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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1480/2022  
 
 
Urteil vom 13. Januar 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache grobe Verkehrsregelverletzung durch 
ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren; 
Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des 
Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, 
vom 13. September 2022 (SST.2022.144). 
 
 
Die Präsidentin zieht in Erwägung:  
 
1.  
Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte A.________ mit Urteil vom 13. September 2022 wegen mehrfacher grober Verkehrsregelverletzung durch ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren zu einer bedingten Geldstrafe und einer Verbindungsbusse. 
Mit E-Mail vom 23. November und anschliessend schriftlicher Anfrage vom 24. November 2022 erkundigte sich A.________, ob sein Anwalt gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 13. September 2022 Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht habe. 
Das Bundesgericht teilte am 29. November 2022 mit, dass kein Beschwerdeverfahren gegen das fragliche Obergerichtsurteil eröffnet worden sei. 
A.________ ersuchte am 12. Dezember 2022 um Fristwiederherstellung gemäss Art. 94 StPO. Er führt aus, noch keine Antwort des Bundesgerichts auf seine Anfrage erhalten zu haben. Das Gesuch werde vorsorglich gestellt, um einen Rechtsverlust durch unbekannte Fristen zu vermeiden. An einer allfälligen Säumnis treffe ihn kein Verschulden. Er habe sich im gesamten Verfahren anwaltlich vertreten lassen und sämtliche gebotenen und beauftragten Verfahrenshandlungen seien vom Anwalt auch vorgenommen worden. Er habe daher darauf vertrauen dürfen, dass sein Verteidiger auch die ausdrücklich zugesagte Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht fristwahrend einreichen werde. Ihm würden mehrere grobe Verkehrsregelverletzungen vorgeworfen. Durch den drohenden Eintrag ins Strafregister sei er in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht. Die Staatsanwaltschaft sei vor Obergericht persönlich aufgetreten; es handle sich folglich um einen Fall notwendiger Verteidigung. 
Nach der Aufforderung zur Kostenvorschussleistung reicht A.________ am 11. Januar 2023 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ein, welches auch eine kurze Beschwerdebegründung enthält, die als Beschwerde entgegenzunehmen ist. 
 
2.  
Nach Art. 100 Abs. 1 BGG ist eine Beschwerde in Strafsachen innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des angefochtenen Entscheids beim Bundesgericht einzureichen. Die Beschwerde gilt als rechtzeitig erhoben, wenn sie spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post übergeben wird (Art. 48 Abs. 1 BGG). 
Innert der 30-tägigen Beschwerdefrist, welche vorliegend im Verlaufe des Monats Oktober 2022, spätestens jedoch am 25. Oktober 2022 endete (siehe Track & Trace Auszug der Post mit Schreiben des Anwalts an den Beschwerdeführer vom 26. September 2022), wurde beim Bundesgericht keine Beschwerde in Strafsachen gegen das vorinstanzliche Urteil vom 13. September 2022 eingereicht. 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 50 Abs. 1 BGG wird eine versäumte Frist wiederhergestellt, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass er oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innerhalb der Frist zu handeln, und binnen 30 Tagen die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Ein unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Bestimmung kann nur angenommen werden, wenn der Partei kein Vorwurf gemacht werden kann (vgl. BGE 143 I 284 E. 1.3; 112 V 255 E. 2a; Urteil 6B_774/2021 vom 3. November 2021 E. 1.2 mit Hinweis). Nach der Rechtsprechung kann die Wiederherstellung nur bei klarer Schuldlosigkeit gewährt werden. Jedes Verschulden einer Partei, ihres Vertreters oder beigezogener Hilfspersonen, so geringfügig es sein mag, schliesst die Wiederherstellung aus. Es gilt ein strenger Massstab (statt vieler Urteile 6B_774/2021 vom 3. November 2021 E. 1.3, 6B_1367/2020 vom 9. Februar 2021 E. 3 und 6B_318/2012 vom 21. Januar 2013 E. 1.2; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer hat am 12. Dezember 2022 um Fristwiederherstellung ersucht und am 11. Januar 2023 eine kurze Beschwerdebegründung bzw. eine Beschwerde eingereicht. Ob er damit die für ein Eintreten auf das Fristwiederherstellungsgesuch erforderlichen Rechtshandlungen innert 30 Tagen nach Wegfall des angeblichen Hindernisses im Sinne von Art. 50 Abs. 1 BGG vorgenommen hat, ist fraglich, kann aber offen bleiben, weil dem Gesuch ohnehin kein Erfolg beschieden werden kann:  
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Fristversäumnis nicht persönlich verschuldet haben will, weil er nach seinen Angaben darauf vertraute bzw. vertrauen durfte, sein Anwalt werde die ihm ausdrücklich zugesagte Beschwerde an das Bundesgericht schon fristgerecht erheben, vermag ihn nicht zu entlasten und eine Wiederherstellung nach Art. 50 Abs. 1 BGG zu rechtfertigen, da auch eine allfällige Fehlleistung oder Unachtsamkeit eines Rechtsanwalts nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich dem Mandanten zuzurechnen ist und in der Regel keine unverschuldete Säumnis darstellt (vorstehend E. 3.1; BGE 143 I 284 E. 1.3 mit zahlreichen Hinweisen). Die vom Bundesgericht hiervon einzig anerkannte Ausnahme bezieht sich auf Fälle notwendiger Verteidigung nach Art. 130 StPO im Zusammenhang mit einer Wiederherstellung nach Art. 94 StPO im kantonalen Strafprozess (vgl. BGE 143 I 284 E. 2.2.3; Urteil 6B_1079/2021 vom 22. November 2021 E. 2.3, zur Publikation vorgesehen, Urteil 6B_1111/2017 vom 7. August 2018 E. 2). Das Institut der notwendigen Verteidigung, wie es die Strafprozessordnung vorsieht, ist dem BGG indessen fremd (vgl. BGE 146 IV 364 E. 1.2; Urteil 6B_178/2021 vom 24. Februar 2022 E. 1.2); im Verfahren vor Bundesgericht entscheidet die beschuldigte Person (vorbehältlich Art. 41 BGG, der eine andere Fallkonstellation betrifft) vielmehr selbst, ob sie sich durch einen Anwalt vertreten lassen will oder nicht (Urteil 6B_1079/2021 vom 22. November 2021 E. 2.3, zur Publikation vorgesehen, sowie Urteile 6B_1244/2020 vom 15. Dezember 2020 E. 2.2. und 6F_28/2020 vom 18. November 2020 E. 7). Die Berufung des Beschwerdeführers auf eine analoge Anwendung der Rechtsprechung zu Art. 94 StPO betreffend die notwendige Verteidigung für das bundesgerichtliche Verfahren bzw. die Einreichung der Beschwerde an das Bundesgericht geht folglich offensichtlich an der Sache vorbei (vgl. Urteil 6B_1079/2021 vom 22. November 2021 E. 2.3, zur Publikation vorgesehen). 
 
4.  
Auf die verspätet eingereichte Beschwerde vom 11. Januar 2023 ist im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. 
 
5.  
Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen. Dem Beschwerdeführer sind reduzierte Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Das Fristwiederherstellungsgesuch wird abgewiesen. 
 
2.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
4.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Januar 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill