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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.312/2003 /rov 
 
Urteil vom 13. Oktober 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Heer, Stadtturmstrasse 19, Postfach 1444, 5401 Baden, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, 
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV etc. (Aufsicht über eine Amtsvormundschaft), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss 
des Obergerichts des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormund-schaftliche Aufsichtsbehörde, vom 25. Juli 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Kanton Aargau können zwei oder mehrere Gemeinden die Bildung einer gemeinsamen Amtsvormundschaft vertraglich vereinbaren. Die Amtsvormundschaft des Bezirks W.________ wird durch den gleichnamigen Gemeindeverband getragen. Der Vorstand des Gemeindeverbands liess in den Jahren 1997/98 die Organisation der Amtsvormundschaft überprüfen und begann im Jahre 1998, die Empfehlungen gemäss eingeholtem Bericht umzusetzen. Er teilte die Amtsvormundschaft in zwei einander gleichgestellte Abteilungen auf, setzte den bisherigen Leiter der Amtsvormundschaft A.________ als Leiter der aus den Amtsvormündern bestehenden Abteilung ein und wählte X.________ zum Leiter der Abteilung "Administration und Finanzen". Die neue Aufgabenzuweisung und Zuständigkeitsabgrenzung bereitete in der Praxis gewisse Schwierigkeiten. Mehrere Amtsvormünder beklagten Eingriffe des Leiters der Abteilung "Administration und Finanzen" in die Führung der vormundschaftlichen Massnahmen und schieden aus der Amtsvormundschaft aus. Um klarere Strukturen zu schaffen, beschloss der Vorstand die Einsetzung eines Amtsstellenleiters und wählte für diese Funktion X.________, der die Leitung der Amtsvormundschaft per 1. Januar 2001 übernahm. A.________ hatte zuvor sein Amt niedergelegt und schied per Ende 2001 aus der Amtsvormundschaft aus. Weitere Amtsvormünder verliessen die Amtsvormundschaft. 
B. 
Mit Beschluss vom 28. Mai 2002 eröffnete das Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanz-liche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, ein aufsichtsrechtliches Verfahren zur Untersuchung des Zustands auf der Amtsvormundschaft des Bezirks W.________ und der Gesetzmässigkeit der Organisation dieser Amtsvormundschaft. Die obergerichtliche Vormundschaftskammer beauftragte das Bezirksamt W.________ als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde mit der Untersuchung und umschrieb diesen Auftrag im Einzelnen. Gestützt auf die Untersuchungsergebnisse und die eingegangenen Vernehmlassungen stellte die obergerichtliche Vormundschaftskammer in ihrem Beschluss vom 25. Juli 2003 fest, dass die Neuorganisation der Amtsvormundschaft den Vorgaben des Bundesrechts widerspreche (vgl. die Zusammenfassung in E. 5 S. 61 f.). Die Vormundschaftskammer untersagte den Mitgliedern des Vorstands des Gemeindeverbands wie auch dem Amtsstellenleiter unter Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB einzeln umschriebene Handlungen (Dispositiv-Ziffer 1), erteilte dem Vorstand des Gemeindeverbands Weisungen für die Organisation der Amtsvormundschaft (Dispositiv-Ziffer 2) und versagte den eingereichten Funktionsbeschreibungen und dem Personalreglement die Genehmigung ganz bzw. teilweise (Dispositiv-Ziffer 3). 
C. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt der Amtsstellenleiter X.________ dem Bundesgericht, die Dispositiv-Ziffern 1-3 des obergerichtlichen Beschlusses vom 25. Juli 2003 aufzuheben. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Obergericht hat als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Vormundschaftssachen entschieden. Verfügungen auf dem Gebiet der Aufsicht über die Vormundschaftsbehörden können nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Art. 100 Abs. 1 lit. g OG; BGE 100 Ib 113 E. 1 S. 114 f.). Sie betreffen keine Zivilrechtsstreitigkeiten und unterliegen deshalb - hier nicht zutreffende Ausnahmen vorbehalten - auch nicht der eidgenössischen Berufung (Art. 44 OG; BGE 107 II 504 E. 2 S. 505). Zulässige Bundesrechtsmittel sind die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 ff. OG und die staatsrechtliche Beschwerde (vgl. dazu mit Nachweisen: Geiser, Basler Kommentar, 2002, N. 44 f. zu Art. 420 ZGB; Schnyder, Zur Vormundschaftsbeschwerde nach Art. 420 ZGB, ZVW 57/2002 S. 75 ff., S. 95 ff.). Da keine Nichtigkeitsgründe im Sinne von Art. 68 Abs. 1 OG geltend gemacht werden, ist einzig die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zulässig (Art. 84 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 OG) und die Eingabe des Beschwerdeführers ausschliesslich als solche zu behandeln. 
2. 
Gemäss Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Zur Begründung seiner Beschwerdelegitimation bringt der Beschwerdeführer vor, er sei durch die obergerichtlichen Verbote und Weisungen direkt und indirekt persönlich betroffen. Er sei zugleich befugt, sich hilfsweise auf die Autonomie des Gemeindeverbands zu berufen. 
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Voraussetzungen von Art. 88 OG nicht erfüllt, wenn die angefochtene Verfügung lediglich Befugnisse und Obliegenheiten zum Gegenstand hat, die einem Bürger in seiner Eigenschaft als Beamter oder Mitglied einer Behörde zukommen. Soweit nicht die private Rechtssphäre eines Beamten oder Behördemitgliedes betroffen ist, sondern einzig jene öffentlichrecht-liche Stellung in Frage steht, kann eine kantonale oder kommunale Verfügung nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger angefochten werden (BGE 107 Ia 266 S. 267 f.; 123 I 41 E. 5c/dd und ee S. 44 f.; für den vorliegenden Bereich: z.B. Urteil des Bundesgerichts 5P.121/2001 vom 22. Mai 2001, E. 2 und 4a; Geiser, N. 45 zu Art. 420 ZGB). 
 
Der Beschwerdeführer ist Angestellter des Gemeindeverbands, der die Amtsvormundschaft trägt. Als deren Leiter untersteht er der Aufsicht der vormundschaftlichen Behörden. Der obergerichtliche Beschluss hat die Organisation der Amtsvormundschaft zum Gegenstand und richtet sich an den Beschwerdeführer in seiner Funktion als Leiter der Amtsvormundschaft. Das Obergericht hat ausdrücklich festgehalten, dass der Anstellungsvertrag zwischen dem Gemeindeverband und dem Beschwerdeführer durch die angeordneten Massnahmen nicht in Frage gestellt wird und aufrecht erhalten bleibt (E. 1a S. 65). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die aufsichtsrechtliche Konkretisierung der Amtsbefugnisse und/oder die obergerichtlichen Weisungen den Beschwerdeführer nicht bloss als Amtsstellenleiter, sondern in seiner Privatsphäre treffen könnten. Was der Beschwerdeführer dazu ausführt, besteht in unbelegten Mutmassungen und ist gesamthaft nur unzureichend substantiiert (Art. 88 i.V.m. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 125 I 173 E. 1b S. 175; 120 Ia 227 E. 1 S. 229 und 369 E. 1a S. 371). 
 
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. 
2.2 Seine Beschwerdelegitimation begründet der Beschwerdeführer hilfsweise mit einer Verletzung der Autonomie des Gemeinde-verbands. Praxisgemäss ist ein Beschwerdeführer befugt, eine Verletzung der Gemeindeautonomie vorfrage- oder hilfsweise, d.h. zur Unterstützung anderweitiger Verfassungsrügen geltend zu machen, soweit er zu deren Erhebung legitimiert ist. Daran fehlt es hier nach dem Gesagten (E. 2.1 soeben), weshalb die Beschwerdelegitimation auch unter diesem Blickwinkel nicht bejaht werden kann (vgl. dazu Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2.A. Bern 1994, S. 274, mit Nachweis der ständigen Rechtsprechung). 
2.3 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer Verletzungen seiner Verfahrensrechte, insbesondere eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). 
 
Ein in der Sache selbst nicht legitimierter Beschwerdeführer ist befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrens-rechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE 129 II 297 E. 2.3 S. 301; 129 I 217 E. 1.4 S. 222). Dazu gehört die Rüge, seine Parteistellung sei zu Unrecht missachtet worden (BGE 119 Ia 4 E. 1 S. 5; 120 Ia 220 E. 2a S. 222; 121 I 42 E. 2e S. 47). Diese ständige Rechtsprechung ist auf die Beschwerdeführung von "Bürgern (Privaten)" im Sinne von Art. 88 OG zugeschnitten und kann nicht auf öffentlichrechtliche Korporationen ausgedehnt werden, die mit hoheitlichen Aufgaben betraut sind, ausser die entsprechenden Verfahrensrügen stünden in engem Zusammenhang mit den Rügen einer Verletzung der Autonomie oder der Bestandesgarantie. Die sich aus der Verfassung ergebenden Rechte des Bürgers auf ein faires Verfahren sollen gegen staatliche Hoheitsakte schützen; sie ermöglichen einer hoheitlich handelnden Behörde dagegen nicht, sich unabhängig von der Autonomie oder Bestandesgarantie gegen allfällige (prozessuale) Fehler einer im Rechtsmittelverfahren übergeordneten Instanz zur Wehr zu setzen (BGE 112 Ia 356 E. 6b S. 367; zuletzt: BGE 121 I 218 E. 4a S. 223; 120 Ia 95 E. 2 S. 100). Die Überlegungen zur Legitimation der hoheitlich handelnden Behörden gelten grundsätzlich auch für die Beschwerdebefugnis von Behördemitgliedern und Beamten (vgl. dazu Birchmeier, Über die Legitimation des Staates, der Gemeinde und der Behörden zur staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht, ZBl. 51/1950 S. 121 ff., S. 130 f.). Eine Ausnahme könnte lediglich im - hier nicht zutreffenden (E. 2.1 soeben) - Fall einer Amtsenthebung oder Nichtwiederwahl des Behördemitgliedes bzw. Beamten zugelassen werden (BGE 105 Ia 271 E. 2d S. 276; vgl. dazu Kälin, a.a.O., S. 209/210). 
 
Die gezeigten Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer ist deshalb auch nicht befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung von Verfahrensgarantien, insbesondere die Verweigerung des rechtlichen Gehörs geltend zu machen. 
3. 
Mangels Legitimation kann auf die staatsrechtliche Beschwerde insgesamt nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer wird damit kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 13. Oktober 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: