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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_269/2009 
 
Urteil vom 13. November 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Parteien 
beco Berner Wirtschaft, Arbeitsvermittlung, Rechtsdienst, Worbstrasse 225, 3073 Gümligen, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
A.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung 
(Arbeitslosenentschädigung, Erlass), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 17. Februar 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1978 geborene A.________ war vom 1. Februar 2000 bis 31. Dezember 2006 in einer befristeten Anstellung für die S.________ AG als Marketingexperte tätig. Ab 1. Januar 2007 bezog er Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Das beco Berner Wirtschaft (nachfolgend: beco) stellte ihn mit zwei Verfügungen vom 28. August 2007 ab 1. Juli 2007 und ab 1. August 2007 zufolge ungenügender Arbeitsbemühungen für je drei Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Mit einer weiteren Verfügung vom 28. August 2007 stellte es ihn ausserdem ab 25. Juni 2007 für 31 Tage in der Anspruchsberechtigung ein, weil er sich nicht um die vom Regionalen Arbeitszentrum zugewiesene unbefristete Stelle bemüht habe. Per 31. August 2007 meldete sich A.________ von der Arbeitslosenversicherung ab und nahm am 1. September 2007 eine unbefristete Tätigkeit für die Gesellschaft M.________ auf. Die Unia Arbeitslosenkasse verfügte am 12. Dezember 2007 die Rückforderung zuviel ausbezahlter Arbeitslosentaggelder im Gesamtbetrag von Fr. 8'320.10, entsprechend den im Zeitpunkt der Abmeldung noch nicht getilgten Einstelltagen. Die drei Verfügungen vom 28. August 2007 und die Verfügung vom 12. Dezember 2007 erwuchsen allesamt unangefochten in Rechtskraft. Das Gesuch des A.________ vom 25. Februar 2008 um Erlass des Rückforderungsbetrages lehnte das beco mangels guten Glaubens ab (Verfügung vom 14. März 2008). Daran hielt es auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 11. Juni 2008). 
 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die dagegen erhobene Beschwerde gut und wies die Sache an das beco zurück (einzelrichterlicher Entscheid vom 10. Februar 2009). 
 
C. 
Das beco führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid des kantonalen Gerichts sei aufzuheben. 
 
A.________ lässt sich nicht vernehmen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das kantonale Gericht hat erwogen, der Versicherte habe nicht mit einer Rückforderung der Arbeitslosenentschädigung rechnen müssen und sei im Zeitpunkt des Bezugs der Arbeitslosentaggelder gutgläubig gewesen. Es wies die Sache zur Abklärung der kumulativen Erlassvoraussetzung der grossen Härte an die Verwaltung zurück. 
 
1.1 Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (vgl. dazu Urteil 9C_684/2007 vom 27. Dezember 2007 E. 1.1 mit Hinweisen, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131), um einen - selbstständig eröffneten - Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f. mit Hinweisen). Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). 
1.2 
1.2.1 Rechtsprechungsgemäss bewirkt ein Rückweisungsentscheid in der Regel keinen irreversiblen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, da der Rechtsuchende ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich allerdings für die Verwaltung bzw. den Versicherungsträger, wenn diese durch den Rückweisungsentscheid gezwungen werden, eine ihres Erachtens rechtswidrige Verfügung zu treffen. Diesfalls kann bereits dieser Entscheid angefochten werden, ohne dass der Endentscheid abgewartet werden müsste (BGE 133 V 477 E. 5.2, 5.2.1-5.2.4 S. 483 ff.; Urteil 8C_682/2007 vom 30. Juli 2008 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 134 V 392, aber in: SVR 2008 UV Nr. 31 S. 115). 
1.2.2 Im Umstand, dass der vorinstanzliche Gerichtsentscheid materiell verbindlich die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens bejaht, ist offenkundig ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu erblicken. Damit wird der Beurteilungsspielraum der Verwaltung auf die Frage beschränkt, ob eine grosse Härte vorliegt. Das beco wird aufgrund des angefochtenen Entscheides verpflichtet, auf eine Rückforderung der Arbeitslosenentschädigung zu verzichten, falls die nachfolgende Prüfung ergibt, dass die weitere Erlassvoraussetzung der grossen Härte erfüllt ist, obwohl es die Gutgläubigkeit verneint. Dazu kommt, dass es sich ausser Stande sähe, seine eigene Verfügung anzufechten, und die Gegenpartei wird in der Regel kein Interesse haben, dem möglicherweise zu ihren Gunsten lautenden Endentscheid zu opponieren, sodass der kantonale Vor- oder Zwischenentscheid nicht mehr korrigiert werden könnte (Urteil 8C_682/2007 vom 30. Juli 2008 E. 1.2.2, nicht publ. in: BGE 134 V 392, aber in: SVR 2008 UV Nr. 31 S. 115). Auf die Beschwerde des beco ist daher - trotz insoweit fehlender Begründung in der letztinstanzlich eingereichten Rechtsschrift - einzutreten. 
 
2. 
2.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG [Art. 105 Abs. 3 BGG]). Diese kognitionsrechtliche Ordnung führt bei Streitigkeiten um den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen gegenüber der bis 31. Dezember 2006 unter der Herrschaft des Bun-desgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) geltenden Rechtslage zu keinen grundlegenden Neuerungen, war doch die Frage nach dem Erlass einer Rückerstattungsschuld schon nach damaligem Recht nur mit eingeschränkter Kognition überprüfbar (Art. 132 in Verbindung mit 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 122 V 221 E. 2 S. 223; ARV 2006 S. 312, C 196/05 E. 1.2; SVR 2007 IV Nr. 13 S. 49, I 622/05 E. 1). 
 
2.2 Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der kantonale Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Der Untersuchungsgrundsatz weist enge Bezüge zum - auf Verwaltungs- und Gerichtsstufe geltenden - Grundsatz der freien Beweiswürdigung auf. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger oder das Gericht bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360; 125 V 193 E. 2 S. 195, je mit Hinweisen) zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 124 V 90 E. 4b S. 94). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteil 9C_167/2009 vom 28. Mai 2009 E. 3.1). 
 
2.3 Der Untersuchungsgrundsatz zählt zu den in Art. 95 BGG erwähnten bundesrechtlichen Vorschriften. Die unvollständige (gerichtliche) Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen (BGE 135 V 23 E. 2 S. 25 mit Hinweisen; ULRICH MEYER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 25, 36 und 58-61 zu Art. 105 BGG; HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 24 zu Art. 97 BGG), die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes als einer wesentlichen Verfahrensvorschrift (statt vieler: Urteil 9C_850/2008 vom 6. Februar 2009 E. 2.2 mit Hinweis; ULRICH MEYER, a.a.O., N. 60 zu Art. 105 BGG; MARKUS SCHOTT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 17 ff. zu Art. 97 BGG) sowie die Pflicht zu inhaltsbezogener, umfassender, sorgfältiger und objektiver Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 132 V 393 E. 4.1 S. 400) stellen eine Rechtsverletzung gemäss Art. 95 lit. a BGG dar. Hat das kantonale Gericht die rechtserheblichen tatsächlichen Feststellungen in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes getroffen, sind sie für das Bundesgericht nicht verbindlich (Urteil 8C_773/2008 vom 11. Februar 2009 E. 5.4, in: SVR 2009 EL Nr. 5 S. 17). 
 
3. 
Zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer die Rückerstattung der bezogenen Taggelder im Betrag von Fr. 8'3210.10 erlassen werden kann. Die Rückerstattungsverfügung vom 12. Dezember 2007 als solche ist demgegenüber innert der dafür gegebenen Rechtsmittelfrist nicht angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen. 
 
4. 
4.1 Die gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen für einen solchen Erlass, nämlich die Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug einerseits und - kumulativ - die grosse Härte der Rückerstattung andererseits (Art. 25 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 95 Abs. 1 AVIG), hat das kantonale Gericht zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
4.2 Gemäss der vor Inkrafttreten des BGG ergangenen - weiterhin relevanten (vgl. E. 2.1 hiervor) - Rechtsprechung ist bei der Frage nach der Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug hinsichtlich der Überprüfungsbefugnis des Gerichts zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und wird daher als Tatfrage von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich beurteilt. Demgegenüber gilt die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 221 E. 3 S. 223). 
 
5. 
5.1 
5.1.1 Die Vorinstanz führt aus, bezüglich der Einstellung in der Anspruchsberechtigung infolge qualitativ und quantitativ ungenügender Bewerbungen lege der Versicherte glaubhaft dar, dass ihm die Notwendigkeit, sämtliche Arbeitsbemühungen in schriftlicher Form zu erläutern, nicht bewusst gewesen sei. Die Formulare über die Arbeitsbemühungen seien nicht bei den Akten, aber es sei mit dem Versicherten davon auszugehen, dass er sich jeweils telefonisch mit potentiellen Arbeitgebern in Verbindung gesetzt und hernach auf eine schriftliche Bewerbung verzichtet habe, soweit sich eine solche ohnehin als sinnlos erwiesen hätte. Durch eigenes Zutun habe er wenig später einen neuen, unbefristeten Arbeitsvertrag abschliessen können. Somit sei er tatsächlich bestrebt gewesen, "im Rahmen der Schadenminderungspflicht seine Arbeitslosigkeit zu beenden und sich um eine Arbeits-stelle zu bemühen". Auch wenn sein Vorgehen den gesetzlichen Vorgaben zuwidergelaufen sei, habe er aufgrund seiner faktischen Bemühungen von einem rechtmässigen Bezug der Arbeitslosentaggelder ausgehen können. Dies gelte auch für das Unterlassen der Bewerbung auf die ihm am 19. Juni 2007 zugewiesene Arbeitsstelle. Da die Zuweisung sich ebenfalls nicht bei den Akten befinde, sei zwar unklar, ob sie formell richtig erfolgt sei. Jedenfalls habe der Versicherte vorgebracht, es sei ihm nicht vermittelt worden, dass er "diesbezüglich eine Verpflichtung eingegangen" sei. Zudem habe er mit dem Personalberater über die zugewiesene Stelle diskutiert, jedoch keine Chance für eine Anstellung gesehen. Auf dieser Grundlage hat es das kantonale Gericht als "durchaus plausibel" und "nach dem massgeblichen Beweisgrad überwiegend wahrscheinlich" erachtet, dass der Beschwerdegegner nach Abwägung der Chancen und Risiken tatsächlich auf eine Bewerbung verzichtet habe, "ohne die angedrohte Rechtsfolge gewärtigt zu haben". Demgemäss sei sachverhaltsmässig davon auszugehen, dass er im Zeitpunkt des Bezugs der Arbeitslosentaggelder gutgläubig gewesen sei. Da ihm am 28. August 2007 gleichzeitig mit dem Erlass der Sanktionsverfügungen auch die Taggelder für den ganzen Monat August 2007 ausgerichtet worden seien, habe er im Übrigen auch nicht mit einer entsprechenden Rückforderung rechnen müssen. 
5.1.2 Das beco bestreitet den im kantonalen Gerichtsentscheid festgestellten Sachverhalt nicht. Eine Verrechnung der Einstelltage mit den Arbeitslosentaggeldern für den Monat August 2007 entspreche allerdings nicht der Praxis. Zwar seien die drei Sanktionsverfügungen gleichzeitig mit der Ausrichtung der Entschädigung am 28. August 2007 ergangen, doch die Arbeitslosenkasse habe frühestens am Tag nach der Zahlung, also am 29. August 2007, von den Einstellungsverfügungen erfahren können. Die Tatsache, dass es bis zur Abmeldung von der Arbeitslosenversicherung (vorliegend auf Ende August 2007) nicht zu einer Tilgung der Einstelltage gekommen sei, bedeute nicht automatisch, dass die versicherte Person auf einen uneingeschränkten Taggeldanspruch schliessen dürfe. Eine versicherte Person müsse bereits aufgrund der Sanktionsandrohung für den Fall einer Pflichtverletzung anlässlich der Stellenzuweisung bzw. bei Erhalt des Mahnbriefs bezüglich Arbeitsbemühungen mit einer Sanktion rechnen und könne deshalb nicht mehr gutgläubig sein. Spätestens im Zeitpunkt der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einem vorgeworfenen Fehlverhalten sei der gute Glaube hinsichtlich der Sanktionslosigkeit ihres Tuns zerstört. Indem das kantonale Gericht schliesslich sinngemäss davon ausgehe, dass der Beschwerdegegner seine Schadenminderungspflicht im Zusammenhang mit Arbeitsbemühungen und Stellenzuweisung erfüllt habe, stelle es auch die Rechtmässigkeit der Sanktionen in Frage, welche zur Rückforderung geführt hätten. Doch dies könne nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens sein, weil die Einstellungsverfügungen unangefochten in Rechtskraft erwachsen seien. 
5.2 
5.2.1 Soweit das beco in seiner Beschwerde annimmt, der gute Glau-be sei zumindest bei Erhalt der Taggeldzahlungen für den Monat August 2007 zerstört gewesen, weil die Gutschrift der Arbeitslosenentschädigung mit der Eröffnung der Sanktionen zusammengefallen oder einen Tag später erfolgt sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Einstelltage wurden der dem Versicherten vorgeworfenen Unterlassungen in den Monaten Juni und Juli 2007 wegen (ungenügende Arbeitsbemühungen und Nichtbewerbung auf eine zugewiesene Arbeitsstelle) verfügt. Für den Monat August 2007 wurde ihm keine Pflichtwidrigkeit zur Last gelegt. Zudem ist nicht bekannt, an welchem Tag der Versicherte den Inhalt der Sanktionsverfügungen vom 28. August 2007 zur Kenntnis genommen hat. Diesbezüglich kann jedenfalls nicht ein-fach auf den die Rechtsmittelfrist auslösenden Zeitpunkt des Verfügungszugangs abgestellt werden. Die Annahme des guten Glaubens durch das kantonale Gericht im Zeitpunkt des Zugangs der Arbeitslosenentschädigung für den Monat August 2007 ist demgemäss nicht bereits deshalb offensichtlich unrichtig, weil die Taggeldzahlung für den Monat August 2007 und der Versand der Sanktionsverfügungen gleichzeitig ausgelöst worden sind. 
 
Der Forderung des beco, sich im vorliegenden Urteil grundsätzlich zur Frage der Auswirkung einer Sanktionsandrohung in Zuweisungen, Nachweisformularen oder im Rahmen des rechtlichen Gehörs zu äussern, kann ebenfalls nicht nachgekommen werden. Ob eine versicherte Person gutgläubig ist, muss in jedem Einzelfall gestützt auf die konkreten Umstände abgeklärt werden. Immerhin kann festgehalten werden, dass eine Sanktionsandrohung allein nicht geeignet ist, den guten Glauben der versicherten Person zu zerstören. Es gilt zu bedenken, dass die versicherte Person und die Verwaltung im Zeitpunkt der Sanktionsandrohung die künftigen Umstände nicht voraussehen können. Erscheint zu einem späteren Zeitpunkt die Schadenminderungspflicht als verletzt, kann sich zudem, gegebenenfalls im Rahmen der weiteren Sachverhaltsabklärung oder der Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs durch die versicherte Person, herausstellen, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung gar nicht vorliegen. Ist ein Einstellungstatbestand erfüllt, so kann nicht in jedem Fall gleichzeitig der gute Glaube verneint werden, denn auch wenn die Sanktionsvoraussetzungen gegeben sind, kann die versicherte Person berechtigte Gründe zur Annahme haben, sie habe sich kein Fehlverhalten vorwerfen zu lassen, und demgemäss davon ausgehen, sie habe uneingeschränkt Anspruch auf Taggeldleistungen. Es kann demzufolge mit dem beco keine Rede davon sein, dass der gute Glaube trotz anstehender Sanktionen "automatisch" anzunehmen ist. Ebenso wenig darf allerdings der gute Glaube im Falle des Vorliegens einer rechtskräftigen Einstellungsverfügung generell verneint werden. 
5.2.2 Im konkreten Fall sind die Einstellungsverfügungen unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Der Beschwerdegegner behauptet in seiner Einsprache vom 11. April 2008 gegen die verfügungsweise Ablehnung seines Erlassgesuches, er habe eine formelle Anfechtung der Verwaltungsakte wegen eines Missverständnisses zwischen ihm und seinem Personalberater unterlassen, und nicht etwa, weil er mit den Einstellungen in der Anspruchsberechtigung einverstanden gewesen wäre. Es ist dem beco beizupflichten, dass es im vorliegenden Prozess nicht um die Rechtmässigkeit dieser Sanktionsverfügungen gehen kann. Im Erlassverfahren ist aber relevant und demgemäss zu überprüfen, ob dem Versicherten das Unrechtsbewusstsein fehlte bzw. ob er unter den gegebenen Umständen bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen (vgl. E. 4 hiervor). Wie es sich in casu verhält, kann allerdings nicht abschliessend beantwortet werden. Das kantonale Gericht hat den rechtserheblichen Sachverhalt gestützt auf eine lückenhafte Aktenlage festgestellt. Es standen ihm weder die Formulare über die von der Verwaltung als ungenügend qualifizierten Arbeitsbemühungen, noch die Unterlagen im Zusammenhang mit der unterlassenen Bewerbung auf eine zugewiesene Arbeitsstelle zur Verfügung; eine Stellungnahme des für den Beschwerdegegner zuständig gewesenen Personalberaters, welcher nach der Behauptung des Versicherten "immer auf dem Laufenden" gewesen sei und ihm kein anderes Vorgehen nahegelegt habe, fehlt ebenfalls. Um den Sachverhalt feststellen und die Beweise frei würdigen zu können, müssen dem kantonalen Gericht sämtliche Akten vorliegen, damit es entscheiden kann, welche Unterlagen für die Beurteilung des streitigen Falles wesentlich und welche nicht wesentlich sind. Es liegt nicht im Belieben der Behörde, im Beschwerdeverfahren dem Gericht nur diejenigen Akten einzureichen, welche sie als notwendig und für die Beurteilung des Falles entscheidend betrachtet. Andernfalls würden die in Erwägung 2.2 hiervor dargelegten Beweisgrundsätze ihres Gehalts entleert (BGE 135 V 194 E. 3.1 S. 196; Urteil U 422/00 vom 10. Oktober 2001 E. 2a). Die vollständige Aktenlage ist nicht zwecks Überprüfung der (rechtskräftigen) Einstellungsakte, sondern zur Beurteilung der im vorliegenden Verfahren relevanten Frage, ob der Versicherte mit Blick auf die Vorgaben der Verwaltung und auf sein Verhalten sowie unter Berücksichtigung der Aussagen seines Personalberaters mit den Einstellungen in der Anspruchsberechtigung rechnen musste, unerlässlich. Da der vorinstanzliche Entscheid auf einer lückenhaften Beurteilungsgrundlage basiert, sind die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Gerichtsentscheid für das Bundesgericht zwar nicht verbindlich (E. 2.3 hiervor). Da letztinstanzlich jedoch nur die unvollständigen Belege eingereicht wurden, welche bereits der Vorinstanz zur Verfügung standen, kann nicht beurteilt werden, ob der Versicherte beim Empfang der Arbeitslosentaggelder gutgläubig war. Deshalb geht die Angelegenheit ans kantonale Gericht zurück, damit es - nach Vervollständigung der Akten und Befragung oder Einholung einer Stellungnahme des ehemaligen Personalberaters des Versicherten sowie allfälliger weiterer wesentlicher Entscheidgrundlagen unter Beachtung der Mitwirkungsrechte des Beschwerdegegners - über das Gesuch um Erlass des Rückforderungsbetrages neu entscheide. 
 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 62 BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten im Grundsatz vom Beschwerdegegner als unterliegender Partei zu tragen. Da der Beschwerdeführer indessen nicht die vollständigen Akten eingereicht hat und daher für die Rückweisung verantwortlich ist, rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10. Februar 2009 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Unia Arbeitslosenkasse und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 13. November 2009 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Berger Götz