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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
U 518/06 
 
Urteil vom 13. Dezember 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Lustenberger, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Parteien 
W.________, 1963, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat 
Roman Felix, Hauptstrasse 54, 4153 Reinach, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den 
Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 
vom 10. Mai 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1963 geborene W.________ arbeitete seit Mai 1994 vollzeitlich als Administrator und Ausbildungsleiter bei der X.________ AG und war dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 2. November 1998 stiess auf der Autobahn ein von hinten herannahendes Fahrzeug in das Heck des von ihm gelenkten, wegen eines Staus auf Schritttempo abgebremsten Personenwagens, welcher nach vorne katapultiert wurde, in das voranstehende Automobil prallte und rechtsseitig schräg zur Fahrbahn zum Stillstand kam. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld). Am 30. März 1999 nahm der Versicherte die Arbeitstätigkeit wieder vollständig auf. Nach umfangreichen Abklärungen sprach die SUVA dem Versicherten gestützt auf einen Bericht der Abteilung Versicherungsmedizin (Dres. med. B.________, Leitender Arzt, Facharzt FMH für Chirurgie, und H.________, Neurologe) vom 23. Februar 2004 wegen chronischer Schmerzen im Bereich von Halswirbelsäule (HWS), Hinterhaupt und Kopfscheitel, einschliesslich der daraus resultierenden kognitiven Beeinträchtigungen, eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 20 % zu; einen Anspruch auf Invalidenrente verneinte sie (Verfügung vom 24. März 2004). Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 10. Mai 2005). 
B. 
Eine hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab (Entscheid vom 10. Mai 2006). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt W.________ die Rechtsbegehren stellen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen zu erbringen; eventualiter sei die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen. 
 
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Mit diesem Gesetz ist die bisherige organisatorische Selbstständigkeit des Eidgenössischen Versicherungsgerichts aufgehoben und dieses mit dem Bundesgericht fusioniert worden (Seiler in: Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum BGG, Art. 1 N 4 und Art. 132 N 15). Das vorliegende Urteil wird daher durch das Bundesgericht gefällt. Weil der angefochtene Entscheid jedoch vor dem 1. Januar 2007 ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach dem bis zum 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; Art. 131 Abs. 1 und 132 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 132 V 392 E. 1.2 S. 395). 
2. 
2.1 Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) richtig dargelegt. Gleiches gilt für die in diesem Zusammenhang zu beachtenden Grundsätze, wenn Unfallfolgen nach Schleudertrauma der HWS (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341) oder einem äquivalenten Verletzungsmechanismus (Kopfanprall mit Abknickung der HWS, Distorsionstrauma der HWS mit Kopfanprall; vgl. Urteile U 160/98 vom 2. Juni 2000 E. 3, publ. in: RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317, und U 183/93 vom 12. September 1994 E. 2, publ. in: SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67) bestehen. 
2.2 Im angefochtenen Entscheid sind weiter auch die Bestimmungen über den Anspruch auf Integritätsentschädigung (Art. 24 Abs. 1 UVG und Art. 36 Abs. 1 UVV [beide Normen haben auf den 1. Januar 2004 eine redaktionelle Änderung erfahren, welche jedoch die Anspruchsbeurteilung nicht beeinflusst]), deren Abstufung nach der Schwere des Integritätsschadens (Art. 25 Abs. 1 UVG; Art. 25 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 36 Abs. 2 UVV und Anhang 3 zur UVV) und die Bedeutung der von der medizinischen Abteilung der SUVA erarbeiteten weiteren Bemessungsgrundlagen in tabellarischer Form (sog. Feinraster; BGE 124 V 29 E. 1c S. 32) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer leidet neben den chronischen, vom obersten Nacken über den Hinterkopf in die Scheitelgegend ausstrahlenden Kopfschmerzen links (Bericht der Dres. med. B.________ und H.________ vom 14. April 2005) auch an neuropsychologisch nachgewiesenen Hirnleistungsdefiziten (diskrete/leichte subkortikale und linkshemisphärische fronto-diencephale/fronto-dorsolaterale Hirnfunktionsstörungen; Bericht des lic. phil. R.________, Fachpsychologe für Neuropsychologie FSP, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, vom 3. November 2001). Fraglich und zu prüfen ist die (Unfall-)Ursächlichkeit der kognitiven Beeinträchtigungen. Nach Auffassung der SUVA stehen diese in Zusammenhang mit den Nacken-/Kopfschmerzen und sind bei der Bemessung des Integritätsschadens von 20 %, welche in Anlehnung an die Tabelle 7 (Integritätsentschädigung bei Wirbelsäulenaffektionen) erfolgte, berücksichtigt worden. Dagegen vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, es handle sich um Folgen einer traumatisch bedingten Hirnverletzung, welche als eigenständiger Integritätsschaden zu beurteilen sei. 
3.2 Mit dem kantonalen Gericht, auf dessen Erwägungen auch in tatbeständlicher Hinsicht verwiesen wird, ist festzustellen, dass die Neurologen weder klinisch, noch radiologisch objektive Befunde erheben konnten, die eine Hirnläsion belegten. Eine psychogene Ursache fiel nicht in Betracht. Entscheidend für die Diagnostizierung einer Hirnverletzung war deshalb, ob der Versicherte beim Unfall vom 2. November 1998 eine Amnesie erlitten hat. Weder dem Bericht des am Unfalltag aufgesuchten erstbehandelnden Arztes (Bericht des Dr. med. K.________, Arzt für Allg. Medizin FMH vom 30. November 1998), noch dem Rapport der Polizei Y.________, Verkehrsabteilung Verkehrsaufsicht, vom 3. November 1998 sind Anhaltspunkte für einen Kopfanprall oder einen Bewusstseinsverlust zu entnehmen. Gemäss Protokoll der SUVA vom 23. Dezember 2001 verneinte der Versicherte ausdrücklich, den Kopf andernorts als an der Nackenstütze angeschlagen zu haben oder bewusstlos geworden zu sein. Auch das planmässige Vorgehen des Versicherten unmittelbar im Anschluss an den Unfall (Anhalten des Fahrzeugs am rechten Strassenrand; telefonische Benachrichtigung der Polizei; Anruf beim Vater, damit dieser ihn abhole; vgl. Bericht des Dr. med. S.________, Neurologie FMH, vom 21. Dezember 1998) spricht gegen eine massgebende Bewusstseinsstörung. Daher bleibt eine für die Diagnose einer leichten traumatischen Hirnverletzung vorausgesetzte Amnesie fraglich. 
3.3 In Anbetracht dieser Umstände kann, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass der Beschwerdeführer beim Unfall vom 2. November 1998 eine Hirnverletzung erlitten hat. Die neuropsychologisch dokumentierten Ergebnisse allein reichen für eine solche Annahme nicht aus. Vielmehr ist plausibel, dass die vorliegenden neuropsychologischen Befunde (diskrete Konzentrationsstörung; leichte mentale Ermüdbarkeit) auf die erlittene HWS-Distorsion mit Nacken-/ Kopfschmerzen zurückzuführen sind, zumal sie typische Symptome des Beschwerdebilds nach HWS-Schleudertrauma bilden können (vgl. Erw. 2.1 hievor). Damit besteht kein Anlass, den Anspruch auf Integritätsentschädigung in Anlehnung an die SUVA-Tabelle 8 (Integritätsschaden bei psychischen Folgen von Hirnverletzung) zu beurteilen. Das kantonale Gericht hat zu Recht eine Erhöhung der von der SUVA zugesprochenen Integritätsentschädigung abgelehnt. 
3.4 Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen sind nicht stichhaltig. Dr. med. B.________ hat im Bericht vom 9. März 2006 gestützt auf einschlägige Literatur nachgewiesen, dass die biomechanische Definition des Schleudermechanismus bei Heckauffahrkollisionen als "non-head-contact mechanism" den Kopfanprall an einer Nackenstütze miteinschliesst. Nach medizinischer Erfahrung ist die Annahme einer Hirnverletzung mit oder ohne Kopfanprall gegen die Nackenstütze (oder eine andere weiche Struktur) nur wahrscheinlich, wenn der Unfallpatient beim Unfall sofort bewusstlos geworden ist. Auf die beantragte Einholung eines biomechanischen Gutachtens zur Frage, ob der Versicherte den Kopf an einer festen Struktur im Fahrzeuginnern angeschlagen hat, ist zu verzichten. 
 
Sodann trifft das Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Vorinstanz habe die Angaben des Versicherten "negiert", nicht zu. Sie hat sich vielmehr mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass in mehreren ärztlichen Berichten aufgrund der anamestischen Auskünfte des Versicherten eine Amnesie erwähnt wird, gelangte aber zum Schluss, dass sich diese, den initialen Angaben zum Unfallhergang gegenübergestellt, nicht zur Annahme einer dabei erlittenen Gedächtnislücke verdichteten. Im Übrigen wies Dr. med. B.________ (Berichte vom 14. April 2005 und 9. März 2006) auf unfallmedizinische Nachforschungen hin, wonach spätere Aussagen eines Patienten gegenüber Erstauskünften mit einem unvergleichlich höheren Risiko behaftet sind, durch Gespräche mit Aussenstehenden (wie ärztliche Befragung) oder andere Faktoren beeinflusst zu sein ("false memory theory"). Auf die beantragten beweismässigen Weiterungen in medizinischer Hinsicht ist zu verzichten. Der Gesundheitszustand des Versicherten ist umfassend exploriert worden, und es ist nicht zu erwarten, dass zusätzliche medizinische Untersuchungen zu neuen Erkenntnissen führen (antizipierte Beweiswürdigung; vgl. BGE 124 V 90 E. 4b S. 94, 122 V 157 E. 1d S. 162 mit Hinweis). 
4. 
4.1 Streitig ist schliesslich die Bestimmung eines allenfalls bestehenden Invaliditätsgrades, welcher anhand der aus der gesundheitlichen Beeinträchtigung folgenden Einbusse an Erwerbskraft auszudrücken und mittels eines Einkommensvergleichs zu ermitteln ist (vgl. Art. 16 ATSG und Art. 18 Abs. 2 UVG). Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen). Dabei ist vom Grundsatz auszugehen, dass der ausgerichtete Lohn normalerweise der geleisteten Arbeit entspricht. Abweichungen unterliegen strengen Beweisanforderungen (BGE 117 V 8 E. 2c/aa S. 18 mit Hinweisen). 
 
Beim Valideneinkommen bleibt anderseits als Bezugsgrösse der zuletzt vor dem Unfall erzielte Verdienst grundsätzlich bestehen, ausser es finden sich genügend konkrete Anhaltspunkte für eine berufliche Weiterentwicklung. Im Rahmen der erstmaligen Rentenfestsetzung genügen blosse Absichtserklärungen des Versicherten regelmässig nicht. Vielmehr muss die Absicht, beruflich weiterzukommen, bereits durch konkrete Schritte kundgetan worden sein (BGE 96 V 29; EVGE 1968 S. 93 E. 2a, M 19/67; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 E. 3b, U 110/92). 
4.2 Der Beschwerdeführer nahm die Arbeit bei der X.________ AG am 30. März 1999 wieder vollzeitlich auf. Nach anfänglichen Schwierigkeiten stabilisierte sich sein Leistungsvermögen. Der Einwand in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, das Pflichtenheft sei aus gesundheitlichen Gründen reduziert worden und damit einhergehend seien Lohnsteigerungen verunmöglicht worden, ist nicht spezifiziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme der Arbeitgeberin vom 8. Juni 2004. Es liegt keine überzeugende Begründung vor, weshalb die Verlangsamung des beruflichen Aufstiegs mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 2. November 1998 zurückgeführt werden kann. Es fehlt an einer konkreten Darlegung der tatsächlichen Lohnentwicklung und damit an einer Konkretisierung der geltend gemachten erwerblichen Auswirkungen. Mit der Vorinstanz ist daher ein Anspruch auf Invalidenrente der Unfallversicherung abzulehnen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
Luzern, 13. Dezember 2007 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Grunder