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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_641/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. März 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichter Herrmann, Schöbi, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dominic Frey, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Erhard Pfister und Vera Theiler, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Eigentumsverletzung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, 1. Zivilkammer, vom 28. Juni 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. C.________ (Klägerin) ist die Eigentümerin des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks U.________-KTN xxx in V.________. Sie hat dieses von ihrem Vater, D.A.________, geerbt. Im Jahre 1960 hatte dieser davon das Grundstück U.________-KTN yyy abparzelliert und seinem Bruder E.A.________ übertragen. Letzterer erstellte darauf ein Haus mit drei Wohnungen. Das Grundstück KTN yyy, das vollständig von der Parzelle KTN xxx umgeben ist, steht aktuell im Eigentum von A.A.________ und B.________ (Beklagte).  
 
A.b. Nachbarliche Unstimmigkeiten verschiedenster Art veranlassten die Klägerin, am 13. November 2012 gegen die Beklagten auf Eigentumsfreiheit zu klagen. Nebst anderem beantragte sie, die Beklagten seien zu verpflichten, die auf den im Plan "Detailaufnahmen" der F.________ AG blau, gelb, rot und rot-schraffierten Flächen des Grundstücks KTN xxx befindlichen Bauten und Anlagen innert richterlich zu setzender Frist zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand (Wiesland) wieder herzustellen. Widerklageweise beantragten die Beklagten, die ausserhalb der Grundstücksgrenzen auf Parzelle KTN xxx liegenden Anlagen und Bauten, im Plan "Detailaufnahmen" der F.________ AG blau, gelb und rot eingezeichnet, seien in Anwendung von Art. 674 Abs. 3 ZGB im Umfang von ca. 33.1 m2 zur Parzelle KTN yyy, Grundbuch U.________, zu schlagen. Mit Urteil vom 14. September 2015 hiess das Bezirksgericht Höfe die Klage gut und wies die Widerklage ab.  
 
B.   
Das Kantonsgericht Schwyz hiess die von den Beklagten ergriffene Berufung teilweise gut. Es wies die auf dem Plan "Detailaufnahmen" der F.________ AG  blaueingezeichnete Flächen von 3 m2 des Grundstücks KTN xxx, Grundbuch U.________, gegen Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 200.-- zum Grundstück KTN yyy, Grundbuch U.________, zu. Hinsichtlich der  rot und  gelbeingezeichneten Flächen wies das Kantonsgericht die Berufung ab (Urteil vom 28. Juni 2016).  
 
C.   
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 5. September 2016 beantragen die Beklagten dem Bundesgericht, den Beseitigungsbefehl aufzuheben und die "auf dem Plan 'Detailaufnahmen' der F.________ AG  blau und  rot eingezeichneten Flächen" von 33.0 m2 des Grundstücks KTN xxx, Grundbuch U.________, gegen Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 5'200.-- zum Grundstück KTN yyy, Grundbuch U.________, zuzuweisen. Die im erwähnten Plan  gelbeingezeichnete Fläche ist nicht mehr im Streit.  
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Endentscheid (Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG) in einer Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert (Art. 74 Abs. 1 Bst. b BGG); die rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 Bst. b und Art. 45 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde in Zivilsachen steht somit offen.  
 
1.2. Das Kantonsgericht hat den Beklagten die im Plan "Detailaufnahmen" der F.________ AG  blaueingezeichnete Flächen von 3 m2 des Grundstücks KTN xxx gegen Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 200.-- zum Grundstück KTN yyy zugewiesen (Dispositiv-Ziff. 1b). Die Klägerin hat das Urteil nicht angefochten, so dass das angefochtene Urteil mit Bezug auf die  blaueingezeichnete Fläche rechtskräftig wurde; ein schützenswertes Interesse an der Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils haben die Beklagten nicht. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.  
 
1.3. Anfechtungsobjekt ist das Urteil des Kantonsgerichts vom 28. Juni 2016. Nicht einzutreten ist auf Rügen, die das Urteil des Bezirksgerichts betreffen (Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil es mit keinem Wort begründe, warum es über eine nicht streitige Tatsache Beweis führe, Unterlassung einer Beweisverfügung usw.).  
 
2.   
Die Beklagten beanspruchen die fragliche Grundstücksfläche gestützt auf Art. 674 Abs. 3 ZGB
 
2.1. Mit der Marginalie "Überragende Bauten" sieht Art. 674 ZGB vor, dass Bauten und andere Vorrichtungen, die von einem Grundstück auf ein anderes überragen, Bestandteil des Grundstückes verbleiben, von dem sie ausgehen, wenn dessen Eigentümer auf ihren Bestand ein dingliches Recht hat (Abs. 1), und dass das Recht auf den Überbau als Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden kann (Abs. 2). Ist ein Überbau unberechtigt, und erhebt der Verletzte, trotzdem dies für ihn erkennbar geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch, so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, dem Überbauenden, der sich in gutem Glauben befindet, gegen angemessene Entschädigung das dingliche Recht auf den Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen werden (Abs. 3).  
 
2.2. Das Kantonsgericht erwog, die Beklagten bestritten nicht, über die westliche Grundstücksgrenze hinaus eine Fläche von 30 m2eingezäunt zu haben und als Garten zu nutzen. Das Bezirksgericht habe dem umzäunten Garten die Qualität einer Überbaute abgesprochen, was die Beklagten im Berufungsverfahren mit der Begründung bestritten, der Zaun sei auf einer massiven Einfriedungsmauer einbetoniert und die Fläche unterirdisch mit einer Betonplatte direkt mit dem Haus verbunden. Diese Behauptung sei eine neue Tatsache, deren novenrechtliche Zulässigkeit die Beklagten nicht begründeten, weshalb sie unbeachtlich sei. Im Übrigen behaupteten die Beklagten nicht, dass die Einfriedungsmauer mit dem Haus bautechnisch-funktional verbunden wäre, weshalb kein Grund bestehe, auf die Beurteilung der Vorinstanz zurückzukommen.  
 
2.3. Die Beklagten machen demgegenüber geltend, zu beweisen seien bestrittene Tatsachen (Art. 150 Abs. 1 ZPO). Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass es sich bei der Grenzmauer und der Betonplatte um einen Überbau im Sinne von Art. 674 ZGB handle. Auch sie, die Beklagten, hätten nie bestritten, dass es sich bei der Grenzmauer und der Betonplatte um eine Überbaute handle. Aus diesen Gründen habe darüber kein Beweis abgenommen werden müssen.  
 
2.3.1. In einem Verfahren, das wie hier vom Verhandlungsgrundsatz beherrscht ist, haben die Parteien dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben (Art. 55 Abs. 1 ZPO); gestützt darauf wendet das Gericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Die Parteien trifft insofern die Behauptungslast. Welche Tatsachen zu behaupten sind, hängt vom Tatbestand der Norm ab, auf die der geltend gemachte Anspruch abgestützt wird. Die Parteien haben alle Tatbestandselemente der materiellrechtlichen Normen zu behaupten, die den geltend gemachten Anspruch begründen (Urteil 4A_427/2016 vom 28. November 2016 E. 3.3).  
 
2.3.2. Ein Überbau im Sinne von Art. 674 Abs. 3 ZGB ist eine Baute, die von einem Grundstück auf ein anderes überragt (Art. 674 Abs. 1 ZGB). Bauten sind Vorrichtungen, welche mithilfe der Technik ober- oder unterirdisch mit dem Boden fest und dauernd verbunden sind (Art. 667 Abs. 2 ZGB; HAAB, Zürcher Kommentar, N. 14 zu Art. 667 ZGB). Die Baute muss zudem  überragen. Mit anderen Worten muss es eine bautechnisch-funktionale Verbindung geben zwischen einer Baute auf dem Ausgangsgrundstück und dem auf das Nachbargrundstück überragenden Bauteil (BGE 127 III 10 E. 2c/cc).  
Im Zusammenhang mit Art. 674 Abs. 3 ZGB ist Rechtsfrage, ob die streitgegenständliche Baute ein Überbau ist. Tatfrage ist hingegen, ob eine bautechnisch-funktionale Verbindung zwischen einer Baute auf dem Ausgangsgrundstück und dem auf dem Nachbargrundstück liegenden Bauteil gibt. 
 
2.3.3. Aus der Kombination der beiden soeben dargelegten Grundsätze ergibt sich ohne Weiteres, dass die Beklagten als Widerkläger eine bautechnisch-funktionale Verbindung zwischen der auf dem Grundstück KTN xxx liegenden Einfriedungsmauer und dem auf dem Grundstück KTN yyy liegenden Haus hätten behaupten müssen. In der Klageantwort und Widerklage vom 30. Januar 2013 ist dies nicht geschehen. Aus dem Protokoll des Augenscheins vom 26. Mai 2014 geht auch nicht hervor, dass dieser Sachverhaltskomplex thematisiert worden wäre; dort wird einiges festgestellt, jedoch nichts im Zusammenhang mit der Einfriedungsmauer. Mangels diesbezüglicher Behauptungen und entsprechenden Feststellungen tatsächlicher Art durfte das Bezirksgericht der Einfriedungsmauer und dem darauf aufgebauten Zaun die Qualität als Überbau absprechen, und folglich durfte das Kantonsgericht die erst in der Berufung vorgetragenen Tatsachenvorbringen als neu und unzulässig betrachten (Art. 317 Abs. 1 ZPO; zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil 5A_819/2015 vom 24. November 2016 E. 4.1).  
 
2.4. Die Beklagten vertreten allerdings die Ansicht, die Klägerin habe den Überbau anerkannt, weshalb von vornherein kein Beweis darüber habe geführt werden müssen.  
 
2.4.1. Tatsachen, welche die Parteien übereinstimmend vortragen bzw. welche der Prozessgegner nicht bestreitet, binden das Gericht. Dieses führt grundsätzlich nur über streitige Tatsachen Beweis (Art. 150 Abs. 1 ZPO). Das Anerkennen oder das Unterlassen der Bestreitung kann sich indessen nur auf behauptete Tatsachen beziehen, nicht aber auf gar nie behauptete Tatsachen und erst recht nicht auf die rechtliche Qualifikation, denn es ist Aufgabe des Gerichts, das Recht von Amtes wegen anzuwenden. Davon zu unterscheiden sind Zugeständnisse des Prozessgegners, wie sie allenfalls in den Rechtsbegehren zum Ausdruck kommen und das Gericht kraft der Dispositionsmaxime binden (Art. 58 Abs. 1 ZPO).  
 
2.4.2. Wie in E. 2.3.2 oben erläutert, ist es eine Rechtsfrage, ob eine Baute als Überbau im Sinne von Art. 674 Abs. 3 ZGB zu gelten hat. Selbst wenn die Klägerin, wie die Beklagten ausführen, in ihren Rechtsschriften den Begriff des Überbaus verwendet, ist darin kein verbindliches Anerkenntnis tatsächlicher Art zu sehen. Dies gilt hier umso mehr, als die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt Tatsachen behauptet haben, die sich auf eine bautechnisch-funktionale Verbindung zwischen der streitgegenständlichen Einfriedungsmauer und dem Haus beziehen.  
 
2.5. Bei diesem Ergebnis ist dem Argument der Beklagten, die Anordnung der Entfernung der Einfriedungsmauer sei unter allen Titeln unverhältnismässig, die Grundlage entzogen. Ohnehin wären die erstmals im Verfahren vor Bundesgericht behaupteten und durch eine Offerte zum Beweis verstellten Folgekosten neu und folglich unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG); es kann keine Rede davon sein, dass dieser Themenkomplex erst gestützt auf den angefochtenen Entscheid rechtliche Relevanz erlangt hat.  
 
3.   
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Beklagten werden somit unter solidarischer Haftbarkeit kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG), haben der Klägerin hingegen keine Parteientschädigung auszurichten, zumal keine Vernehmlassungen eingeholt wurden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: von Roten