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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_499/2008/sst 
 
Urteil vom 12. November 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Peter Hollinger, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Jürg Friedli, 
 
Gegenstand 
Einfache Körperverletzung, Sachentziehung mit geringfügigem Vermögenswert, Beschimpfung, Drohung; Schadenersatz- und Genugtuung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 20. März 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Y.________ arbeitete bis Ende Februar 2006 als Taxifahrer für die Firma Y.________. Er kündigte insbesondere deshalb, weil er nicht mehr mit X.________ zusammenarbeiten wollte. Er machte sich selbständig und fuhr ab 2. März 2006 unter der Firma Z.________. 
Y.________ erhob am 8. und 20. März 2006 Strafanzeigen gegen X.________. In der ersten Anzeige brachte er vor, X.________ habe eine Werbemagnettafel entfernt und mitgenommen und ihn seit seiner Kündigung bedroht, beschimpft und mit dem Fahrzeug genötigt. In der zweiten Strafanzeige erklärte er, X.________ habe ihn in die Genitalien getreten, beschimpft und bedroht. Er habe das Spital aufsuchen müssen und könne zurzeit nicht arbeiten. 
 
B. 
Der ao. Gerichtspräsident des Gerichtskreises XI Interlaken-Oberhasli erklärte X.________ am 27. Juni 2007 schuldig der einfachen Körperverletzung, der Sachentziehung mit geringfügigem Vermögenswert, der mehrfachen Beschimpfung, der mehrfachen Drohung und der Nötigung. Er verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten (mit einer vierjährigen Probezeit) und zu einer Busse von Fr. 1'000.-- (mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen bei schuldhafter Nichtbezahlung). Weiter verurteilte er ihn zur Bezahlung der Verfahrenskosten, der Parteikosten des Privatklägers von Fr. 6'000.-- sowie eines Schadenersatzes von Fr. 129.10 und einer Genugtuung von Fr. 1'500.-- an den Privatkläger. 
Auf Appellation des Verurteilten sprach ihn das Obergericht des Kantons Bern am 20. März 2008 von der Anschuldigung der Nötigung frei und bestätigte im Übrigen die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Es verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 90.--, insgesamt Fr. 10'800.-- (mit einer Probezeit von 3 Jahren). Es bestätigte die erstinstanzliche Verurteilung zu Schadenersatz und Genugtuung. Weiter bestätigte es die erstinstanzlichen Verfahrens- und Parteikosten und auferlegte ihm die obergerichtlichen Parteikosten sowie zu zwei Dritteln die obergerichtlichen Verfahrenskosten. 
 
C. 
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt sinngemäss, ihn in allen Punkten freizusprechen, die Zivilklage zurückzuweisen, die Kosten und Entschädigungen neu festzusetzen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; zur Tragweite BGE 133 II 249 E. 1.4.1). Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 3.2; 133 IV 286 E. 1.4). Dieses Rügeprinzip verlangt, dass in der Beschwerdeschrift dargelegt wird, welche verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 133 II 396 E. 3.1). 
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), soweit nicht die Voraussetzungen von Art. 105 Abs. 2 BGG vorliegen (zur Tragweite dieser Bestimmung BGE 133 IV 286 E. 2.6). 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Anklagegrundsatzes und willkürliche Beweiswürdigung hinsichtlich der Drohungen und Beschimpfungen geltend. Es müsse sich aus der Anklageschrift ergeben, in wie vielen Fällen die Tat begangen worden sein soll. 
Das Strafverfahren betreffend Drohung und Beschimpfung wurde von der Erstinstanz zunächst auf Antrag des Rechtsvertreters des Geschädigten zeitlich ausgedehnt ("fortgesetzt" begangen). An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung wurde die zeitliche Ausdehnung einerseits beschränkt und andererseits auf Antrag des Rechtsvertreters des Geschädigten erneut ausgedehnt. Die Vorinstanz stellt fest, dass dies ordnungsgemäss erfolgte (angefochtenes Urteil S. 7). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass dieses Vorgehen prozessual nicht zulässig wäre oder die Strafanträge diese Ausdehnung nicht abdeckten. 
Weiter macht er geltend, als Grundlage der Strafausdehnung und Schuldigerklärung wegen Drohung und Beschimpfung dienten praktisch ausschliesslich Tagebuchnotizen und Aussagen des Geschädigten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies "nicht angehen" kann (Beschwerde S. 5, 6). Vielmehr muss das Strafgericht in freier Beweiswürdigung (vgl. angefochtenes Urteil S. 15 f.) alle zulässigen Beweismittel heranziehen. Dazu gehören auch Aussagen von Geschädigten. Drohungen und Beschimpfungen "unter vier Augen" könnten andernfalls strafrechtlich nicht geahndet werden. 
Die Vorinstanz stuft die Aussagen des Geschädigten als glaubhaft ein. Sie stellt insbesondere und entgegen der Beschwerde (S. 6) fest, dass die Beschimpfungen nicht auf Provokation hin erfolgten, wobei es im Übrigen auch eine Aussage des Beschwerdeführers zitiert, dass der Geschädigte ihn "nicht jedes Mal zurück beschimpft" hat (angefochtenes Urteil S. 24, 36). Von einer willkürlichen Beweiswürdigung kann nicht die Rede sein. 
 
2.2 Die Vorinstanz hat sich unter Einbezug der erstinstanzlichen Beweiswürdigung mit der Sache in umfangreichen Erwägungen auseinander gesetzt. Weder unter verfassungs- noch unter konventionsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo ersichtlich (Beschwerde S. 8 ff.). Es handelt sich um rein appellatorische Kritik. 
 
2.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe immer bestritten, dem Geschädigten eine Hodenkontusion zugefügt zu haben oder ihn im fraglichen Zeitpunkt in irgendeiner Form berührt zu haben. Zudem habe kein Zeuge den Vorfall beobachten können. 
Im Kurzaustrittsbericht des Spitals Interlaken wird die Diagnose einer "Hodenkontusion links" gestellt. Diese verursachte erhebliche Schmerzen, erforderte eine ärztliche Behandlung und hatte eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit zur Folge (angefochtenes Urteil S. 32, 34 f.). Die Schmerzen hielten über ein Jahr an (angefochtenes Urteil S. 53). Es lag damit keine bloss vorübergehende harmlose Störung des Wohlbefindens vor (BGE 127 IV 59 E. 2; Nachweise bei TRECHSEL/FINGERhuth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Zürich 2008, Art. 123 N. 2). Dieser Schuldspruch wegen einfacher Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB) ist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Es kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
2.4 Auch die Drohungen, wie "deine letzte Stunde hat geschlagen" und "du kommst noch mal dran", sind nachgewiesen und in der Subsumtion (Art. 180 Abs. 1 StGB) nicht zu beanstanden (erstinstanzliches Urteil S. 42; act. 399). Diese Drohungen sind in den Zusammenhang mit der massiven Angst des Geschädigten vor dem Beschwerdeführer zu stellen. Dieser hatte über Monate hinweg einen Terror gegen den Geschädigten ausgeübt (angefochtenes Urteil S. 24, 53). Weiter ist auf diese Vorbringen nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer hat gegen den Schuldspruch bei der Vorinstanz keine Einwände erhoben (angefochtenes Urteil S. 35). 
 
2.5 Der Beschwerdeführer hat gegen den Schuldspruch wegen Sachentziehung mit geringem Vermögenswert (Art. 141 i.V.m. Art. 172ter Abs. 1 StGB) bei der Vorinstanz ebenfalls keine Einwände erhoben (angefochtenes Urteil S. 35), so dass auf die erst im bundesgerichtlichen Verfahren erhobenen Rügen nicht einzutreten ist. 
 
2.6 Der Beschwerdeführer bringt gegen die Verurteilung zu Schadenersatz wegen der entzogenen Magnettafel vor, die geltend gemachten Auslagen für den Erwerb der Magnettafel seien nicht getätigt worden (Beschwerde S. 12). Der Schaden ist indessen bereits aufgrund der festgestellten Sachentziehung entstanden. Er setzt nicht Auslagen für einen Neuerwerb der Sache voraus. Der Beschwerdeführer hatte im Übrigen bei der Vorinstanz "auf materielle Einwände gegen die Begründetheit resp. Höhe der Forderungen" verzichtet (angefochtenes Urteil S. 46). 
 
2.7 Die Genugtuung von Fr. 1'500.-- erscheint auch der Vorinstanz im Quervergleich eher als hoch. Sie beurteilt diese indessen angesichts der konkreten Umstände als vertretbar. Sie verweist einerseits auf die lange Zeit spürbare schmerzhafte Verletzung und andererseits auf die anhaltende bedrohliche Art des Beschwerdeführers gegenüber dem Geschädigten, welche diesen gezwungen habe, "seinen Alltag spürbar und entgegen seinen Interessen umzukrempeln" (angefochtenes Urteil S. 46). Die Schmerzen hielten über ein Jahr an (angefochtenes Urteil S. 53). Die Entscheidung verletzt kein Bundesrecht. 
 
2.8 Was der Beschwerdeführer gegen die ausführliche vorinstanzliche Strafzumessung einwendet, ist unbegründet. Dass die Vorinstanz das über Monate hinweg terrorisierende, schikanierende und einschüchternde Verhalten des Beschwerdeführers als "Stalking" bezeichnet, verletzt kein Bundesrecht, selbst wenn sie ihn von der Anschuldigung der Nötigung beim Vorfall vom 6. März 2006 freispricht. Damit umschreibt sie lediglich sein an gleicher Stelle festgehaltenes Verhalten. Weil die Körperverletzung eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte und der Geschädigte seine Taxi-Fahrgewohnheiten zum Teil aufgeben musste (angefochtenes Urteil S. 35 und 40), konnte ohne weiteres von einer Einkommenseinbusse ausgegangen werden. 
 
3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 12. November 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Briw