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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_511/2010 
 
Urteil vom 13. August 2010 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, 
Gerichtsschreiberin Horber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Postfach 2282, 1950 Sitten 2, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Keinefolgegebung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis, Der Richter der Beschwerdebehörde, vom 10. Mai 2010. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 13. Mai 2009 reichte X.________ Strafklage gegen Y.________ wegen Ehrverletzung, Verleumdung, Diebstahls und Hausfriedensbruchs ein. Mit Verfügung vom 10. März 2010 des Untersuchungsrichteramtes Oberwallis wurde der Strafklage keine Folge gegeben, unter Ansetzung einer Frist von 10 Tagen zur Einreichung einer Beschwerde an das Kantonsgericht Wallis. Die am selben Tag per Einschreiben versandte Verfügung konnte X.________ nicht zugestellt werden. Die Zustellung erfolgte erst am 12. April 2010 durch die Polizei. Mit Eingabe vom 21. April 2010 reichte X.________ Beschwerde ein. 
 
B. 
Das Kantonsgericht Wallis trat mit Urteil vom 10. Mai 2010 nicht auf die Beschwerde ein, mit der Begründung, X.________ habe die Beschwerdefrist nicht eingehalten. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 10. Mai 2010 sei aufzuheben und das angerufene Gericht habe in der Sache zu entscheiden. 
 
D. 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt, er habe nicht mehr mit der Zustellung eines behördlichen Akts rechnen müssen, da die Zustellfiktion nicht über so lange Zeit hinweg aufrechterhalten werden dürfe. Daher sei bezüglich Berechnung der Beschwerdefrist die polizeiliche Zustellung massgebend. 
 
2. 
Als Geschädigter ist der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert, soweit es um den Strafanspruch geht (Art. 81 BGG). Unbekümmert davon kann er die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich in diesem Fall nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer in diesem Sinne nach kantonalem Recht Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft (sog. "Star-Praxis"; BGE 136 IV 29 E. 1.9; Urteil 6B_671/2009 vom 20. Januar 2010 E. 2.2.4; je mit Hinweisen). Insoweit ist der Beschwerdeführer vorliegend zur Beschwerde legitimiert. 
 
3. 
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gelten behördliche Sendungen in Prozessverfahren nicht erst als zugestellt, wenn der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt. Es genügt, wenn die Sendung in den Machtbereich des Adressaten gelangt, so dass er sie zur Kenntnis nehmen kann. Wird der Empfänger einer eingeschriebenen Briefpostsendung oder Gerichtsurkunde nicht angetroffen und daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder in sein Postfach gelegt, wird die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt betrachtet, in dem sie auf der Poststelle abgeholt wird. Geschieht dies nicht innert der Abholfrist, die sieben Tage beträgt, wird angenommen, dass sie am letzten Tag dieser Frist zugestellt wurde. Ein allfälliger zweiter Versand und die spätere Entgegennahme der Sendung vermögen an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts zu ändern. Sie sind - vorbehältlich des Vertrauensschutz begründenden zweiten Versands mit vorbehaltloser Rechtsmittelbelehrung - rechtlich unbeachtlich. Die Zustellfiktion rechtfertigt sich, weil für die an einem Verfahren Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Pflicht besteht, dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Akte zugestellt werden können. Diese Rechtsprechung gilt mithin während eines hängigen Verfahrens und wenn die Verfahrensbeteiligten mit der Zustellung eines behördlichen oder gerichtlichen Entscheides oder einer Verfügung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit rechnen müssen. Unter dieser Voraussetzung ist von einem Verfahrensbeteiligten zu verlangen, dass er seine Post regelmässig kontrolliert und allenfalls längere Ortsabwesenheiten der Behörde mitteilt oder einen Stellvertreter ernennt (BGE 130 III 396 E. 1.2.3; 119 V 89 E. 4b/aa je mit Hinweisen). 
Die Zustellfiktion kann jedoch bei langer Verfahrensdauer zeitlich nicht unbeschränkt zur Anwendung gelangen. Das Bundesgericht hat verschiedentlich einen Zeitraum bis zu einem Jahr seit der letzten verfahrensrechtlichen Handlung der Behörde als vertretbar erachtet. Während dieser Zeit darf die Zustellfiktion aufrechterhalten werden (vgl. etwa Urteil 6B_553/2008 vom 27. August 2008 E. 3 mit Hinweisen; Urteil 2P.120/2005 vom 23. März 2006 E. 4.2, in: Zbl 108/2007 S. 46). In der Lehre wird ebenfalls ein Zeitraum von mehreren Monaten bis zu einem Jahr genannt. Dauert die Untätigkeit der Behörde länger an, kann nach dieser Meinung die Zustellfiktion nicht mehr greifen (YVES DONZALLAZ, La notification en droit interne suisse, Bern 2002, S. 501). 
 
4. 
Der Beschwerdeführer wurde am 8. Juni 2009 polizeilich befragt, nachdem er Strafklage eingereicht hatte. Dies war die letzte verfahrensbezogene Handlung, von der er Kenntnis haben musste. Bis zum Erlass der Einstellungsverfügung am 10. März 2010 vergingen somit neun Monate. Als Strafkläger hat der Beschwerdeführer das Verfahren selber veranlasst und war daran aktiv beteiligt, so dass er im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch nach neun Monaten noch mit der Zustellung des Entscheids in der Sache rechnen musste. Bei einer allfälligen längeren Abwesenheit hätte er dies der Untersuchungsbehörde mitteilen oder einen Stellvertreter ernennen müssen. Die Vorinstanz hat diesbezüglich keine formelle Rechtsverweigerung begangen. 
Der Einwand des Beschwerdeführers, die polizeiliche Zustellung sei als die Frist auslösend massgeblich gewesen, geht ebenfalls fehl. Eine derartige spätere Zustellung ist rechtlich unbeachtlich, es sei denn, es erfolge zugleich eine erneute Rechtsmittelbelehrung mit Fristansetzung (vgl. BGE 119 V 89 E. 4b/aa). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall (vgl. vorinstanzliche Akten, act. 106). 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Wallis, Der Richter der Beschwerdebehörde, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 13. August 2010 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Favre Horber