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[AZA] 
C 223/99 Gi 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Maillard 
 
Urteil vom 14. Februar 2000  
 
in Sachen 
 
P.________, 1935, Beschwerdeführerin, vertreten durch 
Fürsprecher M.________, 
 
gegen 
 
Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Abteilung 
Arbeitsmarkt, Laupenstrasse 22, Bern, Beschwerdegegner, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Mit Verfügung vom 13. Februar 1998 forderte das 
Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), 
Bern, von der 1935 geborenen P.________ zu Unrecht bezogene 
Arbeitslosenentschädigung im Betrag von Fr. 3026.50 zurück, 
welche es mit der rückwirkend zugesprochenen IV-Rente ver- 
rechnete. Nachdem diese Verfügung in Rechtskraft erwachsen 
war, stellte P.________ am 13. Oktober 1998 ein Gesuch um 
Erlass der Rückerstattung, welches das KIGA mit Verfügung 
vom 12. Januar 1999 als gegenstandslos abschrieb. 
 
    B.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die 
hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. Mai 1999 
ab, soweit es darauf eintrat. 
 
    C.- P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
führen mit dem Begehren, der vorinstanzliche Entscheid sei 
aufzuheben und das KIGA zu verpflichten, ihr Fr. 3026.50 
auszuzahlen; eventuell sei die Sache an das KIGA zurückzu- 
weisen, damit es auf das Erlassgesuch materiell eintrete. 
    Das KIGA verzichtet auf eine Stellungnahme zur Verwal- 
tungsgerichtsbeschwerde, während sich das Staatssekretariat 
für Wirtschaft (seco) nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht 
um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleis- 
tungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht 
nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht 
verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Miss- 
brauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachver- 
halt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter 
Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt 
worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und 
b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
    2.- a) Nach Art. 95 AVIG hat die Kasse Leistungen der 
Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, 
zurückzufordern (Abs. 1 Satz 1). War der Leistungsempfänger 
beim Bezug gutgläubig und würde die Rückerstattung eine 
grosse Härte bedeuten, so wird sie auf Gesuch hin ganz oder 
teilweise erlassen (Abs. 2 Satz 1). 
 
    b) Im vorliegenden Fall lautet das Dispositiv der Ver- 
fügung vom 12. Januar 1999 wohl auf Abschreibung des Er- 
lassgesuches infolge Gegenstandslosigkeit. Nach der in BGE 
120 V 496 zusammengefassten Rechtsprechung sind indessen 
Verwaltungsverfügungen - unter Vorbehalt der Problematik 
von Treu und Glauben - nicht nach ihrem Wortlaut, sondern 
nach ihrem tatsächlichen rechtlichen Bedeutungsgehalt zu 
verstehen. Unter diesem Gesichtswinkel ist festzustellen, 
dass das KIGA in der Verfügung vom 12. Januar 1999 unter 
Tatbestand und Begründung unter anderem ausgeführt hat, 
wenn die Rückforderung mittels einer direkten Verrechnung 
zwischen zwei Sozialversicherungsträgern vollstreckt werde, 
könne es gar nie zu einem Eingriff in das Vermögen des 
Rückerstattungspflichtigen kommen, weshalb es die Erlass- 
voraussetzung der grossen Härte verneinte. Damit hat es die 
Erlassfrage jedenfalls auch materiell geprüft und abgewie- 
sen, was in klarem Widerspruch zum Dispositiv steht. Die 
erwähnte Verfügung ist daher nach dem Gesagten als mate- 
rieller Entscheid zu verstehen, mit dem das Erlassgesuch 
vom 13. Oktober 1998 abgewiesen wurde. Damit erübrigt sich 
die Prüfung der Frage, ob mit der Rückerstattungsverfügung 
vom 13. Februar 1998 auch über die Verrechnung bereits 
rechtskräftig entschieden worden und deshalb das Erlassge- 
such gegenstandslos geworden sei. Dies ist im Übrigen ange- 
sichts der von der Beschwerdeführerin zutreffend erwähnten 
Rechtsprechung, wonach die Rechtskraft der Verfügung, durch 
welche die Kasse den zurückzuerstattenden Betrag festgelegt 
hat, nicht hindert, den zur Verrechnung gebrachten Betrag 
im Rahmen des Erlassverfahrens zu überprüfen, da die Ver- 
rechnung nur eine Form der Vollstreckung der Rückerstat- 
tungsverpflichtung darstellt (BGE 116 V 297 Erw. 5b), im- 
merhin zu bezweifeln. 
 
    3.- Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Ent- 
scheid zutreffend dargelegt, dass der Anwendungsbereich des 
Erlasses durch die Rechtsprechung dort eine Einschränkung 
erfahren hat, wo der Verwaltung die Möglichkeit der Ver- 
rechnung offen steht. Danach fällt bei der Verrechnung ein 
Erlass nur dann in Betracht, wenn sie mit laufenden oder 
künftig fällig werdenden Leistungen erfolgt. Anderes gilt 
jedoch, wenn es darum geht, dem Versicherten bereits ausbe- 
zahlte Leistungen durch gleich hohe, unter anderem Titel 
geschuldete zu ersetzen und die beiden Betreffnisse mitein- 
ander zu verrechnen. Hier besteht lediglich ein anderer 
Rechtsgrund für die geschuldeten Leistungen; das Vermögen 
des Rückerstattungspflichtigen erfährt keine Veränderung, 
die zu einem Härtefall im Sinne von Art. 47 Abs. 1 AHVG 
führen kann, weshalb die Frage des Erlasses nicht zu prüfen 
ist. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz 
des Sozialversicherungsrechts, der stets angewendet werden 
muss, wenn der Erlass einer verrechnungsweise geltend ge- 
machten Rückforderung zu prüfen ist (BGE 122 V 226 Erw. 5c 
mit Hinweis). Die in diesem Urteil im Übrigen vorgenommene 
Präzisierung der Rechtsprechung betrifft den vorliegend zu 
beurteilenden Sachverhalt nicht. 
    Da der Beschwerdeführerin rückwirkend ab 1. Februar 
1996 und damit für einen Zeitraum, für den sie bereits (zu 
hohe) Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen hatte, 
eine halbe Rente der Invalidenversicherung ausgerichtet 
wurde, sind die Voraussetzungen zur Verrechnung bereits 
ausbezahlter Leistungen der Arbeitslosenversicherung mit 
denjenigen der Invalidenversicherung unbestrittenermassen 
erfüllt. Damit steht die Möglichkeit des Erlasses nach 
konstanter Rechtsprechung ausser Frage. Daran ändert der 
Hinweis der Beschwerdeführerin auf Art. 79 Abs. 1quater  
AHVV nichts, wonach bei Vorliegen der Gutgläubigkeit die 
Rückerstattung unabhängig davon, ob eine grosse Härte vor- 
liegt, zu erlassen ist, wenn die Rückerstattungsschuld den 
Betrag der halben jährlichen Minimalrente (im Zeitpunkt der 
Verfügung Fr. 6030.-) nicht übersteigt. In dem zur Publika- 
tion vorgesehenen Urteil H. vom 21. Januar 2000, C 301/98, 
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nämlich er- 
kannt, dass Art. 79 Abs. 1quater AHVV gesetz- und verfas- 
sungswidrig und daher nicht anwendbar ist (Erw. 3c und d). 
 
    4.- Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versiche- 
rungsgericht ist kostenpflichtig, weil Streitigkeiten über 
den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Ver- 
sicherungsleistungen nach ständiger Praxis nicht unter die 
in Art. 134 OG für die Bewilligung oder Verweigerung von 
Versicherungsleistungen vorgesehene Ausnahmeregelung fal- 
len. Die Gerichtskosten sind von der unterliegenden Be- 
schwerdeführerin zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung 
mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.  
 
II. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwer-  
    deführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kosten- 
    vorschuss verrechnet. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-  
    richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
    Abteilung, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe 
    und Arbeit, Abteilung Arbeitslosenkasse, Bern und dem 
    Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
 
Luzern, 14. Februar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: