Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B_517/2017
Urteil vom 13. März 2018
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio, Chaix, Kneubühler.
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Lücke,
gegen
Mitglieder der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,
Beschwerdegegner,
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 15. November 2017 (SK 17 439).
Sachverhalt:
A.
A.________ erstattete am 24. Februar 2017 gegen Dr. med. B.________ Strafanzeige wegen Ausstellung eines falschen Arztzeugnisses, Falschbeurkundung und möglichen weiteren Delikten. Mit Verfügung vom 12. Oktober 2017 nahm die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern das Verfahren nicht an die Hand. Dagegen erhob A.________ Beschwerde ans Obergericht des Kantons Bern. In seiner Beschwerde machte er vorab geltend, er lehne das Gericht in seiner jetzigen Besetzung wegen der Besorgnis der Befangenheit ab.
Die mit der Sache befasste Verfahrensleitung der Beschwerdekammer in Strafsachen leitete das mit der Beschwerde verbundene Ausstandsgesuch an die Strafkammern des Obergerichts weiter. Die 2. Strafkammer beschloss in der Folge unter Mitwirkung der Oberrichter Niklaus, Geiser und Kiener am 15. November 2017, das Ausstandsgesuch abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Kosten des Verfahrens von Fr. 500.-- wurden dem Rechtsvertreter des Gesuchstellers, Rechtsanwalt Oliver Lücke, auferlegt.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 4. Dezember 2017 beantragt A.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und das Ausstandsgesuch gutzuheissen. Die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese in einer auf Gesetz beruhenden Besetzung neu entscheide, wobei die Oberrichter Niklaus, Geiser und Kiener in den Ausstand zu treten hätten. Die Kosten des Ausstandsverfahrens seien dem Kanton Bern aufzuerlegen und Rechtsanwalt Lücke sei eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, er lehne die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts wegen eines Verstosses gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter ab.
Die Mitglieder der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts (Oberrichterin Schnell, Oberrichter Stucki und Trenkel) haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die 2. Strafkammer des Obergerichts beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer hält in seiner Stellungnahme dazu an seinen Anträgen und Rechtsauffassungen fest.
Erwägungen:
1.
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 92 Abs. 1 BGG ist gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren die Beschwerde zulässig. Der Begriff des Ausstands im Sinne dieser Bestimmung ist weit zu verstehen. Darunter fallen auch andere Zwischenentscheide über die Zusammensetzung der entscheidenden Behörde. Es handelt sich dabei um gerichtsorganisatorische Fragen, die endgültig entschieden werden sollen, bevor das Verfahren fortgesetzt wird (Urteil 1B_311/ 2016 vom 10. Oktober 2016 E. 1 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Auf sein Rechtsmittel ist einzutreten.
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, er lehne die von der strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts bestimmte Besetzung des Spruchkörpers wegen eines Verstosses gegen Art. 6 EMRK wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Aus der Begründung dieses Verfahrensantrags geht hervor, dass er das ganze Bundesgericht und nicht lediglich die strafrechtliche Abteilung meint. Auf die Kritik ist deshalb einzugehen, auch wenn im vorliegenden Fall nicht die strafrechtliche, sondern die erste öffentlich-rechtliche Abteilung zuständig ist (Art. 29 Abs. 3 des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [BGerR; SR 173.110.131]).
2.2. Der Beschwerdeführer macht entgegen dem Wortlaut seines Antrags nicht die Befangenheit einzelner Richter oder einen sonstigen Ausstandsgrund im Sinn von Art. 34 BGG geltend, sondern kritisiert das Verfahren der Spruchkörperbesetzung. Konkret bringt er vor, das Bundesgericht verfüge über keinen Geschäftsverteilungsplan für die Besetzung des Spruchkörpers im Einzelfall. Anders als am Bundesverwaltungsgericht erfolge diese nicht ausschliesslich nach dem Zufallsprinzip. Die in Art. 40 BGerR vorgesehenen Kriterien würden keine Gewähr dafür bieten, dass der Spruchkörper gegen Einflussnahme von Aussen hinreichend geschützt sei. Der Abteilungspräsident habe weitgehend freie Hand, was konventionswidrig sei.
2.3. Das Bundesgericht hat im zur Publikation bestimmten Urteil 6B_1356/2016 vom 5. Januar 2018 E. 2 ausführlich dargelegt, dass die Besetzung des Spruchkörpers am Bundesgericht verfassungs- und konventionskonform geregelt ist. Es bestätigte damit seine Ausführungen im Urteil 1B_491/2016 vom 24. März 2017 E. 1.4. Insbesondere legte es dar, dass in Art. 40 BGerR sachliche Kriterien vorgesehen sind, welche der Abteilungspräsident bei der Besetzung des Spruchkörpers berücksichtigen muss, und dass eine weitere Objektivierung der Besetzung aufgrund der EDV-Applikation "CompCour" erfolgt, welche die weiteren mitwirkenden Richter automatisch bestimmt. Das Bundesgericht hat weiter aufgezeigt, dass weder die Bundesverfassung noch die EMRK verlangen, bei der Spruchkörperbesetzung jegliches Ermessen auszuschliessen. Die Kritik des Beschwerdeführers weckt keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Darlegungen und bietet deshalb auch keinen Anlass, darauf zurückzukommen. Die Rüge der Verletzung von Art. 6 EMRK ist unbegründet, und der Spruchkörper ist in der dargestellten üblichen Weise zu besetzen.
3.
3.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) und des Rechts auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK). Der angefochtene Beschluss setze sich nicht mit der Frage der Verletzung von Art. 6 EMRK auseinander, was dem Ausstandsgesuch die Wirksamkeit im Sinne von Art. 13 EMRK nehme.
3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70 f. mit Hinweisen).
3.3. Die Vorinstanz ist auf die Vorbringen des Beschwerdeführers insofern nicht eingetreten, als dieser pauschal eine Behörde als Ganze ablehnte, ohne konkret darzutun, weshalb in Bezug auf einzelne Mitglieder ein Ausstandsgrund gegeben sei. Ihr Entscheid ist in dieser Hinsicht hinreichend begründet. Insofern, als der Beschwerdeführer eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK geltend gemacht hatte, trat die Vorinstanz auf das Gesuch ein und setzte sich mit der beschwerdeführerischen Kritik auch eingehend auseinander. Aus dem angefochtenen Beschluss ist ohne Weiteres ersichtlich, aus welchen Erwägungen sie zum Schluss kam, der Anspruch sei nicht verletzt. Die Begründungspflicht wurde damit erfüllt. Ebenfalls unbegründet ist die Rüge der Missachtung von Art. 13 EMRK. Dass das vorliegende Verfahren dem Beschwerdeführer keine wirksame Beschwerde ermöglichen soll, ist nicht nachvollziehbar. Art. 13 EMRK ist nicht verletzt, nur weil die von Art. 13 EMRK geforderte Beschwerdeinstanz der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers nicht folgt.
4.
4.1. Der Beschwerdeführer kritisiert, am Obergericht bestünden keine gesetzlichen Bestimmungen, die die Richterzuteilung im Voraus abstrakt regelten. Auch gebe es keinen Geschäftsverteilungsplan. Art. 6 EMRK verlange indessen, dass die Besetzung des Gerichts klar und eindeutig geregelt sei. Es sei unzulässig, wenn der Gerichtspräsident insofern über einen weiten Spielraum verfüge. Die angeblich von der Sekretariatsleitung bewirtschaftete, auf dem Zufallsprinzip basierende "Excel"-Tabelle genüge den Vorgaben der EMRK nicht. Nach Art. 44 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG; BSG 161.1) sei der Abteilungspräsident für die Fallzuteilung und den Belastungsausgleich zuständig. Durch die Verwendung einer "Excel"-Tabelle ohne Beteiligung der Oberrichter teile das Obergericht die Fälle im Widerspruch zu spezifischem Verfahrensrecht zu, was dem umissverständlichen Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 GSOG widerspreche. Es sei zudem offensichtlich, dass das Obergericht selbst keine Verfahrensvorschrift benennen könne, welche die Einsetzung eines Präsidenten (i.V.) gesetzlich bestimme. Schliesslich habe das Obergericht am 8. November 2017 über acht Ausstandsbegehren in derselben Besetzung entschieden. Dies bestätige, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei.
4.2. Nach Art. 30 Abs. 1 BV hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt. Mit ähnlichen Worten garantiert Art. 6 Abs. 1 EMRK das Recht jeder Person, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
4.3. Die Besetzung der Richterbank am Obergericht Bern ist in §§ 44 f. GSOG geregelt. Die beiden Bestimmungen haben, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:
Art. 44 Abteilungspräsidentin oder Abteilungspräsident
1 Die Abteilungspräsidentin oder der Abteilungspräsident führt die Abteilung und ist verantwortlich für die Fallzuteilung und den Belastungsausgleich.
2 Sie oder er entscheidet über den Beizug von Ersatzrichterinnen und Ersatzrichtern.
...
Art. 45 Spruchkörper
1 Die Urteilsfindung erfolgt in Dreierbesetzung, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.
...
4.4. Die Vorinstanz führt aus, Rechtsanwalt Lücke, der eine ganze Reihe von Ausstandsgesuchen in verschiedenen Verfahren eingereicht habe, sei die Anwendung von Art. 44 und 45 GSOG bereits einlässlich erläutert worden. Mit Schreiben vom 25. September 2017 habe ihm Oberrichterin Schnell erklärt, dass sie als Präsidentin der Beschwerdekammer in der Regel sowohl in der Instruktions- als auch in der Entscheidphase beteiligt sei. Welche weiteren Kammermitglieder zum Entscheid beigezogen werden könnten, zeige sich in der Regel erst im Zeitpunkt des Beginns der Zirkulation, weil erst dann sicher sei, wer von den in der Beschwerdekammer tätigen Oberrichtern anwesend und auch tatsächlich verfügbar sei. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2017 habe Oberrichterin Schnell festgehalten, dass es keine Listenplätze oder "Excel"-Tabellen gebe und dass sie die Kammerzusammensetzung im betreffenden Verfahren nach dem Kriterium der Verfügbarkeit vorgenommen habe.
Weiter hält die Vorinstanz fest, aus dem Staatskalender sei ersichtlich, dass die Beschwerdekammer seit dem 1. Januar 2017 aus sechs Mitgliedern bestehe. Davon sei ein Mitglied (Oberrichter Niklaus) französischer Muttersprache. Er wirke - unter Vorbehalt von Abwesenheiten und Aushilfe insbesondere in Haftsachen - an deutschsprachigen Verfahren nicht mit.
5.
5.1. Art. 30 Abs. 1 BV will verhindern, dass Gerichte eigens für die Beurteilung einer Angelegenheit gebildet werden. Die Rechtsprechung soll auch nicht durch eine gezielte Auswahl der Richter im Einzelfall beeinflusst werden können. Jede Besetzung, die sich nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, verletzt die Garantie des verfassungsmässigen Richters (BGE 137 I 340 E. 2.2.1 S. 342 mit Hinweis). Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung ein gewisses Ermessen bei der Besetzung des Spruchkörpers sowie beim Entscheid über den Beizug von Ersatzrichtern nicht ausgeschlossen (a.a.O., S. 343). Soweit das massgebliche Verfahrensrecht keine oder nur lückenhafte Regeln zur Besetzung des Spruchkörpers enthält, obliegt es danach dem Vorsitzenden, die Richterbank im Einzelfall nach objektiven Kriterien zu besetzen und das ihm dabei zustehende Ermessen pflichtgemäss auszuüben (Urteil 6P.102/2005 vom 26. Juni 2006 E. 2.2, in: ZBl 108/2007 S. 43 mit Hinweis auf BGE 105 Ia 172 E. 5b S. 178 ff.; vgl. zum Ganzen auch zur Publ. vorgesehenes Urteil 6B_1356/2016 vom 5. Januar 2018 E. 2.1 mit Hinweisen).
5.2. In der Literatur wird die bundesgerichtliche Praxis zum Teil als zu wenig streng kritisiert. Eine Manipulation in der Besetzung des Spruchkörpers könne erst dann ausgeschlossen werden, wenn jeder mitwirkende Richter im Voraus benennbar sei. Die Arbeitsverteilung habe sachlichen Kriterien zu folgen, etwa der Aktennummer, dem Eingangsdatum oder dem Alphabet (REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, 2001, S. 376 ff.; ähnlich CHRISTOPH BANDLI, Zur Spruchkörperbildung an Gerichten: Vorausbestimmung als Fairnessgarantin, in: Aus der Werkstatt des Rechts, 2006, S. 210; ERWIN BEYELER, Das Recht auf den verfassungsmässigen Richter als Problem der Gesetzgebung, 1978, S. 27; LORENZ KNEUBÜHLER, Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht: Spruchkörperbestimmung und Kognition, in: Das Bundesverwaltungsgericht, 2008, S. 297 f.; JOHANNES REICH, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, N. 16 zu Art. 30 BV). Andere Autoren weisen darauf hin, dass der Spielraum, den die Gesetzgebung in dieser Hinsicht gewähre, eine Rücksichtnahme auf Arbeitsbelastung, Fachkenntnisse, Sprache und Geschlecht erlaube und damit neben der Flexibilität auch der Effizienz zuträglich sei. Sie räume jedoch Bedenken, dass dabei auch illegitime Motive verfolgt werden könnten, nicht ganz aus dem Weg (JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 934 f.; GIOVANNI BIAGGINI, Kommentar BV, 2. Aufl. 2017, N. 5 zu Art. 30 BV; differenzierend auch ANDREAS MÜLLER, Rechtlicher Rahmen für die Geschäftslastbewirtschaftung in der schweizerischen Justiz, 2016, S. 250 ff.).
5.3. Der EGMR hat die Frage, ob die Bestellung des Spruchkörpers im Einzelfall in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 EMRK falle, lange Zeit offengelassen (Urteil des EGMR
Piersack gegen Belgien vom 1. Oktober 1982, Nr. 8692/79, Ziff. 33) und erst im Jahr 2000 bejaht (Entscheid des EGMR
Buscarini gegen San Marino vom 4. Mai 2000, Nr. 31657/96). Seither hat er Verletzungen festgestellt in Fällen, in welchen Vorschriften des nationalen Rechts über die Zusammensetzung des Spruchkörpers offensichtlich missachtet worden waren (vgl. etwa Urteil des EGMR
Posokhov gegen Russland vom 4. März 2003, Nr. 63486/00, Ziff. 39 ff.) oder sich eine nachträgliche Umteilung von Fällen nicht gestützt auf transparente, vorhersehbare Kriterien stützte (Urteil des EGMR
DMD Group, a.s. gegen Slowakei vom 5. Oktober 2010, Nr. 19334/03, Ziff. 69 ff.). Im zuletzt genannten Urteil wies der Gerichtshof darauf hin, dass die Zuteilung im anwendbaren slowakischen Recht nicht erschöpfend geregelt sei und dem Präsidenten einen grossen Ermessensspielraum einräume, ohne jedoch aus diesem Umstand allein auf eine Verletzung der EMRK zu schliessen (a.a.O., Ziff. 68). Im Urteil
Miracle Europe Kft gegen Ungarn vom 12. Januar 2016, Nr. 57774/13, befasste sich der Gerichtshof mit dem Transfer eines Zivilverfahrens vom örtlich zuständigen erstinstanzlichen Gericht zu einem anderen erstinstanzlichen Gericht. Das Fehlen von Bestimmungen für dieses Vorgehen bewirkte eine Konventionsverletzung, wobei erschwerend hinzutrat, dass die Umteilung nicht von einem Organ der Rechtsprechung vorgenommen worden war und damit keinen Akt von Selbstverwaltung der Justiz darstellte (a.a.O., Ziff. 61 ff.). Über die konkreten Umstände des Falls hinausgehend wies der Gerichtshof in seinen Erwägungen auf die durch die Einräumung von Ermessen hervorgerufene Missbrauchsgefahr hin. So sei es beispielsweise möglich, Richter zu überlasten und auf diese Weise unter Druck zu setzen, oder auch, ihnen politisch heikle Fälle gezielt zuzuweisen oder aber vorzuenthalten (a.a.O., Ziff. 58).
5.4. Mit dem Thema der Zuteilung von Fällen im Zusammenhang mit dem Anspruch auf den gesetzlich vorgesehenen Richter hat sich auch die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht des Europarats (auch "Venedig-Kommission" genannt) befasst. In einem Bericht aus dem Jahr 2010 hält sie fest, zur Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz werde dringend empfohlen, die Reihenfolge der Zuteilung von Fällen an die einzelnen Richter auf der Grundlage abstrakter Kriterien festzulegen. Dies könne in alphabetischer Reihenfolge, mithilfe eines Computerprogramms oder nach anderen objektiven Kriterien erfolgen. Regeln und Ausnahmen sollten in Gesetzen oder Reglementen verankert sein. Die Kommission räumt ein, dass es nicht durchwegs möglich sein dürfte, ein umfassendes abstraktes System einzurichten, welches keinen Raum für Entscheide im Einzelfall lasse. So sei denkbar, dass der Arbeitsbelastung oder dem Spezialwissen eines Richters - insbesondere in komplexen Angelegenheiten - Rechnung zu tragen sei. Die Kriterien, nach denen der Gerichtspräsident die Zuteilung vornehme, sollten jedoch im Voraus definiert werden und die Zuteilung selbst der Überprüfung zugänglich sein (Venedig-Kommission, Report on the Independence of the Judicial System, Part I: The Independence of Judges, 16. März 2010, CDL-AD (2010) 004, Ziff. 80).
5.5. Die Frage der Spruchkörperbildung stellte sich ebenfalls im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege. Der Bundesrat hielt in seiner Botschaft dazu fest, die Geschäftsverteilung könne wegen der Gefahr des Missbrauchs nicht ins freie Ermessen einzelner Amtsträger gestellt werden. Das Recht, von einem durch Gesetz geschaffenen Gericht gehört zu werden, verlange auch, dass in generell-abstrakter Weise in einer Vorschrift festgehalten werden müsse, nach welchen Kriterien die Verteilung der Geschäfte stattfinde. Dies erfordere keine erschöpfende, alle Fälle abdeckende Regelung. Erreicht werden solle ein gewisser Grad an Voraussicht (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4286 Ziff 4.1.1.3).
Das Reglement vom 20. November 2006 für das Bundesgericht (BGerR; SR 173.110.131) sieht in diesem Sinne in Art. 40 Abs. 2 vor, dass der Präsident der zuständigen Abteilung bei der Bildung des Spruchkörpers neben den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen namentlich folgende Kriterien und Umstände berücksichtigt:
a. Ausgewogenheit der Belastung der Richter und Richterinnen; dabei ist den funktionsbedingten Zusatzbelastungen (z. B. Bundesgerichtspräsidium) Rechnung zu tragen;
b. Sprache; dabei soll soweit möglich die Muttersprache des Referenten oder der Referentin der Verfahrenssprache entsprechen;
c. Mitwirkung von Mitgliedern beiderlei Geschlechts in Fällen, in denen es die Natur der Streitsache als angezeigt erscheinen lässt;
d. spezifische Fachkenntnisse in einem bestimmten Bereich;
e. Mitwirkung an früheren Entscheiden im gleichen Sachgebiet;
f. Abwesenheiten, insbesondere Krankheit, Ferien usw.
Seit 2013 wird der Spruchkörper in sämtlichen Abteilungen des Bundesgerichts teilweise durch eine Software festgelegt: Während der Abteilungspräsident von Amtes wegen der Besetzung angehört und er den Referenten gestützt auf die in Art. 40 Abs. 2 BGerR aufgelisteten Kriterien und Umstände selbst bestimmt, übernimmt diese Aufgabe für die weiteren mitwirkenden Mitglieder der Computer (vgl. im Einzelnen die Geschäftsberichte des Bundesgerichts 2012 S. 12 und 2013 S. 12, «https://www.bger.ch/» unter Bundesgericht/Publikationen [besucht am 28. Februar 2018]). Konnexe Fälle werden gemäss Art. 40 Abs. 4 BGerR in der Regel vom gleichen Spruchkörper beurteilt. Zur Gewährleistung der Transparenz und Kontrolle der Bildung der Spruchkörper sieht Art. 42 BGerR ergänzend vor, dass die Verwaltungskommission dem Gesamtgericht gestützt auf die Angaben der Abteilungen jährlich einen Bericht über die Einhaltung von Art. 40 BGerR erstattet.
Am Bundesstrafgericht bilden die Kammerpräsidenten gemäss Art. 15 Abs. 2 des Organisationsreglements vom 31. August 2010 für das Bundesstrafgericht (BStGer OR; SR 173.713.161) die Spruchkörper nach ähnlichen Kriterien. Demgegenüber verlangen Art. 31 Abs. 3 und Art. 32 Abs. 1 des Geschäftsreglements vom 17. April 2008 für das Bundesverwaltungsgericht (VGR; SR 173.320.1) eine Verteilung der Geschäfte nach einem im Voraus festgelegten Schlüssel, der sich auf die Reihenfolge der Geschäftseingänge stützt. Angemessen zu berücksichtigen sind danach ferner sachliche Kriterien wie etwa die Amtssprachen und der Beschäftigungsgrad (vgl. dazu ANDRÉ MOSER/ MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 3.54).
Bezüglich der Rechtslage auf kantonaler Ebene sei beispielhaft auf folgende Regelungen hingewiesen: Am Verwaltungsgericht Zürich bestimmt gemäss § 13 der Organisationsverordnung vom 23. August 2010 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich (OV VGR; LS 175.21) der Abteilungspräsident den Spruchkörper nach sachlichen Kriterien, wie besonderen fachlichen Kenntnissen und zeitlicher Verfügbarkeit, unter Wahrung der Entscheidoffenheit (Abs. 2). Der Beizug von Mitgliedern anderer Abteilungen oder von Ersatzmitgliedern bedarf der Begründung (Abs. 4). Nach Art. 18 Abs. 5 des Organisationsreglements vom 22. September 2010 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern (OrR VG; BSG 162.621) sorgen die Abteilungen für die sachgerechte Zuteilung der Eingänge auf die Instruktionsrichter und Zusammensetzung des Spruchkörpers. Im Kanton Schaffhausen organisieren sich das Kantonsgericht und das Obergericht laut Art. 27 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 1 des Justizgesetzes vom 9. November 2009 (JG; SHR 173.200) selbst. Das Obergericht hat im Internet ein Schema zur Gerichtsbesetzung für das Jahr 2017 publiziert («https://www.sh.ch/» unter Gerichte/Obergericht [besucht am 28. Februar 2018]). Der Vorsitz und die mitwirkenden Richter bestimmen sich danach im Wesentlichen nach dem Sachgebiet und der Geschäftslaufnummer. Am Verwaltungsgericht des Kantons Neuenburg ist der Gerichtspräsident nach Art. 3 lit. d des Règlement d'organisation du Tribunal administratif vom 8. Januar 2008 (RSN 162.114.1) gehalten, bei der Geschäftsverteilung auf eine gleichmässige Arbeitsverteilung zu achten. Ähnlich ist am Kantonsgericht Waadt in Art. 12 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 3 des Règlement organique du Tribunal cantonal vom 13. November 2007 (ROTC; RSV 173.31.1) der Einsatz der Richter der Reihenfolge nach vorgesehen.
5.6. Mit der Statuierung von Kriterien kann ein Ausgleich zwischen den erwähnten Vor- bzw. Nachteilen einer freien und einer schematischen Bildung der Spruchkörper geschaffen werden. Dies entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die ein gewisses Ermessen in dieser Hinsicht nicht ausschliesst und gleichzeitig verlangt, dass dieses pflichtgemäss, mithin nach sachlichen Kriterien zu handhaben ist. Wie dargelegt, betont auch die europäische Praxis die Bedeutung einer regelorientierten Bestimmung der urteilenden Richter. Sie verlangt aber nicht nach einer gesetzlichen Festlegung, solange abstrakte Kriterien in transparenter Weise im Voraus definiert werden, was auch in Form einer gefestigten Praxis erfolgen kann. Dass jegliches Ermessen ausgeschlossen und die Festlegung rein regelgebunden ausgestaltet wird, ist ebenfalls nicht erforderlich. Unabdingbar ist andererseits, dass die Spruchkörperbildung im konkreten Fall als Akt der Selbstverwaltung der Justiz erscheint und insbesondere nicht dem Einfluss der Exekutive unterliegt.
6.
6.1. Im vorliegenden Fall ist nicht abstrakt zu prüfen, ob die gesetzlichen Bestimmungen im Kanton Bern in jeder Hinsicht dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Anspruch auf den gesetzlichen Richter genügen. Prozessgegenstand ist vielmehr, ob dieser Anspruch in Bezug auf das vorliegend zu beurteilende Verfahren der Beschwerdekammer betreffend die Nichtanhandnahme der Strafuntersuchung verletzt worden ist. In dieser Hinsicht sind die gesetzlichen Grundlagen zur Spruchkörperbildung und ihre allgemeine Handhabung in der Praxis der Beschwerdekammer dennoch von wesentlicher Bedeutung.
6.2. Am Obergericht des Kantons Bern bestehen keine detaillierten gesetzlichen Kriterien, nach denen sich die Spruchkörperbildung zu richten hat. Immerhin sieht Art. 44 Abs. 1 GSOG vor, dass die Abteilungspräsidentin bzw. der Abteilungspräsident für die Fallzuteilung und den Belastungsausgleich verantwortlich ist. Daraus ergibt sich, dass die Abteilungspräsidentin bei der Spruchkörperbildung für eine ausgewogene Belastung der Kammermitglieder zu sorgen hat. Aus dem angefochtenen Beschluss geht zudem hervor, dass die Präsidentin den Spruchkörper nach dem Kriterium der Verfügbarkeit zusammensetzt. Dieses Kriterium ist sachlicher Natur und gewährleistet eine beförderliche Behandlung, indem es die Rücksichtnahme auf Abwesenheiten wegen Ferien oder Krankheit und auf die Mitwirkung der Richter an anderen Verfahren zulässt. Dies ist bei der Beschwerdekammer, die als Beschwerdeinstanz gemäss StPO und JStPO regelmässig dringende Verfahrensfragen zu beantworten hat, von besonderer Bedeutung (vgl. Art. 29 Abs. 2 des Organisationsreglements des Kantons Bern vom 23. Dezember 2010 [OrR OG; BSG 162.11]). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Beschwerdekammer, wie von der Vorinstanz angeführt, aus lediglich sechs Mitgliedern besteht, wobei Oberrichter Niklaus französischer Muttersprache ist und - unter Vorbehalt von Abwesenheiten und Aushilfe insbesondere in Haftsachen - an deutschsprachigen Verfahren nicht mitwirkt.
6.3. In der Beschwerdekammer des Obergerichts gibt es nach den unmissverständlichen Feststellungen der Vorinstanz keine "Excel"-Tabelle bzw. keinen Geschäftsverteilungsplan, der die in einem konkreten Verfahren mitwirkenden Richter vorweg und schematisch bestimmt. Die Spruchkörperbildung orientiert sich nach dem Ausgeführten stattdessen zum einen an der Sprache, zum andern an der Ausgewogenheit der Belastung der Richter und deren Verfügbarkeit. Das Ermessen der Abteilungspräsidentin ist damit in ähnlicher Weise an Kriterien gebunden, wie dies gemäss Art. 40 BGerR am Bundesgericht der Fall ist. Zwar sind die betreffenden Kriterien für den Rechtssuchenden nicht auf den ersten Blick aus einer generell-abstrakten Bestimmung ersichtlich, was wünschbar wäre (vgl. E. 5.4 hiervor), doch ergeben sie sich immerhin in hinreichender Klarheit aus Art. 44 Abs. 1 GSOG und der dazugehörigen Praxis. Sie wurden Rechtsanwalt Lücke auf Anfrage hin auch schriftlich näher erläutert. Das Ermessen, das die Abteilungspräsidentin bei der Spruchkörperbesetzung geniesst, ist damit unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in einer Weise regelgebunden, die mit den Vorgaben von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar ist.
Daran vermag nichts zu ändern, wenn der Beschwerdeführer kritisiert, das Obergericht habe am 8. November 2017 über acht Ausstandsbegehren in derselben Besetzung entschieden, worin er offenbar einen Beleg für die Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter sieht. Die Vorinstanz hielt dazu in ihrer Stellungnahme vom 17. Januar 2018 fest, zum einen hätten die zahlreichen Ausstandsbegehren von Rechtsanwalt Lücke ein koordiniertes Vorgehen erfordert, zum andern habe es sich bei den Oberrichtern Niklaus, Geiser und Kiener um die einzigen verbleibenden Mitglieder der Strafkammern gehandelt, die von den Ausstandsbegehren nicht betroffen seien. Das Obergericht hat sich somit auch in dieser Hinsicht von sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen, nämlich der Regel, dass konnexe Fälle im Allgemeinen vom gleichen Spruchkörper zu behandeln sind (wie dies Art. 40 Abs. 4 BGerR für das Bundesgericht ausdrücklich vorsieht) sowie der Regel, dass von einem Ausstandsgesuch betroffene Personen am Entscheid über dessen Begründetheit nicht mitwirken (vgl. dazu Art. 59 StPO).
7.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen ( Art. 68 Abs. 1-3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. März 2018
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Dold