Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_467/2021
Urteil vom 13. August 2021
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin N. Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren; Revision),
Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 11. Mai 2021 (VBE.2021.28).
Sachverhalt:
A.
Die 1981 geborene A.________ meldete s ich im August 2016 wegen einer Schulterverletzung rechts bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau tätigte in der Folge erwerbliche und medizinische Abklärungen, insbesondere ver anlasste sie eine bidisziplinäre (orthopädisch-psychiatrische) Begutachtung im B.________. Gestützt auf das daraufhin am 17. Mai 2019 erstattete Gutachten verneinte die Verwaltung mit Verfügung vom 17. Oktober 2019 einen Rentenanspruch. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit dem unangefochten gebliebenen Urteil vom 2. Juni 2020 ab.
B.
A.________ ersuchte am 19. Januar 2021 unter Beilage der Berichte des Dr. med. C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, vom 6. und 15./18. Januar 2021 um Revision des Urteils des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juni 2020. Dieses Gesuch wies das kantonale Gericht mit Urteil vom 11. Mai 2021 ab und auferlegte der Gesuchstellerin die Verfahrenskosten.
C.
Dagegen lässt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Ange legenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils vom 11. Mai 2021 sei das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juni 2020 in Revision zu ziehen und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Ferner sei ihr für das vorinstanzliche und das vorliegende Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege unter Beiordnung des Unterzeichnenden als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bewilligen.
Am 28. Juli 2021reicht A.________ unaufgefordert eine weitere Eingabe samt Beilagen ein.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Beschwerde an das Bundesgericht ist grundsätzlich innert einer Frist von 30 Tagen zu erheben (Art. 100 Abs. 1 BGG). Innert dieser Frist ist die Beschwerde mit einem Antrag sowie der vollständigen Begründung zu versehen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen (vgl. Art. 43 BGG) ist eine Ergänzung der Beschwerdebegründung nach Fristablauf nicht zulässig (BGE 134 IV 156; Urteil 9C_215/2020 vom 28. Mai 2021 E. 1.2). Sodann dürfen neue Tatsachen und Beweismittel vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was näher zu begründen ist (BGE 133 III 393 E. 3).
1.2. Die von der Beschwerdeführerin am 28. Juli 2021 und folglich nach Ablauf der Beschwerdefrist erstattete Eingabe hat unberücksichtigt zu bleiben (Urteil 8C_660/2018 vom 7. Mai 2019 E. 1). Die damit eingereichten, vor dem angefochtenen Urteil datierenden Unterlagen, welche sich nicht in den Vorakten befinden, fallen im letztinstanzlichen Verfahren zudem ausser Betracht, legt die Beschwerdeführerin doch mit keinem Wort dar, weshalb vor Bundesgericht ausnahmsweise darauf Bezug genommen werden sollte (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 133 III 393 E.3).
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ).
3.
3.1. Strittig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Revision ihres Urteils vom 2. Juni 2020 abgelehnt hat.
3.2. Wie im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wurde, sieht Art. 61 lit. i ATSG für die Verfahren vor den kantonalen Versicherungsgerichten vor, dass die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen gewährleistet sein muss. Ebenfalls korrekt sind die vorinstanzlichen Ausführungen zum Vorliegen einer neuen Tatsache (vgl. zum Ganzen Urteil 8C_197/2020 vom 11. Mai 2020 E. 3 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
4.
4.1. Das kantonale Gericht erwog, im Gutachten des B.________ vom 17. M ai 2019 seien der Befund des MRI (magnetic resonance imaging) vom 11. April 2016 und der CT (Computertomographie) vom 27. März 2017 aufgeführt worden, in welchem eine fortgeschrittene Atrophie und fettige Degeneration des Musculus supraspinatus fest gehalten worden sei. Die von Dr. med. C.________ festgestellte Atrophie des Supraspinatusmuskels sei demzufolge nicht unerkannt und im Rahmen der orthopädischen Begutachtung auch nicht unberücksichtigt geblieben. Zudem habe Dr. med. C.________ keine Schädigung des N. suprascapularis festgestellt, sondern eine solche lediglich als mögliche Ursache der vorgefundenen Atrophie in Erwägung gezogen. Neue erhebliche Tatsachen lägen nicht vor.
4.2. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen im Wesentlichen vor, den Gutachtern habe lediglich der Bericht des Spitals D.________ vom 12. April 2016 vorgelegen, aus welchem die von Dr. med. C.________ diagnostizierte Atrophie des Supraspinatusmuskels nicht hervorgehe. Die Gutachter bzw. die behandelnden Ärzte des Spitals D.________ hätten nur eine mässige vorbestehende Muskelatrophie des Musculus supraspinatus festgehalten, wohingegen Dr. med. C.________ eine IV°-Atrophie des M. supraspinatus diagnostiziert habe. Die Vorinstanz verkenne ferner, dass Dr. med. C.________ eine Schädigung des N. suprascapularis nicht nur als "mögliche Ursache", sondern als die wahrscheinlichste Möglichkeit bezeichnet habe. Dr. med. C.________ benenne somit erhebliche Tatsachen, die zweifellos zu einem anderen Entscheid geführt hätten. Es sei nicht notwendig, dass im Revisions verfahren ein "gesicherter, neuer Befund" vorliege.
5.
5.1. Wie im angefochtenen Urteil aufgezeigt wird, war am 2. Juni 2020, im Zeitpunkt als die Vorinstanz urteilte, eine starke Atrophie und Verfettung des Supraspinatusmuskels rechts aktenkundig (vgl. etwa auch die Berichte des Dr. med. E.________ vom 2. Dezember 2016, der Klinik F.________ vom 5. Januar 2017, der Dres. med. G.________ und H.________, Klinik I.________, vom 27. März 2017 und des Zentrums J.________ vom 21. März 2018). Das kantonale Gericht schloss daher zutreffend, dass insofern von Dr. med. C.________ keine neue Tatsache dargetan wird. Die Rüge, dieser Umstand sei im Rahmen des Gutachtens des B.________ vom 17. Mai 2019 und der darauf basierenden Rentenablehnung (Verfügung vom 17. Oktober 2019, Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juni 2020) ungenügend berücksichtigt worden, hätte damals mit dem ordentlichen Rechtsmittel geltend gemacht werden müssen. Die prozessuale Revision dient nicht der Weiterführung des Verfahrens, insbesondere nicht dazu, damalige Fehler oder Unterlassungen nachträglich zu korrigieren (Urteil 8C_197/2020 vom 11. Mai 2020 E. 3.4).
5.2. Weiter ist auch die vorinstanzliche Feststellung nicht willkürlich, der Orthopäde Dr. med. C.________ habe keine Schädigung des N. suprascapularis festgestellt. Aus seinen Berichten vom 6. und 15./18. Januar 2021 geht eindeutig hervor, dass dies lediglich eine Verdachtsdiagnose ("differenzialdiagnostisch am ehesten", "eine mögliche Ursache") darstellt. Nachdem eine solche Diagnose nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt ist (statt vieler: Urteil 8C_300/2021 vom 23. Juni 2021 E. 4.2.1), ist sie nicht geeignet, die tatsächliche Grundlage des zur Revision beantragten Urteils zu verändern. Die Vorinstanz verletzte somit kein Bundesrecht, indem sie auch diesbezüglich einen Revisionsgrund verneinte.
6.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und wird deshalb im vereinfachten Verfahren ohne Durchführung eines Schriftenwechsels (Art. 102 Abs. 1 BGG) nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt. Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihr wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht gewährt werden (Art. 64 BGG). Soweit sich das Gesuch auf das vorinstanzliche Verfahren bezieht, ist das Bundesgericht dafür nicht zuständig, weshalb insoweit darauf nicht eingetreten werden kann.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 13. August 2021
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Möckli