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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_290/2023  
 
 
Urteil vom 13. Februar 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Rupf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________ und B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Manuel Kunz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Solothurn, Schanzmühle, Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2017, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 20. März 2023 (SGSTA.2022.6, BST.2022.6). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.A.________ und B.A.________ (nachfolgend: die Steuerpflichtigen) wohnen in U.________ im Kanton Solothurn. Sie erwarben im Jahr 2007 eine Liegenschaft in Italien für umgerechnet Fr. 70'000.-, welche sie im Jahr 2017 für Fr. 139'684.- sanierten und umbauten. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2017 machten sie "tatsächliche Liegenschaftskosten" im Umfang von Fr. 139'684.- geltend. 
 
B.  
Mit definitiver Veranlagung vom 30. September 2019 verweigerte das Steueramt des Kantons Solothurn den geltend gemachten Abzug der "Liegenschaftskosten" mit der Begründung, es handle sich um einen sogenannten "wirtschaftlichen Neubau". Mit der definitiven Veranlagung wurde den Steuerpflichtigen lediglich der Pauschalabzug gewährt. 
Hiergegen führten die Steuerpflichtigen Einsprache vom 16. Oktober 2019 und beantragten, den Abzug der effektiven Liegenschaftskosten vorzunehmen, da die Arbeiten infolge denkmalpflegerischen Anforderungen der Gemeinde vorgenommen worden seien. Mit Entscheid vom 23. Februar 2022 wurde die Einsprache abgewiesen mit der Begründung, dass auch allfällige, im vorliegenden Fall aber nicht ausreichend nachgewiesene Auflagen der Gemeinde betreffend denkmalpflegerischen Anforderungen nichts daran ändern würden, dass es sich um einen "wirtschaftlichen Neubau" handle. Hiergegen erhoben die Steuerpflichtigen Rekurs und Beschwerde, welche das Steuergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 20. März 2023 abwies. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 30. April 2023 gelangen die Steuerpflichtigen an das Bundesgericht. Sie beantragen in der Hauptsache die Aufhebung des Urteils des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 20. März 2023 und die Feststellung, dass es sich bei den in der Steuererklärung 2017 geltend gemachten Aufwendungen im Betrag von Fr. 139'684.- um abzugsfähige Unterhaltskosten gemäss Art. 32 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) bzw. Art. 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG; SR 642.14) handelt. Im Eventualbegehren fordern sie die Aufhebung des Urteils und Rückweisung an die Vorinstanz zwecks deklarationsmässiger Festsetzung der Steuerfaktoren für die direkte Bundessteuer und die Staatssteuern 2017. 
Während die Vorinstanz auf Abweisung der Beschwerde schliesst und ansonsten auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das Steueramt des Kantons Solothurn die Gutheissung des Eventualbegehrens und die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sowie die Rückweisung der Sache zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung der Liegenschaftsunterhaltskosten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragt - betreffend die direkte Bundessteuer - ebenfalls die Gutheissung des Eventualbegehrens. 
 
 
Erwägungen:  
 
I. Prozessuales  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten, oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführer sind als Steuerpflichtige gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 73 Abs. 2 StHG zur Beschwerde legitimiert.  
 
1.2. Die Vorinstanz hat ein einziges Urteil für die Staatssteuern sowie für die direkte Bundessteuer erlassen, was zulässig ist, soweit die zu entscheidenden Rechtsfragen im Bundesrecht und im harmonisierten kantonalen Recht gleich geregelt sind (BGE 135 II 260 E. 1.3.1). Unter diesen Umständen ist den Beschwerdeführern nicht vorzuwerfen, nicht zwei getrennte Beschwerden eingereicht zu haben; aus ihrer Eingabe geht deutlich hervor, dass Letztere beide Steuerarten betrifft (BGE 135 II 260 E. 1.3.2; Urteile 9C_677/2021 vom 23. Februar 2023 E. 1.2; 2C_839/2021 vom 27. Januar 2022 E. 1.2).  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2).  
 
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition, jene des nicht-harmonisierten, autonomen kantonalen Rechts hingegen bloss auf Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte (BGE 143 II 459 E. 2.1; 134 II 207 E. 2). Mit freier Kognition ist zu prüfen, ob das kantonale Recht mit dem Bundesrecht, namentlich dem StHG, vereinbar ist (Urteil 2C_1081/2015 vom 12. Dezember 2016 E. 1.4, nicht publ. in: BGE 143 II 33). In Bezug auf die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 149 III 81 E. 1.3; 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2; 138 I 274 E. 1.6).  
 
II. Direkte Bundessteuer  
 
3.  
Die Vorinstanz hat den Abzug von werterhaltenden Aufwendungen für das Jahr 2017 vollständig verweigert. Sie war der Ansicht, dass die Steuerpflichtigen die Liegenschaft einem "wirtschaftlichen Neubau" unterzogen hätten, und nahm daher keine Einzelfallbetrachtung der geltend gemachten "Liegenschaftskosten" vor. Sie charakterisierte die Aufwendungen integral als wertvermehrende Massnahmen, weshalb der Abzug bei der Einkommenssteuer gesamthaft zu verweigern sei. Auch würden allfällige Auflagen des Denkmal- und Kulturschutzes der Gemeinde an der Abzugsberechtigung nichts ändern. 
Streitig und zu prüfen ist demnach, ob die streitbetroffenen "Liegenschaftskosten" aus dem Jahr 2017 für die Liegenschaft in Italien bei den Steuerpflichtigen in der Schweiz als Unterhaltskosten gemäss Art. 32 Abs. 2 DBG vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können. 
 
3.1. Die Steuerpflichtigen haben ihren steuerrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz und machen Abzüge für Kosten einer Liegenschaft in Italien geltend. Aufgrund des internationalen Bezugs ist im Vorhinein auf die Bestimmung von Art. 6 Abs. 3 Satz 3 DBG hinzuweisen. Diese besagt, dass Auslandsverluste ausschliesslich satzbestimmend zu berücksichtigen sind. Vorbehalten bleiben die in Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Regelungen.  
Aus dem am 9. März 1976 abgeschlossenen und am 27. März 1979 in Kraft getretenen Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung einiger anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA CH-ITA; SR 0.672.945.41) sind keine Vorbehalte zu entnehmen (Urteil 2C_1154/2013 / 2C_1155/2013 vom 26. Juni 2015 E. 3.6). Die Frage, wie die Abzüge zu berücksichtigen sind, ist nach internem Schweizer Recht zu beantworten. Entsprechend ist darauf hinzuweisen, dass die streitbetroffenen "Liegenschaftskosten", die für Sanierungen der Liegenschaft in Italien verwendet wurden, bei festzusetzender Abzugsberechtigung nur satzbestimmend bei der Einkommensbesteuerung zu berücksichtigen sind. 
 
3.2. Als Unterhaltskosten im Sinne von Art. 32 Abs. 2 Satz 1 DBG steuerlich abziehbar sind jene Aufwendungen, die dazu dienen, den konkreten Nutzungswert eines Wirtschaftsguts in einer Liegenschaft zu erhalten, instand zu stellen oder ihn zu ersetzen. Von den Unterhaltskosten zu unterscheiden sind Aufwendungen, welche zur Wertvermehrung eines Grundstücks führen (vgl. Art. 34 lit. d DBG). Während Unterhaltskosten der Erhaltung bereits vorhandener Werte dienen, werden mit wertvermehrenden Aufwendungen zusätzliche neue Werte geschaffen. Die Abgrenzung zwischen Werterhaltung und Wertvermehrung erfolgt nach objektiv-technischen Kriterien. Vergleichsmassstab bildet dabei nicht der Wert des Grundstücks insgesamt, sondern derjenige der konkret instand gehaltenen oder ersetzten Installation. Alle Aufwendungen, welche ein Grundstück in einen besseren Zustand versetzen, haben wertvermehrenden Charakter. Massgebend ist dabei aufgrund einer funktionalen Betrachtungsweise, ob das Grundstück durch die Massnahme eine qualitative Verbesserung und damit eine Wertsteigerung erfahren hat (BGE 149 II 27 E. 4.1 m.w.H.).  
 
3.3. Die von der Vorinstanz vertretene Auffassung, dass bei einer "wirtschaftlichen" Gesamtbetrachtung eines Totalsanierungs-, Renovations- oder Umbauprojekts auf einer Liegenschaft, aufgrund derer der einkommenssteuerliche Kostenabzug schematisch komplett und damit auch für Kostenbestandteile verweigert wird, die bei individueller Betrachtung aufgrund ihrer objektiv-technischen Natur eigentlich werterhaltender Natur wären, stützt sich zwar auf mehrere unpublizierte Urteile des Bundesgerichts (E. 5.1 des angefochtenen Urteils), ist aber weder mit dem Wortlaut noch mit der Entstehungsgeschichte von Art. 32 Abs. 2 DBG vereinbar. Das Bundesgericht hat seine von der Vorinstanz zitierte Auffassung letztlich in einem Leiturteil aufgegeben (BGE 149 II 27) : Nach dem Willen des Gesetzgebers ist für alle Arbeiten an einer neu erworbenen Liegenschaft - wie bei allen anderen Liegenschaftskosten - individuell aufgrund ihres objektiv-technischen Charakters - und unter Mitwirkung der steuerpflichtigen Person (Art. 126 Abs. 1 und 2 DBG) - abzuklären, ob sie dazu dienen, einen früheren Zustand der Liegenschaft wiederherzustellen, mithin werterhaltend wirken. Kann dies nicht festgestellt werden, ist im Bereich der Einkommenssteuer gemäss der Normentheorie (Art. 8 ZGB analog) zulasten der steuerpflichtigen Person davon auszugehen, dass die Kosten nicht der Instandstellung dienen und folglich nicht abgezogen werden können (vgl. BGE 149 II 27 E. 4.5; Urteil 9C_724/2022 vom 29. März 2023 E. 4, mit Hinweis auf KOCHER/ANZANTE, von "Dumont" zum wirtschaftlichen Neubau, StR 75/2020 S. 710, S.723).  
 
4.  
Das Vorbringen der Steuerpflichtigen erweist sich vor dem Hintergrund dieser Praxisänderung als begründet (vgl. zur Anwendbarkeit von Praxisänderungen auf alle hängigen Fälle BGE 142 V 551 E. 4.1). Die Steuerpflichtigen haben im kantonalen Verfahren aufgezeigt, welche Arbeiten an der Liegenschaft vorgenommen wurden. Die Vorinstanz hat diese aber in ihrer Gesamtheit gewürdigt und keine Einzelfallbetrachtung vorgenommen. Aufgrund der beschriebenen Praxisänderung (vorne E. 3.3) sind vorliegend die Sanierungsmassnahmen auf ihren objektiv-technischen Charakter hin zu prüfen. Da das Bundesgericht keine Sachverhaltsdarstellungen und Beweismittel wie eine erste Gerichtsinstanz würdigt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG). 
 
III. Staatssteuern  
 
5.  
Die kantonale Regelung über den Abzug von Unterhalts- und insbesondere Instandstellungskosten für neu erworbene Liegenschaften entspricht der Regelung auf Bundesebene und ist im Übrigen durch das Harmonisierungsrecht vorgegeben (vgl. § 39 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern [StG/SO; BGS 614.11] und Art. 32 Abs. 2 DBG sowie Art. 9 Abs. 3 StHG). Es kann daher auf die vorstehenden Erwägungen zur direkten Bundessteuer verwiesen werden. Auch betreffend die Staatssteuern ist die Sache folglich zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung (betreffend satzbestimmendes Einkommen, vgl. § 11 Abs. 3 StG/SO) an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
IV. Verfahrensausgang, Kosten und Entschädigung  
 
6.  
 
6.1. Die Beschwerde erweist sich im Eventualstandpunkt sowohl betreffend die direkte Bundessteuer als auch betreffend die Staatssteuern der Steuerperiode 2017 als begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ist an die Vorinstanz zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung zurückzuweisen.  
 
6.2. Die Gerichtskosten sind dem Kanton Solothurn aufzuerlegen, da er Vermögensinteressen verfolgt (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Solothurn schuldet den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 68 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird betreffend die direkte Bundessteuer 2017 teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 20. März 2023 wird aufgehoben und die Sache wird an das Steuergericht zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Beschwerde wird betreffend die Staatssteuern 2017 teilweise gutgeheissen. Das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 20. März 2023 wird aufgehoben und die Sache wird an das Steuergericht zur Sachverhaltsergänzung und Neubeurteilung zurückgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
4.  
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.- zu entschädigen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. Februar 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Rupf