 150.-- auf die Abnahme des Inventars entfielen, und auferlegte diese A.________.  
 
B.  
 
B.a. Diese war mit dem Entscheid jedoch nicht einverstanden, was sie mit Schreiben vom 2. Oktober 2023 an die KESB zum Ausdruck brachte. Darin wehrte sie sich zum einen gegen die Auferlegung bzw. die Höhe der Verfahrenskosten und kritisierte zum anderen, dass ihr Pensionskassenguthaben mit dem vollen Betrag und nicht nur pro memoria aufgelistet worden war. Die KESB leitete dieses Schreiben an das Obergericht in seiner Funktion als Kindes- und Erwachsenenschutzgericht des Kantons Bern (Beschwerdeinstanz) weiter.  
 
B.b. Nachdem A.________ vom Obergericht zur Bezahlung eines Gerichtskostenvorschusses aufgefordert worden war, teilte sie diesem mit, sie habe mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2023 die Begründung des Entscheids vom 12. September 2023 verlangt. Stattdessen habe die KESB ihr Schreiben dem Obergericht weitergeleitet. Dieses könne nicht als Beschwerde an das Obergericht betrachtet werden; die Beschwerdefrist beginne erst mit der Zustellung des begründeten Entscheids zu laufen.  
 
B.c. Die KESB teilte dem Obergericht in der Folge mit, dass die Fragen von A.________ bzw. deren Beistand betreffend den Entscheid vom 12. September 2023 bereits beantwortet worden seien. Die Instruktionsrichterin des Obergerichts wies sodann darauf hin, dass, sollte A.________ an der Beschwerde aufgrund der gelieferten Begründung der KESB festhalten wollen, ein Kostenvorschuss fällig würde. Ausserdem bat die Instruktionsrichterin den Beistand, mit der Verbeiständeten nochmals zu besprechen, ob diese wirklich eine Beschwerde einreichen wolle und ob sie bereit sei, allfällige Kosten hierfür zu tragen. Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin insbesondere ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und machte - zusammen mit ihrem Beistand - weitere Ausführungen zur Frage, weshalb das Verfahren nicht aussichtslos sei.  
 
B.d. Mit Entscheid vom 22. Januar 2024 wies das Obergericht die Beschwerde ab, auferlegte A.________ die Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 300.-- und wies deren Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab.  
 
C.  
Gegen diesen Entscheid erhebt A.________ (Beschwerdeführerin) am 28. Februar 2024 Beschwerde in Zivilsachen am Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids, eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz. Für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und der unentgeltlichen Rechtspflege. Mangels Begründung wies der Präsident der urteilenden Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Verfügung vom 1. März 2024 ab. 
Am 15. März 2024 reichte die Beschwerdeführerin kommentarlos weitere Unterlagen (Kopien aus den kantonalen Akten) ein. 
Das Bundesgericht hat sich die kantonalen Akten überweisen lassen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den kantonal letztinstanzlichen (Art. 75 BGG) Endentscheid (Art. 90 BGG) betreffend die Genehmigung eines Inventars im Rahmen einer erwachsenenschutzrechtlichen Massnahme (Art. 72 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG). Weder aus dem angefochtenen Entscheid noch den kantonalen Akten oder der Beschwerde ist jedoch klar ersichtlich, ob das vorinstanzliche Verfahren auf die Frage der Auferlegung von Verfahrenskosten beschränkt war oder es auch um den eigentlichen Genehmigungsentscheid in Bezug auf das Inventar ging. Zwar setzt sich die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid insbesondere mit der Frage auseinander, ob das Freizügigkeitsvermögen dem vorhandenen Vermögen angerechnet werden könne. Die Beschwerdeführerin hatte verlangt, dieses Vermögen nur pro memoria aufzulisten (Sachverhalt Bst. B.a). Sowohl die Beschwerdeführerin als auch beide Vorinstanzen scheinen dieser Frage allerdings nur hinsichtlich der Auferlegung der Verfahrenskosten Relevanz zuzusprechen. Beschränkte sich der Streitgegenstand bereits vor Vorinstanz auf die Kostenfrage, richtete sich die Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen vorliegend nicht nach der Hauptsache, wie sonst bei der Anfechtung von Nebenpunkten (BGE 138 III 94 E. 2.2), sondern wäre der Streitwert anhand der strittigen Verfahrenskosten zu bemessen, wobei der gesetzliche Mindestwert (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) nicht erreicht und sich die Beschwerde in Zivilsachen daher als unzulässig erweisen würde (BGE 143 III 46 E. 1). Richtete sich die Zulässigkeit hingegen nach der Hauptsache, erwiese sich die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich als das zutreffende Rechtsmittel (vgl. Urteil 5A_742/2017 vom 27. September 2017 E. 1). Die Frage kann letztlich offenbleiben, zumal auf die Beschwerde so oder anders nicht einzutreten ist, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Die Beschwerde in Zivilsachen ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Daher muss auch das Rechtsbegehren grundsätzlich reformatorisch gestellt werden. Die beschwerdeführende Partei darf sich praxisgemäss nicht darauf beschränken, einen rein kassatorischen Antrag zu stellen, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht rein reformatorisch entscheiden könnte (BGE 137 III 313 E. 1.3; 133 III 489 E. 3.1).  
 
1.2.2. Die Beschwerdeführerin beantragt lediglich die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, ohne einen Antrag in der Sache zu stellen. Aus ihrer Begründung, die zur Auslegung der Rechtsbegehren heranzuziehen ist (BGE 137 II 313 E. 1.3), ergibt sich jedoch, dass sie sich gegen die Auferlegung der Verfahrenskosten wendet. Dass sie auch die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege anfechten würde, ergibt sich daraus allerdings nicht. Im Gegenteil beschränken sich die Ausführungen zur unentgeltlichen Rechtspflege auf das Verfahren vor Bundesgericht. In diesem Sinn ist die Beschwerde entgegenzunehmen.  
 
2.  
Das Prozessrecht ist im Bereich des Erwachsenenschutzes - unter Vorbehalt der in Art. 450 bis 450e ZGB festgehaltenen bundesrechtlichen Minimalvorschriften - kantonales Recht (Art. 450f ZGB). Dies gilt insbesondere für die Auferlegung und Höhe der Verfahrenskosten, die im Kanton Bern in Art. 63 des Gesetzes über den Kindes- und Erwachsenenschutz vom 1. Februar 2012 (KESG; BSG 213.316) bzw. in der Verordnung über die Gebühren der Kantonsverwaltung vom 22. Februar 1995 (GebV; BSG 154.21) und deren Anhang 10 geregelt sind. Die Verletzung kantonalen Rechts überprüft das Bundesgericht nicht frei, sondern nur auf Verletzung des Willkürverbots oder anderer verfassungsmässiger Rechte hin (BGE 140 III 385 E. 2.3). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG. Das heisst, das Bundesgericht prüft deren Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist, wobei es nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen prüft (BGE 142 III 364 E. 2.4). Dies gilt auch, wenn ein Kanton im Bereich des Erwachsenenschutzes die Bestimmungen der ZPO für anwendbar erklärt oder diese aufgrund des Verweises in Art. 450f ZGB zur Anwendung gelangen, soweit das kantonale Recht keine Regelung enthält; in diesem Fall stellen sie subsidiäres kantonales Recht dar (BGE 140 III 385 E. 2.3; Urteil 5A_51/2021 vom 21. Januar 2021 E. 3). 
 
3.  
Die soeben geschilderten Anforderungen vermag die Beschwerdeführerin nicht zu erfüllen. Sie macht zwar eine Reihe von Verfassungsverletzungen geltend (insbesondere Art. 9 BV, Art. 29 BV [rechtliches Gehör], Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 5 Abs. 2 und Art. 8 BV). Ihre Ausführungen bleiben aber meist theoretischer Natur. Die Beschwerdeführerin versäumt es, anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids konkret aufzuzeigen, inwiefern das kantonale Recht (und insbesondere: welche Bestimmungen) verfassungswidrig angewendet worden sein soll. Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz habe ihr Schreiben zu Unrecht als Beschwerde entgegengenommen, so ist sie darauf zu behaften, dass sie auf explizite Nachfrage durch die Vorinstanz, ob sie an der Beschwerde festhalte, ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für ebendieses Verfahren gestellt hat und nicht etwa ihre Beschwerde zurückgezogen hätte. Ohnehin irrt die Beschwerdeführerin, wenn sie meint, ihr sei der Entscheid der KESB nur im Dispositiv eröffnet worden. Auch wenn die Begründung sehr kurz bzw. unter Umständen gar ungenügend ausgefallen ist, enthielt der Entscheid eine solche. Auch der vorinstanzliche Entscheid ist begründet und setzt sich im Übrigen mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin einzeln auseinander, weshalb der sinngemässe Vorwurf, die Vorinstanz verletzte die Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV), nicht zutrifft. Inwiefern sodann das Äquivalenzprinzip (Art. 5 Abs. 2 und Art. 8 BV) verletzt sein sollte, erschliesst sich aus den Ausführungen in der Beschwerde nicht. Schliesslich genügt es den Begründungsanforderungen vor Bundesgericht nicht, zu behaupten, es könne nicht sein, dass BVG-Guthaben als Vermögen angerechnet werde, um die Verfahrenskosten zu bezahlen, und dass eruiert werden müsse, wie hoch der bei einem fiktiven Bezug des Freizügigkeitsguthabens anfallende Steuerbetrag wäre. Die Beschwerdeführerin führt nicht einmal aus, wie hoch das BVG-Guthaben ist und inwiefern und gestützt auf welche (Verfassungs-) normen bzw. Normen des kantonalen Rechts dieses nicht hätte (voll) berücksichtigt werden dürfen und damit auf die Erhebung von Verfahrenskosten hätte verzichtet werden müssen. 
Auf die Beschwerde ist daher mangels rechtsgenüglicher Begründung nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
4.  
Bei diesem Verfahrensausgang unterliegt die Beschwerdeführerin und wird grundsätzlich kosten- (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig (Art. 68 Abs. 3 BGG). Angesichts der konkreten Umstände wird ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG), womit das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos wird. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Seeland, dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, und B.________, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. August 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang