Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
7B_499/2024
Urteil vom 12. August 2024
II. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Abrecht, Präsident,
Bundesrichterin Koch,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiber Caprara.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecher Lars Rindlisbacher,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Beweisantrag (Hausdurchsuchung),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 28. März 2024 (BK 24 66).
Sachverhalt:
A.
Die Kantonale Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung, eventuell Veruntreuung und Urkundenfälschung zum Nachteil der B.________-Gruppe.
B.
B.a. Mit Verfügung vom 13. Februar 2024 (Ziffer 1) wies die Staatsanwaltschaft den Beweisantrag von A.________ auf Durchführung einer Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der C.________ AG, in U.________ ab. Bei der Letztgenannten handelt es sich um eine Untergesellschaft der B.________-Gruppe. Sie war Arbeitgeberin von A.________, der zwischenzeitlich pensioniert wurde.
B.b. Das Obergericht des Kantons Bern trat auf die von A.________ gegen die Abweisung des Beweisantrages erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 28. März 2024 nicht ein.
C.
Gegen diesen Beschluss wendet sich A.________ mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 28. März 2024 sowie Ziffer 1 der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 13. Februar 2024 seien aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, bei der C.________ AG, in U.________, ohne Vorinformation und in Anwesenheit von A.________ eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Eventualiter sei der Beschluss der Vorinstanz aufzuheben und diese anzuweisen, auf seine Beschwerde einzutreten und materiell darüber zu entscheiden. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Das Obergericht des Kantons Bern verzichtet mit Eingabe vom 1. Juli 2024 auf eine Vernehmlassung. Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern schliesst mit Eingabe vom 30. Juli 2024 auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Diese Eingaben der anderen Verfahrensparteien wurden A.________, dem Obergericht und der Generalstaatsanwaltschaft zur Kenntnis gebracht. A.________ hat mit Eingabe vom 7. August 2024 in Bezug auf die Beschwerdeantwort der Generalstaatsanwaltschaft repliziert.
Erwägungen:
1.
1.1. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen Zwischenentscheid, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft (vgl. Art. 92 BGG). Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde dagegen prinzipiell nur zulässig, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die zweite Variante kommt vorliegend nicht in Betracht (vgl. BGE 144 IV 127 E. 1.3; 141 IV 284 E. 2). Soweit sich die Beschwerde auf die Frage bezieht, ob überhaupt ein kantonales Rechtsmittel offensteht oder ob die Eintretensvoraussetzungen eines solchen erfüllt sind, ist die Beschwerde grundsätzlich unabhängig vom Erfordernis eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig (BGE 149 IV 205 E. 1.2; 143 I 344 E. 1.2; Urteil 1B_682/2021 vom 30. Juni 2022 E. 1.2 mit Hinweisen).
Vorliegend hat die Vorinstanz ihren Nichteintretensentscheid damit begründet, dass dem Beschwerdeführer kein Rechtsnachteil im Sinne von Art. 394 lit. b StPO drohe und damit eine Eintretensvoraussetzung verneint. Nach der zitierten Rechtsprechung wird hier auf das Erfordernis von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG verzichtet.
1.2. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist folglich einzutreten.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, durch die Abweisung des Beweisantrages drohe ihm ein Rechtsnachteil im Sinne von Art. 394 lit. b StPO. Die Vorinstanz sei zu Unrecht nicht auf die Beschwerde eingetreten.
2.2. Nach Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO ist die Beschwerde zulässig gegen die Verfügungen und die Verfahrenshandlungen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Übertretungsstrafbehörden. Nicht zulässig ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Beweisanträgen durch die Staatsanwaltschaft oder die Übertretungsstrafbehörde, wenn der Antrag ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden kann (Art. 394 lit. b StPO).
Diese Bestimmung dient dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung gemäss Art. 5 StPO. Nach der Rechtsprechung ist der in Art. 394 lit. b StPO genannte Rechtsnachteil gleichbedeutend mit dem nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Es muss sich somit um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht. Die Rechtsprechung bejaht einen solchen Nachteil, wenn eine konkrete Gefahr der Zerstörung oder des Verlusts von rechtserheblichen Beweismitteln besteht. Zu denken ist dabei etwa an die Einvernahme von Zeugen, die hochbetagt, schwer erkrankt oder im Begriff sind, das Land für längere Zeit zu verlassen. Auch die Erstellung eines Gutachtens fällt in Betracht, wenn befürchtet werden muss, dass dies zu einem späteren Zeitpunkt wegen veränderter Umstände nicht mehr möglich sein wird. Die bloss theoretische Möglichkeit eines Beweisverlusts genügt dabei nicht; erforderlich ist vielmehr ein konkretes Risiko (BGE 149 IV 205 E. 3.3 mit Hinweisen).
2.3. Mit dem Beschwerdeführer ist das Vorliegen eines Rechtsnachteils im Sinne von Art. 394 lit. b StPO zu bejahen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe anlässlich seiner Einvernahme vom 1. Februar 2024 zu seiner Entlastung vorgebracht, es existiere für die Verfahrensgegenstand bildenden Geldüberweisungen eine schriftliche Vereinbarung aus dem Jahr 2004, welche sich in seinem Büro bei der C.________ AG, in U.________ befinde, und zwar im Schrank, wo die Y.________-Unterlagen abgelegt seien. Das Unterbleiben oder Verzögern der beantragten Hausdurchsuchung berge die Gefahr, dass die Privatklägerin die fraglichen Unterlagen verschwinden lasse oder vernichte. Entgegen der Vorinstanz habe er nicht ausgesagt, dass nur seine beiden ehemaligen Vorgesetzten, die zwischenzeitlich verstorben seien, von der Vereinbarung Kenntnis gehabt hätten. Dass die bestehenden Organe der involvierten Gesellschaften keine Kenntnis von einer derartigen Vereinbarung hätten, sei derzeit eine blosse Behauptung, die nicht bewiesen sei. Zudem habe er eine örtlich umfassende Hausdurchsuchung der Räumlichkeiten der C.________ AG, in U.________ und nicht bloss seines Büros beantragt.
Darauf ist für die vorliegende Beurteilung und die Frage des drohenden Rechtsnachteils abzustellen. Nicht Thematik ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium, ob die Vorinstanz dem Beschwerdeführer glaubt und die Existenz einer entsprechenden Vereinbarung annimmt oder in antizipierter Beweiswürdigung davon ausgeht, eine solche habe nie existiert. Letztere Frage ist dem Sachrichter zu überlassen, sollte sich im Rahmen der Ermittlungen die vom Beschwerdeführer genannte Vereinbarung nicht auffinden lassen.
Die Vorinstanz ist zu Unrecht nicht auf die im kantonalen Verfahren erhobene Beschwerde eingetreten. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird im Rahmen ihres Verfahrens prüfen müssen, ob die vom Beschwerdeführer beantragte Hausdurchsuchung ohne Vorankündigung verhältnismässig ist, oder ob sich der vom Beschwerdeführer genannte Zweck, die Sicherung der Vereinbarung als Beweismittel, mit milderen Massnahmen wie beispielsweise einer Herausgabeverpflichtung nach Art. 265 StPO in Bezug auf die im früheren Büro des Beschwerdeführers gelagerten Akten bzw. die behauptete Vereinbarung erreichen lässt.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist für das bundesgerichtliche Verfahren vom Kanton Bern zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird bei diesem Ausgang des Verfahrens gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 28. März 2024 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Bern wird verpflichtet, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Lars Rindlisbacher, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist gegenstandslos.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, und der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. August 2024
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Abrecht
Der Gerichtsschreiber: Caprara