Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_261/2024
Urteil vom 13. Juni 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Bundesrichterin De Rossa,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Stockwerkeigentümergemeinschaft B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Schweiger und/oder Rechtsanwältin Alexandra Müller,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Anfechtung Stockwerkeigentümerbeschluss,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, vom 22. März 2024 (Z1 2024 8).
Sachverhalt:
A.
Der Beschwerdeführer ist Stockwerkeigentümer einer Wohnung mit einer Wertquote von 44/1000 und Mitglied der Beschwerdegegnerin (Stockwerkeigentümergemeinschaft).
An der Stockwerkeigentümerversammlung vom 26. Oktober 2015, an der alle Stockwerkeigentümer teilnahmen, wurde einer Stockwerkeigentümerin mit 23 Ja-Stimmen (inkl. Beschwerdeführer) gegen 1 Nein-Stimme erlaubt, ihre als Ladenlokal genutzte Stockwerkeinheit neu für einen Take-Away von gesunden Produkten mit Sitzgelegenheiten und Ladenöffnungszeiten Mo-Fr 8-19 Uhr und Sa 8-17 Uhr sowie Anpassung bei Bedarf zu nutzen, unter entsprechenden baulichen Anpassungen (Abänderung der Firmen-Beschriftungstafel und Anbringen von zwei Lüftungsgittern).
An der Stockwerkeigentümerversammlung vom 26. Oktober 2020, an welcher wiederum alle Stockwerkeigentümer teilnahmen, wurde unter dem Traktandum 6 - ohne "Berücksichtigung der Einstellhalle" mit einer Wertquote von 133/1000 - mit 13 Ja-Stimmen (606/1000) gegen 5 Nein-Stimmen (119/1000) und 5 Enthaltungen (142/1000) die Ausdehnung der Öffnungszeiten auf Mo-Sa 7.30-22 Uhr beschlossen.
B.
Diesen Beschluss fochten der Beschwerdeführer und eine weitere Stockwerkeigentümerin klageweise an, wobei sie die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses verlangten. Mit Urteil vom 24. Januar 2024 wies das Kantonsgericht Zug die Klagen ab.
Auf die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung trat das Obergericht des Kantons Zug mit Verfügung vom 22. März 2024 mangels hinreichender Begründung nicht ein.
C.
Mit Eingabe vom 24. April 2024 (Postaufgabe: 25. April 2024) wendet sich der Beschwerdeführer an das Bundesgericht. Er verlangt die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung an das Obergericht zur Neubeurteilung (gemeint: zur materiellen Beurteilung). Es wurden die kantonalen Akten beigezogen, aber auf die Einholung von Vernehmlassungen verzichtet.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid über die Anfechtung eines Stockwerkeigentümerbeschlusses bzw. über die Feststellung von dessen Nichtigkeit (Art. 72 Abs 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG ). Der Streitwert beträgt nach den Feststellungen in der angefochtenen Verfügung Fr. 35'000.-- und liegt somit über der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderlichen Mindestsumme von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die 30-tägige Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen steht somit offen.
2.
Die Beschwerde hat eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen erfordert (BGE 140 III 115 E. 2; 142 III 364 E. 2.4). Zu beachten ist dass das Obergericht auf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist und Anfechtungsgegenstand deshalb grundsätzlich nur die Frage bilden kann, ob es zu Recht einen Nichteintretensentscheid gefällt hat (BGE 135 II 38 E. 1.2; 139 II 233 E. 3.2). Darauf haben sich die erwähnten Ausführungen zu beziehen.
3.
Im Berufungsverfahren hatte der Beschwerdeführer behauptet, kurz vor der Urteilsfällung sei der fallbearbeitende Richter durch eine andere Richterin "ausgetauscht" worden, welche die Ehefrau eines Mitinhabers bzw. Partners der Anwaltskanzlei sei, welche die Gegenseite vertrete.
Das Obergericht ist darauf nicht eingetreten mit der Begründung, der Beschwerdeführer lege nicht dar, wann er vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten habe und weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, bereits vor dem Kantonsgericht ein Ausstandsgesuch zu stellen. Im Übrigen wären in Missachtung von Ausstandsvorschriften ergangene Amtshandlungen nicht nichtig, sondern bloss anfechtbar.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe den Anschein der Befangenheit in der Berufung hinreichend dargetan. Es sei klar, dass die Richterin ein Interesse daran habe, dass die Kanzlei ihres Ehemannes vor Gericht erfolgreich sei, selbst wenn dieser zugegebenermassen nicht am Fall beteiligt sei, denn durch den Prozessgewinn fülle sich auch der Geldsack der Mitinhaber bzw. Partner der Kanzlei, wovon wiederum die Richterin profitiere. Im Übrigen habe er ebenfalls bereits in der Berufung festgehalten, dass er den kurzfristigen Richterwechsel erstaunlich gefunden habe und dieser nicht kommuniziert worden sei; das Obergericht begründe nicht, ob ein Wechsel kurz vor Urteilsfällung rechtens sei.
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, an welcher Stelle er seine Behauptung, der "Richterwechsel" sei "nicht kommuniziert" worden, bereits im Berufungsverfahren eingebracht hätte; solches wäre aus den obergerichtlichen Akten denn auch nicht ersichtlich. Den erstinstanzlichen Akten lässt sich sodann entnehmen, dass Richter C.________ das Verfahren instruiert hat, aber an der Hauptverhandlung alle drei urteilenden Richter anwesend waren, insbesondere auch die Abteilungspräsidentin, welche der Beschwerdeführer mit der kurzfristig "ausgetauschten" Richterin anzusprechen scheint. Vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer spätestens an der Hauptverhandlung die urteilenden Richter bekannt waren, gehen seine Ausführungen am Kern der obergerichtlichen Nichteintretenserwägung, er zeige nicht auf, weshalb er nicht bereits vor Kantonsgericht ein Ausstandsbegehren gestellt habe, vorbei. Seine beschwerdeweise erfolgenden Behauptung, er habe keinen Anlass gehabt, weil der "Richteraustausch" nicht kommuniziert worden und erst aus dem schriftlichen Urteil ersichtlich gewesen sei, findet jedenfalls im aktenkundigen Verfahrensablauf keine Stütze und vor diesem Hintergrund ist nicht dargetan, inwiefern Recht verletzt worden sein soll, wenn das Obergericht im Zusammenhang mit der behaupteten Befangenheit der erstinstanzlichen Abteilungspräsidentin auf die Berufung nicht eingetreten ist.
4.
Im Berufungsverfahren hatte der Beschwerdeführer behauptet, der Stockwerkeigentümerbeschluss aus dem Jahr 2015 sei nichtig, da er die Umnutzung von Ladenräumlichkeiten in einen Take-Away betroffen habe und nicht einstimmig gefasst worden sei, und auch der Beschluss aus dem Jahr 2020 sei nichtig, weil er nicht einstimmig gefasst worden sei.
Das Obergericht ist darauf nicht eingetreten mit der Begründung, der Beschwerdeführer wiederhole einfach seine erstinstanzlichen Ausführungen statt sich mit den Erwägungen des erstinstanzlichen Entscheides auseinanderzusetzen. Ohnehin würde selbst bei einem Verstoss gegen eine zwingende Quorumsvorschrift keine Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses vorliegen, sondern wäre dieser bloss anfechtbar gewesen.
Beschwerdeweise scheint der Beschwerdeführer seine Argumentation dahingehend ändern zu wollen, dass er die Nichtigkeit des Beschlusses vom 26. Oktober 2020 neu aus einem Verstoss gegen die öffentlich-rechtlichen Ladenöffnungszeiten ableiten will, nach welchen ein Laden nicht bis 22 Uhr offen haben dürfe; das Obergericht habe diese Nichtigkeit rechtsfehlerhaft nicht von Amtes wegen festgestellt.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht hinreichend begründet und geht ohnehin an der Sache vorbei: Er dürfte das kantonale Ladenöffnungsgesetz (Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetz des Kantons Zug) ansprechen, ohne jedoch darzutun, inwiefern es beim Take-Away um einen Laden im Sinn der kantonalen Gesetzgebung handeln könnte und welche einschlägigen Normen willkürlich angewandt worden sein sollen (zur Überprüfbarkeit des kantonalen Rechts bloss auf Verfassungsverletzungen hin vgl. BGE 139 III 225 E. 2.3; 140 III 385 E. 2.3; 142 III 153 E. 2.5; 145 I 108 E. 4.4.1). So oder anders ginge es dabei nur um die Frage, ob der Take-Away aus öffentlich-rechtlicher Sicht so wie geplant betrieben werden könnte; dies hat indes keinen direkten Einfluss auf die Frage der Beschlussfassung im stockwerkeigentümerinternen Verhältnis über die Zweckbestimmung der Liegenschaft sowie die Art und den Umfang der Nutzung einer bestimmten Stockwerkeinheit. So könnte beispielsweise eine Stockwerkeigentümergemeinschaft einem Stockwerkeigentümer einer historischen Liegenschaft beschlussweise die Verglasung seines Balkons erlauben, dieses Projekt aber schliesslich am öffentlich-rechtlichen Denkmalschutz scheitern.
Ausgehend vom Gesagten bleibt auch in Bezug auf die behauptete angebliche Beschlussnichtigkeit unbegründet, inwiefern das Obergericht mit dem diesbezüglichen Nichteintreten gegen Recht verstossen haben soll.
5.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, sofern der Beschluss vom 26. Oktober 2020 nicht nichtig sein sollte, sei er wegen Verstosses gegen Ziff. 6 und 7 des Stockwerkeigentümerreglementes jedenfalls anfechtbar, weil er nicht zugestimmt habe.
Bei den betreffenden Reglementsbestimmungen geht es um ein Vetorecht, soweit Änderungen an der Liegenschaft einem Stockwerkeigentümer die bisherige Art der Nutzung seiner Stockwerkeinheit erschweren oder verunmöglichen sollten. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, an welcher Stelle er dies bereits im Berufungsverfahren eingebracht hätte, und noch weniger zeigt er auf, inwiefern er konkret dargelegt hätte, dass er seine Stockwerkeinheit aufgrund der Ausdehnung der Öffnungszeiten des Take-Away nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt als Wohnung benutzen könnte.
6.
Im Sinn eines Eventualstandpunktes macht der Beschwerdeführer schliesslich geltend, dass mit dem Beschluss vom 26. November 2020 eine Zweckänderung der Liegenschaft vorgenommen worden sei, die nur einstimmig beschlossen werden könne. Dabei schildert er, wie am frühen Morgen die ersten Lastwagen anfahren und sodann Motoren und Klimageräte mit grossem Lärm in Betrieb genommen würden und wie den ganzen Tag über eine grosse Belastung bestehe und bis in den späten Abend kein Fenster geöffnet werden könne.
Diese Ausführungen gehen wiederum an der Sache vorbei: Das Obergericht hat dem Beschwerdeführer vorgehalten, sich nicht mit den erstinstanzlichen Erwägungen auseinandergesetzt zu haben, wonach die Verlängerung der Öffnungszeiten des Take-Away keine Zweckänderung der Liegenschaft bedeute und damit kein Verstoss gegen Art. 648 Abs. 2 i.V.m. Art. 712g Abs. 1 ZGB vorliege bzw. keine Einstimmigkeit erforderlich sei. Wenn sich der Beschwerdeführer bloss über die zeitliche Ausdehnung und das Ausmass der Immissionen beklagt, welche sich aus der (identisch bereits bestehenden) Nutzung der fraglichen Stockwerkeinheit ergeben, ist damit nicht begründet, inwiefern eine die Einstimmigkeit erfordernde Änderung der Zweckbestimmung der Liegenschaft (zur Widmung der Liegenschaft und Änderung der Nutzungsart einer Stockwerkeinheit vgl. namentlich BGE 144 III 19 E. 4) vorliegen soll und inwiefern dies im Berufungsverfahren sachgerichtet thematisiert worden wäre. Mithin bleibt auch in dieser Hinsicht unbegründet, inwiefern das Obergericht mit seinem Nichteintretensentscheid gegen Recht verstossen haben soll.
7.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, mitgeteilt.
Lausanne, 13. Juni 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Möckli