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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_10/2023  
 
 
Urteil vom 13. Januar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, c/o B.________ AG, vertreten durch Rechtsanwalt Luzi Stamm, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Familiengericht Baden, 
Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden. 
 
Gegenstand 
Zustimmung zur Wohnungskündigung / Liquidation des Haushalts, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, vom 29. November 2022 (XBE.2022.65). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Nach einer Hospitalisation am 26. Oktober 2020 mit anschliessender Rehabilitation wurde die Beschwerdeführerin in der Folge in einem Alters- und Pflegeheim untergebracht. Am 21. Januar 2021 errichtete das Familiengericht Baden für sie eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung. 
 
B.  
Am 4. August 2022 regelte das Familiengericht die Weiterführung der Beistandschaft und die Aufgabenbereiche der Beiständin und erteilte dieser die Zustimmung, die Wohnung der Beschwerdeführerin aufzulösen und den Haushalt zu liquidieren. 
Die gegen die Zustimmung zur Wohnungskündigung und Haushaltsliquidation gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 29. November 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 30. Dezember 2022 verlangt die Beschwerdeführerin, nunmehr anwaltlich vertreten, die Aufhebung dieses Entscheides und die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Ausgangspunkt bildet ein Zustimmungsentscheid des Familiengerichts Baden in seiner Funktion als KESB im Sinn von Art. 416 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht die Beschwerde in Zivilsachen offen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
Der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt und appellatorische Ausführungen ungenügend sind (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3). Gleiches gilt im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes für das aufgrund des zuteilenden Vorbehaltes in Art. 450f ZGB weitestgehend kantonal geregelte Prozessrecht, welches vom Bundesgericht ebenfalls nicht frei, sondern nur auf Willkür hin überprüft werden kann (BGE 140 III 385 E. 2.3). Die Anwendung des Bundesrechts prüft das Bundesgericht hingegen frei (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei die Beschwerde diesbezüglich eine Begründung zu enthalten hat, in welcher in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 142 III 364 E. 2.4). 
 
2.  
Das Obergericht hat erwogen, dass bei der Liquidation des Haushaltes das Recht auf Selbstbestimmung sowie die Wünsche und Vorstellungen der betroffenen Person zu berücksichtigen seien und es ein überstürztes Handeln zu vermeiden gelte. Die Beschwerdeführerin habe konstant ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass sie in ihre Wohnung zurückkehren möchte und in der Lage sei, selbständig dort zu leben. Indes würden sämtliche Arzt-, Betreuungs- und Pflegepersonen zum Schluss kommen, dass ihr gesundheitlicher Zustand eine Rückkehr in die eigene Wohnung ausschliesse (was im angefochtenen Entscheid mit jeweiligen Aktenhinweisen detailliert ausgeführt wird); die Beschwerdeführerin würde eine 24-Stunden-Betreuung benötigen, welche sie zuhause nicht in Anspruch nehmen könne, und die Wohnung sei auch nicht rollstuhlgängig. Verschiedene Pflegepersonen hätten festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin erheblich überschätze, und sie sei in Bezug auf die Frage, ob sie in ihrer eigenen Wohnung leben könnte, als urteilsunfähig zu betrachten. In finanzieller Hinsicht hat das Kantonsgericht auf die Doppelbelastung und die Überschuldungsproblematik hingewiesen. Die Vermieterin habe am 18. Mai 2022 die ausstehenden Mietzinse gemahnt und mit der Kündigung gedroht. In der Folge habe die Beschwerdeführerin die fälligen Ansprüche aus (der Beiständin) unbekannten Quellen bezahlt. 
 
3.  
Beschwerdeweise wird in erster Linie eine Gehörsverletzung im Zusammenhang mit der E-Mail des Alters- und Pflegeheimes vom 11. November 2022 geltend gemacht. Indes hält die Beschwerdeführerin selbst fest, dass ihr dieses Dokument mit Verfügung vom 15. November 2022 zugestellt wurde. Wenn sie festhält, sie habe die Strassburger Praxis, wonach sie dazu hätte Stellung nehmen können, nicht gekannt, spricht sie die Kenntnis über ihre prozessualen Rechte und nicht das rechtliche Gehör an. Im Übrigen hätte es ihr frei gestanden, sich im Verfahren vertreten zu lassen; diesfalls wäre die E-Mail ihrer Rechtsvertretung zugestellt worden. 
 
4.  
In der Sache selbst wird vorgebracht, das Gericht könne die medizinisch bedingten Einschränkungen gar nicht kennen, während sie (Beschwerdeführerin) selbst festgestellt habe, dass sie problemlos mit dem Rollstuhl durch die Wohnung fahren könne, weshalb es absurd sei zu behaupten, diese sei nicht rollstuhlgängig; die anderslautenden Angaben der Pflegepersonen seien übertrieben. Im Übrigen sei bei all den im angefochtenen Entscheid angeführten Protokollstellen und Aussagen zu berücksichtigen, dass diese teils bereits viele Monate zurücklägen, sich ihr gesundheitlicher Zustand aber stark verbessert habe. Ihr Rechtsvertreter habe bei allen Besuchen im Pflegeheim den Eindruck gehabt, sie sei in gutem geistigen und körperlichen Zustand und mit dem Rollstuhl zielbewusst und in erstaunlichem Tempo unterwegs. Mithin beruhe der angefochtene Entscheid auf offensichtlich falschen Sachverhaltsfeststellungen und sei damit willkürlich, zumal die Pflegepersonen als Angestellte des Heimes, in welchem sie untergebracht sei, nicht als unabhängig und neutral gelten könnten. 
Die Feststellungen im angefochtenen Entscheid zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin und der Frage, ob eine Rückkehr in ihre Wohnung möglich scheint, erstrecken sich über mehrere Seiten und beruhen auf übereinstimmenden Ausführungen des Betreuungsumfeldes der Beschwerdeführerin, welche nunmehr seit über zwei Jahren in einem Alters- und Pflegeheim untergebracht ist. Mit appellatorisch vorgetragenen - woran die einmalige Verwendung des Wortes "willkürlich" am Schluss der Ausführungen nichts ändert - gegenteiligen Behauptungen der Beschwerdeführerin sowie mit eigenen "Beobachtungen" ihres Rechtsvertreters lässt sich keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung aufzeigen. Damit hat es bei den Feststellungen im angefochtenen Entscheid sein Bewenden. 
Inwiefern ausgehend von diesen Feststellungen mit der Zustimmung zur Wohnungsliquidation gegen Art. 416 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB verstossen und damit Recht verletzt worden wäre, wird in der Beschwerde nicht ausgeführt. 
Appellatorisch ist schliesslich die Kritik, es sei kein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Abgesehen davon, dass nicht dargelegt wird, an welcher Stelle bereits im kantonalen Verfahren ein solcher Antrag gestellt worden wäre, geht es dabei um die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts, dessen Anwendung nur unter dem Aspekt des Willkürverbotes überprüft werden könnte (vgl. E. 1), was entsprechende Rügen voraussetzen würde. 
 
5.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
6.  
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. 
Indes rechtfertigt es sich angesichts der konkreten Umstände, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Familiengericht Baden und dem Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Januar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli