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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_471/2007/bri 
 
Urteil vom 12. November 2007 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Stohner. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Klaus Bürgi, 
 
gegen 
 
A.________, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Johann Schneider, 
Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 22. Mai 2007. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, befand X.________ am 22. Mai 2007 zweitinstanzlich der Sachbeschädigung für schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 800.--, löschbar im Strafregister nach Ablauf einer Probezeit von einem Jahr. 
B. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 22. Mai 2007 sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Sachbeschädigung freizusprechen. Eventualiter beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Auf die Beschwerde ist einzutreten, da sie unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet. 
 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4). 
2. 
Der Verurteilung des Beschwerdeführers liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 
 
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Liegenschaft B.________-Grundbuchblatt Nr. XXX. Dieses Grundstück ist mit einem Quellenrecht zugunsten der Liegenschaft B.________-Grundbuchblatt Nr. XX belastet, welche im Eigentum der Beschwerdegegnerin steht. 
 
Auf der Parzelle des Beschwerdeführers befindet sich eine von der Beschwerdegegnerin genutzte Brunnstube. Die ebenerdige Abdeckung der Brunnstube war sanierungsbedürftig. Ab Mai 2005 kam es zwischen den beiden Parteien zu Differenzen über die Art und Weise der Sanierung. Während der Beschwerdeführer einzig eine ebenerdige Abdeckung akzeptieren wollte, beabsichtigte die Beschwerdegegnerin die Erstellung einer erhöhten Brunnstube. Dieses Vorhaben setzte die Beschwerdegegnerin schliesslich im September 2005 gegen den Willen des Beschwerdeführers in die Tat um und veranlasste die Sanierung der Brunnstube mittels eines Schachtaufbaus. Am 22. Oktober 2005 beseitigte der Beschwerdeführer eigenmächtig die den Boden überragende Abdeckung des neuen Brunnstubenaufbaus. Seither ist die Brunnstube (wieder) sanierungsbedürftig. 
 
Die Beschwerdegegnerin hat in der Folge gegen den Beschwerdeführer Strafantrag wegen Sachbeschädigung gestellt und sich als Privatklägerin konstituiert. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, neben einem erhöhten Brunnstubenaufbau entspreche auch ein ebenerdiger Zugang zur Brunnstube dem erforderlichen Stand der Technik. Die gegenteilige Feststellung der Vorinstanz sei willkürlich und verletze den Grundsatz "in dubio pro reo". Er habe in diesem Zusammenhang zudem ausdrücklich die Einvernahme eines Experten, nämlich des Abteilungsvorstehers des kantonalen Laboratoriums der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern, beantragt. Indem die Vorinstanz nicht auf diesen Beweisantrag eingegangen sei, habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet (Beschwerde S. 4 - 7). 
 
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, da auch ein ebenerdiger Zugang zur Brunnstube genügt hätte, wäre die Beschwerdegegnerin nach dem Grundsatz der schonenden Rechtsausübung verpflichtet gewesen, diese Möglichkeit zu wählen. Ein Schachtaufbau störe seinen Besitz, weil er bei der Bewirtschaftung seiner Obstplantage mit seinem Motorfahrzeug einen Umweg fahren müsste. Die Beschwerdegegnerin habe mithin verbotene Eigenmacht angewendet und den Aufbau rechtswidrig erstellt. Er sei daher berechtigt gewesen, in Selbsthilfe diesen Bauteil wieder zu entfernen. Sein Eingriff habe sich dabei auf das Notwendige beschränkt und komme keiner ungerechtfertigten Gewaltanwendung im Sinne von Art. 926 Abs. 3 ZGB gleich. Mit dem Rückbau sei der Beschwerdegegnerin einzig verwehrt worden, einen Nutzen aus ihrer rechtswidrigen Tätigkeit zu ziehen. Diese Früchte illegalen Vorgehens dürften bei der erforderlichen Interessenabwägung nicht berücksichtigt werden. Die Vorinstanz habe demnach im Ergebnis Art. 926 Abs. 3 ZGB falsch angewendet und hierdurch Bundesrecht verletzt (Beschwerde S. 7 - 9). 
3.2 Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdegegnerin sei zur Sanierung der Brunnstube befugt gewesen, und diese habe einzig mit einem erhöhten Aufbau sachgerecht in Stand gestellt werden können. Ein ebenerdiger Zugang berge die Gefahr der Verschmutzung des Trinkwassers mit Schnecken und entspreche deshalb nicht den anerkannten Regeln der Technik. Mangels verbotener Eigenmacht der Beschwerdegegnerin sei der Beschwerdeführer damit per se nicht befugt gewesen, die den Boden überragende Abdeckung zu beseitigen (angefochtenes Urteil S. 7 f.). 
 
Eventualiter wird im angefochtenen Urteil ausgeführt, selbst wenn die Beschwerdegegnerin verbotenerweise eigenmächtig gehandelt haben sollte, so wäre der Beschwerdeführer zwar gemäss Art. 926 Abs. 1 ZGB grundsätzlich zum gewaltsamen Schutz seines Besitzes berechtigt gewesen, hätte sich aber gestützt auf Art. 926 Abs. 3 ZGB jeder nach den Umständen nicht gerechtfertigten Gewalt enthalten müssen. Eine Abwägung der Interessen der beiden Parteien ergebe, dass die Beseitigung des Schachtaufbaus eine ungerechtfertigte Gewaltausübung darstelle. Der Beschwerdeführer habe somit den Tatbestand der Sachbeschädigung nach Art. 144 Abs. 1 StGB erfüllt (angefochtenes Urteil S. 8 f.). 
3.3 Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw. im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 129 I 173 E. 3.1 mit Hinweisen). Dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 nicht publ. E. 4.1; 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen). 
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV umfasst unter anderem das Recht der betroffenen Person, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 126 I 15 E. 2a/aa; 124 I 49 E. 3a, 241 E. e, je mit Hinweisen). 
3.4 Das Recht an einer Quelle auf fremdem Grundstück belastet das Quellengrundstück mit der Dienstbarkeit der Aneignung und Ableitung des Quellwassers (Art. 780 Abs. 1 ZGB). Die Beschwerdegegnerin hat gestützt auf ihr Servitut das Recht, das Quellwasser auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers zu fassen. Dies beinhaltet auch die Befugnis, die Brunnstube zu sanieren (vgl. Art. 737 Abs. 1 ZGB). Die Beschwerdegegnerin ist dabei jedoch verpflichtet, ihr Recht in möglichst schonender Weise auszuüben (Art. 737 Abs. 2 ZGB). Sie hat - soweit verschiedene, für sie gleichwertige Sanierungsmöglichkeiten bestehen - die für den Dienstbarkeitsbelasteten günstigste Variante zu wählen. 
 
Die Anforderungen an eine Quellfassung werden durch die Verordnung des EDI über Trink-, Quell- und Mineralwasser (SR 817.022.102) näher geregelt. Gemäss Art. 6 Abs. 3 der Verordnung müssen Anlagen, Apparate und Einrichtungen zur Wasserversorgung nach den anerkannten Regeln der Technik eingerichtet, betrieben, erweitert oder abgeändert werden. Die diese Bestimmung ausführende Dokumentation "Selbstkontrolle in der Trinkwasserversorgung" des Kantonalen Laboratoriums der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern vom 1. März 2007 hält unter Ziffer 6 "Hygienische Anforderungen an Brunnstuben" fest, die Schachthöhe müsse "50 cm über Terrain" betragen. 
 
Vor diesem Hintergrund ist die Folgerung im angefochtenen Urteil, einzig ein erhöhter Brunnstubeneingang entspreche den anerkannten Regeln der Technik gemäss Art. 6 Abs. 3 der Verordnung des EDI über Trink-, Quell- und Mineralwasser, nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat sich daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers weder eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung noch eine willkürliche Beweiswürdigung zu Schulden kommen lassen. Inwiefern zudem diese Schlussfolgerung der Vorinstanz gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" bzw. die Unschuldsvermutung verstossen sollte, ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht näher substantiiert. 
Des Weiteren konnte die Vorinstanz vorliegend ohne Verstoss gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV in antizipierter Beweiswürdigung auf die Einvernahme des Abteilungsvorstehers des kantonalen Laboratoriums verzichten, da eine solche keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn versprochen hätte. 
3.5 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die eventualiter erhobene Rüge des Beschwerdeführers, wonach die Vorinstanz Art. 926 ZGB falsch angewendet habe, fusst doch dieses Vorbringen auf der Prämisse, dass auch ein ebenerdiger Zugang zur Brunnstube dem Stand der Technik entspreche. 
3.6 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Sanierung der Brunnstube mittels eines Schachtaufbaus nicht rechtswidrig war. Da der Beschwerdeführer diesen Aufbau entfernt und damit die Brunnstube, an welcher ein Nutzungsrecht der Beschwerdegegnerin besteht, vorsätzlich und ohne Rechtfertigungsgrund unbrauchbar gemacht hat, hat ihn die Vorinstanz zu Recht wegen Sachbeschädigung gemäss Art. 144 Abs. 1 StGB für schuldig befunden. 
 
Die Beschwerde ist folglich vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Generalprokurator des Kantons Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. November 2007 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: