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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 59/02 
 
Urteil vom 13. März 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Amstutz 
 
Parteien 
M.________, 1972, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, 3012 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 6. Dezember 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 11. Juli 2001 lehnte die IV-Stelle des Kantons Bern das Gesuch der 1972 geborenen, ab 1. Juni 1994 bis 30. November 1997 sowie ab 1998 zu 80 % am Departement für Chemie und Biochemie der Universität X.________ als medizinisch-technische Laborantin tätigen M.________ auf eine Umschulung (und anderweitige berufliche Eingliederungsmassnahmen) erneut ab, nachdem bereits zuvor ein entsprechender Anspruch mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens verneint worden war (unangefochten in Rechtskraft erwachsene Verfügung vom 4. Oktober 2000). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der M.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 6. Dezember 2001 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ sinngemäss beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie der Verfügung vom 11. Juli 2001 sei der Anspruch auf eine Umschulung, eventualiter sonstige berufliche Eingliederungsmassnahmen zu bejahen. Des Weitern ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung des strittigen Anspruchs auf berufliche Eingliederungsmassnahmen, insbesondere des Umschulungsanspruchs massgebenden gesetzlichen Bestimmungen (Art. 4 IVG (in der bis Ende 2002 in Kraft gewesenen, hier anwendbaren Fassung [BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b]; Art. 8 Abs. 1 IVG sowie Art. 8 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Art. 17 IVG; vgl. BGE 124 V 110 Erw. 2b mit Hinweisen; AHI 2002 S. 106 Erw. 2a, 2000 S. 62, Erw. 1) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
1.2 Als invalid im Sinne von Art. 17 IVG gilt, wer nicht hinreichend eingegliedert ist, weil der Gesundheitsschaden eine Art und Schwere erreicht hat, welche die Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise unzumutbar macht. Dabei muss der Invaliditätsgrad ein bestimmtes erhebliches Mass erreicht haben; nach der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn der Versicherte in den ohne zusätzliche berufliche Ausbildung noch zumutbaren Erwerbstätigkeiten eine bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbseinbusse von etwa 20 % erleidet (BGE 124 V 110 f. Erw. 2b mit Hinweisen). 
1.3 Nach der Rechtsprechung haben die an die Bestimmungen über die Revision von Invalidenrenten und Hilflosenentschädigungen anknüpfenden Vorschriften über die Neuanmeldung nach vorangegangener Rentenverweigerung (vgl. Art. 41 IVG; Art. 86 ff., insbesondere Art. 87 Abs. 3 und 4 IVV) in analoger Weise auch bei einer Neuanmeldung nach rechtskräftiger Verweigerung von Eingliederungsmassnahmen Gültigkeit. Mithin ist auf ein erneutes Leistungsbegehren nur einzutreten, wenn die versicherte Person eine erhebliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse glaubhaft macht (BGE 113 V 27 Erw. 3b mit Hinweisen; SVR 1999 IV Nr. 21 S. 63), wobei massgebende Vergleichsbasis der Zeitraum zwischen der letztmaligen rechtskräftigen Abweisung des Leistungsanspruchs und dem Erlass der streitigen Verfügung bildet (BGE 125 V 369 Erw. 2 mit Hinweis; 117 V 198 Erw. 3a; AHI 1999 S. 84 Erw. 1). 
2. 
2.1 Das erste Umschulungsgesuch der Beschwerdeführerin wurde im Oktober 2000 - im Wesentlichen gestützt auf die Berichte des Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Dermatologie und Venerologie vom 18. Januar 2000 und 8. Dezember 1999 sowie des Dr. med. W.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin vom 6. Juni und 14. Juli 2000 - mit der Begründung rechtskräftig abgelehnt, weder das ausgewiesene anstrengungsindizierte Asthmaleiden der Versicherten noch die diagnostizierte Rhinokonjuktivitis begründeten eine Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf als medizinische Laborantin, weshalb berufliche Massnahme mangels eines invalidisierenden Gesundheitsschadens ausser Betracht fielen. 
2.2 Indem die Beschwerdegegnerin auf das im Februar 2001 erneut eingereichte Leistungsbegehren eingetreten ist, hat sie die hierzu praxisgemäss erforderliche Glaubhaftmachung einer seit Oktober 2000 eingetretenen, anspruchsbeeinflussenden Änderung der rechtserheblichen Tatsachen implizit zwar bejaht (Erw. 1.2 hievor; vgl. Art. 87 Abs. 3 IVV; nicht publizierte Erw. 1c/aa von BGE 127 V 294; BGE 109 V 114 Erw. 2a und b, 123 Erw. 3b und 264 Erw. 3; SVR 2002 IV Nr. 10 S. 26 Erw. 1c). Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz, worauf verwiesen wird, ist sie indessen im Rahmen der materiellen Leistungsprüfung gestützt auf die Berichte des Dr. med. A.________, Spezialarzt FMH für Innere Medizin vom 1. und 8. Mai 2001, des SUVA-Arztes Dr. med. C.________ vom 7. Mai 2001 und des Dr. med. Z.________, Universitäre Psychiatrische Dienste Y.________ (UPD), vom 21. März 2001 überzeugend zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführerin Labortätigkeiten - bei schonendem Arbeitseinsatz (Schutzvorkehren zur Vermeidung oder bestmöglichen Eindämmung asthmatischer Beschwerden und Exposition mit Essigsäure) - nach wie vor zumutbar sind und sie aus körperlicher Sicht weiterhin in der Lage ist, ihre Berufskenntnisse ohne Erwerbseinbusse zu verwerten. Namentlich bestehen entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin aufgrund der Akten, insbesondere des letzten Arbeitgeberberichts sowie der eigenen Schilderung der Versicherten, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre nach der per 1. November 2000 erfolgten Aufgabe der Labortätigkeit an der Universität X.________ am 1. Dezember 2000 angetretene, beschwerdegerechte Stelle im angestammten Berufsfeld (Kundensupport für Laborgeräte) aus gesundheitlichen Gründen aufgab. Im Bericht vom 1. Mai 2001 bestätigte Dr. med. A.________ von pulmonaler Seite denn auch volle Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf, sofern am Arbeitsplatz asthmaauslösende Einflüsse und Exposition mit reizenden oder allergischen Substanzen vermieden würden. Ausdrücklich verwies er darauf, dass entsprechende Arbeitsplätze grundsätzlich angeboten würden. Dass dem so ist, wird durch die Aussage der Beschwerdeführerin, dass es auch an der letzten Arbeitsstelle "vor allem in einem Raum, wo Laborgeräte und Kühlschränke, in denen diverse Reagenzien aufbewahrt wurden, Probleme mit Asthmaanfällen gab", nicht widerlegt, was umso mehr gilt, als auch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt im Bericht vom 7. Mai 2001 es durchaus für möglich hielt, dass an anderen Laborplätzen völlig andere, für die Beschwerdeführerin günstige Bedingungen herrschen, und daher ein Wiedereinstieg in den angestammten Beruf als wünschbar erachtet wurde. 
2.3 Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands ist seit Oktober 2000 insoweit eingetreten, als der psychische Zustand der Beschwerdeführerin im Februar 2001 zu einer rund dreiwöchigen Hospitalisation auf der Kriseninterventionsstation der UPD Anlass gab und im (Austritts-) Bericht des Dr. med. Z.________ vom 21. März 2001 erstmals eine depressive Reaktion im Rahmen einer Anpassungsstörung (ICD-10: F43.21) diagnostiziert wurde. Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit hielt Dr. med. Z.________ lediglich fest, die Versicherte brauche sich "zur Zeit", da für März 2001 "noch krank geschrieben", nicht zu bewerben und fühle sich hierzu subjektiv "zurzeit" auch nicht im Stande. Wie die Vorinstanz zutreffend erwog, ist dem Arztbericht jedoch kein substantieller Hinweis auf eine bereits eingetretene oder unmittelbar drohende psychisch bedingte Invalidität von voraussichtlich längerer Dauer zu entnehmen, welche der Versicherten die Ausübung ihres Berufs ganz oder teilweise unzumutbar machen würde. Soweit Frau Dr. med. H.________, Spezialärztin FMH für Kinder- und Jugendpsychiatrie, am 4. April 2001 eine volle Arbeitsunfähigkeit über März 2001 hinaus "bis auf Weiteres" attestiert, kann darauf mangels Beweistauglichkeit nicht abgestellt werden, zumal das ärztliche Attest diesbezüglich jeglicher Begründung entbehrt und auch sonst keinerlei Ausführungen zum Gesundheitszustand enthält. Vor diesem Hintergrund durften Vorinstanz und Verwaltung ohne zusätzliche Abklärungen davon ausgehen, dass dem psychischen Leiden - nach Lage der Akten wesentlich bedingt durch eine starke psychosoziale Belastungssituation ab Dezember 2000 (Mobbing, Stellenaufgabe, Trennung vom Freund, berufliche Ängste) - weder zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses noch in absehbarer Zeit (BGE 96 V 77) ein invalidisierender Krankheitswert im Sinne des Art. 4 Abs. 1 IVG zukam (vgl. BGE 127 V 299 Erw. 5a). Soweit die Beschwerdeführerin letztinstanzlich ein langjähriges manisch-depressives Leiden geltend macht, wird dies durch nichts belegt. 
 
Wirkten sich die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin im hier zu beurteilenden Zeitraum von Oktober 2000 bis Juli 2001 nach wie vor nicht invalidisierend im Sinne des Art. 4 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 und 17 IVG aus, haben Vorinstanz und Verwaltung den Anspruch auf Umschulung zu Recht verneint. 
2.4 Gemäss Vorinstanz und Verwaltung sind auch die Voraussetzungen für anderweitige berufliche Eingliederungsmassnahmen nicht erfüllt. Soweit die Beschwerdeführerin eventualiter den Anspruch auf Arbeitsvermittlung gemäss Art. 18 Abs. 1 IVG geltend macht, ist festzuhalten, dass sie bereits im vorinstanzlichen Verfahren zumindest glaubhaft dargelegt hat, sie habe aufgrund ihrer asthma- und allergiebedingten Einschränkungen bei der Arbeitsplatzauswahl/-gestaltung (welche entsprechende Rücksichtnahme eines potentiellen Arbeitgebers erfordert) Schwierigkeiten, im angestammten Berufsfeld eine neue Stelle zu finden. Nach der Rechtsprechung genügen mitunter solche gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten beim Finden einer geeigneten neuen Arbeitsstelle bereits für die Bejahung einer Invalidität im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 IVG (vgl. BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 70 Erw. 1a). Da nicht auszuschliessen ist, dass sich die diesbezügliche Situation der Beschwerdeführerin seit der gesundheitsbedingten Aufgabe der langjährigen Stelle als Forschungslaborantin an der Universität X.________ per 31. November 2000 bis Juli 2001 zunehmend verschlechtert hat, die Akten hierüber jedoch keinen hinreichenden Aufschluss geben, ist die Streitsache in diesem Punkt an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie den Sachverhalt abkläre und hernach über den Anspruch auf Arbeitsvermittlung gemäss Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG erneut befinde. 
3. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Zufolge teilweisen Obsiegens hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung zu Lasten der Beschwerdegegnerin (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG). In diesem Umfang ist das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung gegenstandslos. Im Übrigen ist ihm zu entsprechen, da die Bedürftigkeit ausgewiesen und auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 125 V 202 Erw. 4a mit Hin-weisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG auf-merksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 6. Dezember 2001 sowie die Verfügung der IV-Stelle vom 11. Juli 2001 insoweit aufgehoben werden, als damit der Anspruch auf Arbeitsvermittlung verneint wird, und die Sache in diesem Punkt an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, hierüber neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Bern hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Zufolge teilweiser Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Fürsprecher Ulrich Seiler, Bern, für das Verfahren vor dem Eidgenös-sischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädi-gung von Fr. 2000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zuge-stellt. 
Luzern, 13. März 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: