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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_60/2023  
 
 
Urteil vom 13. März 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Appellationsgericht Basel-Stadt, Präsidentin, Bäumleingasse 1, 4051 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Rechtsverzögerung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts Basel-Stadt, Präsidentin, vom 25. April 2023 (SB.2021.73). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Appellationsgericht Basel-Stadt erklärte am 12. Januar 2023 A.________ wegen mehrfachen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Anstiftung und mehrfacher Gehilfenschaft zum Check- und Kreditkartenmissbrauch, Veruntreuung, betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, mehrfacher Urkundenfälschung, versuchter Anstiftung zum falschen Zeugnis, Verabreichung gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder sowie mehrfachen Vergehens nach Art. 19 Abs. 1 lit. b und d BetmG schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Ferner ordnete es in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 StGB eine (im SIS einzutragende) Landesverweisung von 8 Jahren an. 
 
B.  
Mit als "Beschwerde" betitelter Eingabe vom 19. April 2023 wandte sich A.________ an das Appellationsgericht. Darin machte er eine Verletzung des Beschleunigungsgebots und "des Schriftlichen Urteils innerhalb max. 90 Tagen" geltend. Das Appellationsgericht teilte A.________ mit Verfügung vom 25. April 2023 mit, dass die in Art. 84 Abs. 4 StPO genannten Fristen bei einem derart umfangreichen und komplexen Fall wie dem vorliegenden nicht massgebend seien. Weiter teilte es ihm mit, dass sich das Urteil in der Endphase der Ausfertigung befinde, so dass bis Mitte oder allenfalls Ende Mai damit zu rechnen sei. 
 
C.  
A.________ führt mit Eingabe vom 9. Mai 2023 Beschwerde in Strafsachen und beantragt, "der Entscheid" des Appellationsgerichts vom 25. April 2023 sei aufzuheben und es "sei zu erkennen, dass eine Verletzung nach Art. 5 StPO sowie Art. 84 Abs. 4 StPO vorliegt". Ausserdem ersucht er sinngemäss um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Das Appellationsgericht hat am 16. Mai 2023 die Abweisung der Beschwerde beantragt, unter Verzicht auf eine Vernehmlassung und Hinweis darauf, dass das Urteil in der Sache gleichentags eröffnet worden sei. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen die angefochtene Verfügung ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig.  
 
1.2.  
 
1.2.1. Die beschwerdeführende Partei muss ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde haben (vgl. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Vorinstanz ihm die schriftliche Begründung des Urteils vom 12. Januar 2023 - entgegen Art. 84 Abs. 4 StPO - nicht rechtzeitig zugestellt habe. Zwischenzeitlich hat die Vorinstanz das schriftlich begründete Berufungsurteil jedoch eröffnet. Damit ist das aktuelle Rechtsschutzinteresse an der Rechtsverzögerungsbeschwerde dahingefallen (vgl. BGE 125 V 373 E. 1; Urteile 1B_443/2021 vom 6. Oktober 2021 E. 1.2; 1B_264/2021 vom 19. August 2021 E. 1.2; 1C_293/2016 vom 19. Januar 2017 E. 2). Der Beschwerdeführer konnte die behauptete Rechtsverzögerung nunmehr direkt mit Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil der Vorinstanz vom 12. Januar 2023 geltend machen, um unter anderem eine etwaige Strafreduktion zu erreichen.  
 
1.2.2. Das Bundesgericht behandelt indes eine Beschwerde wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung auch bei fehlendem aktuellen Interesse, wenn die beschwerdeführende Partei hinreichend substanziiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet ("grief défendable"). Mit der Behandlung der Beschwerde kann zudem Art. 13 EMRK in jedem Fall Genüge getan werden (BGE 137 I 296 E. 4; 136 I 274 E. 1.3; Urteil 1B_264/2021 vom 19. August 2021 E. 1.2; je mit Hinweisen). Ob auf die vorliegende Beschwerde in Anwendung dieser Rechtsprechung eingetreten werden kann, erscheint fraglich, kann aber offenbleiben. Selbst wenn dem so wäre, müsste sie nämlich aus nachfolgenden Gründen abgewiesen werden.  
 
2.  
Der Beschwerdeführer weist unter Berufung auf Art. 84 Abs. 4 StPO darauf hin, dass die Ausfertigung des Berufungsurteils grundsätzlich innert 60, höchstens 90 Tagen zu erfolgen hat, diese gesetzlichen Fristen vorliegend aber nicht eingehalten wurden. Bei Art. 84 Abs. 4 StPO handelt es sich indessen lediglich um Ordnungsvorschriften, welche das Beschleunigungsgebot konkretisieren. Deren Nichteinhaltung kann ein Indiz für eine Verletzung des Beschleunigungsgebots sein. Mit der Missachtung der Fristen von Art. 84 Abs. 4 StPO geht allerdings nicht zwingend auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebots einher (Urteile 6B_187/2021 vom 2. August 2023 E. 10; 6B_1168/2020 vom 11. Oktober 2022 E. 2.4.3; 6B_13/2020 vom 29. Januar 2020 E. 4). 
Das schriftlich begründete Berufungsurteil der Vorinstanz ging dem Beschwerdeführer am 17. Mai 2023 zu, mithin rund einen Monat nach Ablauf der 90-Tagefrist. Dass die zu beurteilende Strafsache umfangreich und komplex war, wie die Vorinstanz anführt, stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede. Der Vorinstanz ist denn auch die Anzahl Verfahrensbeteiligter, namentlich 36 Privatklägerinnen und -kläger, und der Umfang des Urteils von knapp 100 Seiten zugutezuhalten. Die Dauer erscheint daher vertretbar. Im Übrigen hat das Bundesgericht in seinem Urteil 1B_443/2021 vom 6. Oktober 2021 in Bezug auf die Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils bereits festgehalten, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikte auf eine nicht zu unterschätzende Komplexität hindeuten. In diesem Entscheid wurde unter Berücksichtigung, dass Haftsachen mit besonderer Beschleunigung zu behandeln sind, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zwar bejaht. Der Beschwerdeführer übersieht aber, dass die Erstinstanz die gesetzlich vorgesehene Frist von 90 Tagen für komplexe Fälle gemäss Art. 84 Abs. 4 StPO "weit überschritten" hatte. 
Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots liegt demnach insoweit nicht vor. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wäre der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig. Auf eine Kostenauflage kann indes verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht Basel-Stadt, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. März 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler