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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_837/2023  
 
 
Urteil vom 12. August 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Clément. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roman Wyrsch, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Landesverweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 10. Januar 2023 (SB220364-/O/U/hb). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 18. März 2022 verurteilte das Bezirksgericht Zürich A.________ wegen Betrugs nach Art. 146 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 40.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Es verwies sie für fünf Jahre des Landes, verzichtete indessen auf eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS). 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 10. Januar 2023 den erstinstanzlichen Schuldspruch und verurteilte A.________ zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es bestätigte weiter die fünfjährige Landesverweisung und den Verzicht auf Ausschreibung im SIS. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei insoweit aufzuheben als von einer Landesverweisung abzusehen sei. Sie stellt ein Gesuch um aufschiebende Wirkung und ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.  
Mit Schreiben vom 31. Mai 2023 teilte das Bundesgericht A.________ mit, dass ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos sei. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Die Vorinstanz hat mit Eingabe vom 13. Juni 2024 auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt mit Eingabe vom 2. Juli 2024 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG,) und formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde der Beschuldigten (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG) gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer oberen kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 1 BGG) betreffend eine Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG) ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 205 E. 2.6; 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 409 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 148 IV 409 E. 2.2, 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 356 E. 2.1 mit Hinweisen). Erforderlich ist zudem, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 148 IV 409 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
2.3. Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit die Beschwerdeführerin einen von den vorinstanzlichen Erwägungen abweichenden Sachverhalt darstellt, ohne Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung geltend zu machen oder ohne dies hinreichend zu begründen.  
 
2.4. Ebenfalls nicht willkürlich ist die Annahme der Vorinstanz, die Beschwerdeführerin habe Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Denn die Vorinstanz hörte die Beschwerdeführerin anlässlich der Berufungsverhandlung persönlich an. Diese Erwägungen stehen auch nicht in Widerspruch dazu, dass die Vorinstanz bei der Prüfung der Strafbarkeit davon ausgeht, die Verständigungsschwierigkeiten schienen vorgeschoben bzw. die Beschwerdeführerin könne sich umgangssprachlich ausdrücken.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz verstosse gegen Art. 66a Abs. 2 StGB, indem sie einen Härtefall verneine. Sie lebe seit 35 Jahren in der Schweiz, habe ihre Jugend hier verbracht und ihre vier Kinder grossgezogen. Ihre ganze Familie befinde sich in der Schweiz und würde durch eine Landesverweisung auseinandergerissen. Sodann sei das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung geschmälert, weil sie bloss bei einem Verbleib in der Schweiz den Deliktsbetrag zurückbezahlen könne. Die Vorinstanz nehme sodann keinen Bezug auf Art. 8 EMRK, obwohl der Beschwerdeführerin mit einer Landesverweisung die Aufrechterhaltung ihres Familienlebens zu ihren Kindern und Geschwistern verunmöglicht werde. Schliesslich sei die strafrechtliche Verfehlung zwar nicht marginal, habe sich aber auf "genau definierte Fehler" bei der Deklaration ihres Einkommens gegenüber den Sozialbehörden beschränkt.  
 
3.2. Das Gericht verweist einen Ausländer, der wegen Betrugs im Bereich einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe (Art. 146 Abs. 1 StGB) verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für  
5-15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB). Es kann ausnahmsweise von der Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Härtefallklausel). 
Die Rechtsprechung hat wiederholt dargelegt, welche Kriterien bei der Prüfung des persönlichen Härtefalls und der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind (BGE 146 IV 105 E. 3.4; 144 IV 332 E. 3.3 ff.; je mit Hinweisen). Ebenso hat sie sich bei der Beurteilung der Landesverweisung bereits mehrfach zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 13 BV und Art. 8 EMRK) sowie zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geäussert (BGE 147 I 268 E. 1.2.3; 146 IV 105 E. 4.2; 145 IV 161 E. 3.4; je mit Hinweisen). 
Zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB lässt sich der Kriterienkatalog der Bestimmung über den "schwerwiegenden persönlichen Härtefall" in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2 mit Hinweisen; 144 IV 332 E. 3.3.2). Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, zu der die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Respektierung der Werte der Bundesverfassung, die Sprachkompetenzen, die Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung zählen (Art. 58a Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [AIG; SR 142.20]), die familiären Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand, die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat und die Resozialisierungschancen (BGE 144 IV 332 E. 3.3.2). Von einem schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB ist bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen (BGE 149 IV 231 E. 2.1.1; 147 IV 453 E. 1.4.5; je mit Hinweis[en]). Im Übrigen kann auf die zitierte Rechtsprechung verwiesen werden. 
 
3.3. Die Beschwerdeführerin wurde rechtskräftig wegen Betrugs verurteilt, weil sie den für die Zusatzleistungen zur AHV/IV zuständigen Behörden bewusst Einkommen verheimlichte. Der Deliktsbetrag beträgt Fr. 14'197.--. Die Vorinstanz qualifizierte sowohl das objektive als auch das subjektive Verschulden als leicht.  
Zur Landesverweisung führt sie aus, die Beschwerdeführerin sei Staatsangehörige der Dominikanischen Republik. Dass sie je das Schweizer Staatsbürgerrecht infolge Adoption als Minderjährige durch ihren Stiefvater erworben haben soll, sei trotz Vorlage eines dominikanischen Adoptionsurteils gestützt auf die öffentlichen Register, in denen die Adoption nicht eingetragen sei, nicht erwiesen. Die Beschwerdeführerin sei in der Dominikanischen Republik geboren und habe dort bis zum Alter von 15 Jahren gelebt. Seit 35 Jahren lebe sie in der Schweiz. Den Kontakt zur Heimat habe sie konstant aufrechterhalten. Die letzte Ferienreise dorthin sei von Ende Dezember 2021 bis Anfang Januar 2022 erfolgt. Zuvor sei sie mehrmals pro Jahr in ihre Heimat zurückgekehrt. 
Aufgrund eines Unfalls in ihrer frühen Kindheit habe sie intensiv medizinisch versorgt werden müssen und deshalb die obligatorische Schule nicht ordentlich besucht. Sie habe keine Ausbildung absolviert. Sie sei verwitwet und habe vier volljährige Kinder. Die Beschwerdeführerin sei seit Oktober 2020 in psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung. Sie leide an einer mittelgradigen depressiven Episode mit chronischem Verlauf, einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer paranoiden und schizoiden Persönlichkeitsstörung. Sie vertraue niemandem und ziehe sich stark von ihren Mitmenschen zurück. 
Die Vorinstanz nimmt an, die Beschwerdeführerin verfüge durch ihre zwischenzeitlich verstorbenen Eltern über soziale Kontakte in der Heimat. Auch ihr ältester Bruder mit seiner Familie halte sich häufig dort auf. Insoweit seien ihre Chancen intakt, in der Heimat wieder Fuss zu fassen. Sie spreche die Sprache ihres Heimatlandes fliessend. Dies im Gegensatz zur deutschen Sprache, mit welcher sie trotz langer Aufenthaltsdauer in der Schweiz Mühe bekunde und obwohl ihre vier erwachsenen Kinder kein Spanisch, sondern Deutsch mit ihr sprächen. 
Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, sich langfristig in den Schweizer Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie habe sich in erster Linie um ihre Kinder gekümmert und sei immer wieder Erwerbstätigkeiten nachgegangen, welche allerdings kaum besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten vorausgesetzt hätten. So habe sie in einer Schokoladenfabrik, als Zimmermädchen sowie in Service und Küche gearbeitet. Seit Ende Februar 2022 arbeite sie als Buffet-Mitarbeiterin in einem SBB-Restaurant. Insgesamt bestehe kaum Hoffnung auf eine dauerhafte berufliche Integration. 
Negativ falle ins Gewicht, dass die Beschwerdeführerin viele Jahre Ergänzungsleistungen zur AHV/IV bezogen habe und von Leistungen der Sozialhilfe abhängig gewesen sei. Sie sei nach wie vor verschuldet, bemühe sich jedoch um Abzahlung ihrer Schulden. Ihr Lohn sei gepfändet. 
Auch in persönlicher Hinsicht sei die Beschwerdeführerin trotz langer Aufenthaltsdauer kaum in der Schweiz integriert. Die einzigen Beziehungen seien familiärer Natur. Die Beschwerdeführerin habe vier erwachsene Kinder. Davon lebten drei in der gleichen Gemeinde wie sie und eines anderthalb Stunden entfernt. Zu ihren Kindern pflege sie keine besonders enge Bindung. Erst seit kurzem besuchten sie ihre Kinder wieder, wobei der Kontakt zwischenzeitlich abgebrochen sei. Zum Zeitpunkt der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme habe sie keine Ahnung gehabt, wo ihre Kinder lebten und sei wenig an ihnen interessiert gewesen. Das im Gerichtsverfahren an den Kindern gezeigte Interesse sei aufgrund der drohenden Landesverweisung vorgeschoben. Es bestehe auch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Kindern. Der Kontakt zu ihren Kindern und ihrem Stiefvater könne im Falle der Landesverweisung mittels moderner Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Zu ihren teilweise in der Schweiz lebenden Geschwistern pflege die Beschwerdeführerin keinen Kontakt. 
Die psychiatrische und psychologische Betreuung der Beschwerdeführerin sowie der Zugang zu den erforderlichen Medikamenten seien sodann auch in ihrer Heimat gewährleistet, zumal sich die Beschwerdeführerin dort längere Zeit habe behandeln lassen. 
Zusammenfassend verneint die Vorinstanz einen Härtefall. 
 
3.4. Der Auffassung der Vorinstanz, eine Landesverweisung begründe keinen schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB für die Beschwerdeführerin, kann nicht gefolgt werden.  
Zunächst hat sich der Stiefvater der Beschwerdeführerin um ihre Adoption bemüht und ein entsprechendes Gerichtsurteil im Heimatland der Beschwerdeführerin, der Dominikanischen Republik, erwirkt. Auch wenn das Urteil in den Schweizern Registern aus unbekannten Gründen nicht nachvollzogen ist, so begründet dies zusammen mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer Jugend, d.h. seit nunmehr 35 Jahren, in der Schweiz lebt, eine erhebliche Bindung zum Gastland. 
Zwar erscheint die sprachliche Integration der Beschwerdeführerin trotz ihres überaus langen Aufenthalts im hiesigen Land nicht als besonders gelungen. Indessen ist die wirtschaftliche Integration der im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils rund 50 Jahre alten Beschwerdeführerin - anders als die Vorinstanz ausführt - nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin, welche mit 20 Jahren erstmals und mit 28 Jahren letztmals Mutter wurde, hat in der Schweiz geheiratet und vier Kinder zur Welt gebracht (Jahrgänge 1992, 1993, 1999 und 2000). Sie hat infolge eines Unfalls die ordentliche Schule in ihrer Heimat nicht lückenlos besucht und keine berufliche Ausbildung abgeschlossen. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin neben der Kindererziehung nur teilweise, aber wiederholt, erwerbstätig war, ist ihr positiv anzurechnen. Hinzu kommt, dass an eine ungelernte Frau mit vier nunmehr erwachsenen Kindern zumindest für die Zeit, in welcher sie erhebliche Betreuungspflichten wahrgenommen hat, keine hohen Erwartungen an deren berufliche Integration gestellt werden dürfen. Das von der Vorinstanz negativ gewertete Kriterium, für die Berufstätigkeit seien keine besonderen Fähigkeiten erforderlich gewesen, ist aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalles ohne Bedeutung. Ebenso wirkt sich die aktuellste Berufstätigkeit, welche im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils immerhin knapp ein Jahr angedauert hatte, günstig auf die Beurteilung aus. 
Weiter darf bei der persönlichen Integration der verwitweten Beschwerdeführerin, welche über keinen besonderen Freundeskreis, sondern bloss über innerfamiliäre Beziehungen zu ihren Kindern verfügt, nicht übersehen werden, dass die Kinderbetreuung und die parallel dazu geführte Arbeitstätigkeit ausserfamiliäre Betätigungen für einen langen Zeitraum eingeschränkt haben. Darüber lässt die Vorinstanz den im Rahmen der Strafzumessung erwähnten Umstand ausser Acht, dass der Beschwerdeführerin im Jahr 2020, d.h. im Alter von 48 Jahren, eine psychiatrische Diagnose gestellt wurde, welche sich gerade in ihrem sozialen Rückzug äussert. Insoweit kann von der in diesem Bereich aus gesundheitlichen Gründen beeinträchtigten Beschwerdeführerin kein ausgeprägtes Sozialleben erwartet werden. 
Die finanziellen Verhältnisse erachtet die Vorinstanz zutreffend als getrübt. Die Beschwerdeführerin hat während vielen Jahren Sozialleistungen und Ergänzungsleistungen zur AHV/IV bezogen, Schulden, ihr Einkommen ist gepfändet; um Abzahlung der Schulden ist sie jedoch immerhin bemüht. 
Wenn die Vorinstanz eine persönliche und wirtschaftliche Wiedereingliederung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat als intakt bewertet, ist ihr nicht zuzustimmen. Bei dieser Würdigung übergeht die Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin im Alter von 15 Jahren in die Schweiz migriert ist, in ihrer Heimat die Schule längere Zeit nicht besucht hat, ungelernt ist, während ausgesprochen langer Zeit in der Schweiz gewohnt hat und mit 50 Jahren fortgeschrittenen Alters ist. Unter diesen Umständen erscheint eine Reintegration zumindest als fraglich. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin, bis auf die im Verfahren zu beurteilenden Delikte, vorstrafenlos ist. 
Insgesamt verstösst es gegen Art. 66a Abs. 2 StGB, wenn die Vorinstanz den schweren persönlichen Härtefall unter den gegebenen Umständen verneint. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur Interessenabwägung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
4.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Dem unterliegenden Kanton Zürich sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Er hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 BGG) ist als gegenstandslos abzuschreiben. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 10. Januar 2023 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich wird verpflichtet, dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Roman Wyrsch, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten. 
 
4.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gegenstandslos. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. August 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Clément