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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1429/2022  
 
 
Urteil vom 14. März 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiber Brugger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Géraldine Walker, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versuchter Raub, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zürich, II. Strafkammer, 
vom 27. September 2022 (SB220099-O/U/ad). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A.________ am 14. Oktober 2021 wegen Nötigung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer unbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.--. 
 
B.  
Dagegen ging die Staatsanwaltschaft beim Obergericht des Kantons Zürich in Berufung. Dieses verurteilte A.________ am 27. September 2022 wegen versuchten Raubs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten und ordnete eine Landesverweisung von 5 Jahren samt Ausschreibung im Schengener Informationssystem an. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben. Er sei wegen Nötigung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 30.-- zu verurteilten. Von einer Landesverweisung sei abzusehen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung. 
 
1.1. Diese kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 145 IV 154 E. 1.1; 143 I 310 E. 2.2; je mit Hinweisen; vgl. zum Begriff der Willkür: BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 III 564 E. 4.1; je mit Hinweisen).  
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1-2.2.3.3; 143 IV 500 E. 1.1; je mit Hinweisen; vgl. zum Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel: BGE 145 IV 154 E. 1.1 mit Hinweisen; Urteil 6B_323/2021 vom 11. August 2021 E. 1.3, nicht publiziert in: BGE 147 IV 534). 
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, andernfalls darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1; 145 IV 154 E. 1.1; 143 IV 500 E. 1.1; 142 II 206 E. 2.5; 142 I 135 E. 1.5; je mit Hinweisen). 
 
1.2. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe mit einer Prostituierten in deren Zimmer geschlechtlich verkehrt. Als sie sich danach am Hintereingang der Liegenschaft von ihm habe entfernen wollen, habe er am Riemen ihrer Handtasche gezogen. Der Riemen sei gerissen und die Prostituierte rückwärts zu Boden gegangen. Der Beschwerdeführer habe sich über sie gebeugt und ihr die Handtasche entrissen, obwohl sie sich mit Händen und Füssen gewehrt habe. Danach sei er mit der Handtasche geflüchtet. Die Prostituierte habe durch den Sturz einen mehrfachen Bruch des linken Handgelenks erlitten.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Die Vorinstanz hält fest, der äussere Handlungsablauf sei durch Videoaufnahmen erstellt. Die Handgelenksfraktur sei ärztlich dokumentiert. Zu Gunsten des Beschwerdeführers geht die Vorinstanz davon aus, dass die Prostituierte ihm mehr Geld abnahm, als ihr zustand. Mit Blick auf dieses Geld habe er in rechtfertigender Selbsthilfe und ohne Bereicherungsabsicht gehandelt. Dies gelte jedoch nicht für das übrige Bargeld und allfällige Wertsachen in der Handtasche, denn darauf habe er keinen Anspruch gehabt. Er habe zumindest in Kauf genommen, sich mehr anzueignen, als ihm zustand.  
 
1.3.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe die heftige Gegenwehr der Prostituierten gebrochen, um die Handtasche zu behändigen. Selbst wenn zu seinen Gunsten angenommen werde, er habe beabsichtigt, ihm zustehendes Geld zurückzuholen, so stehe ausser Frage, dass er auch in Kauf nahm, dass die Handtasche mehr Geld und weitere Wertgegenstände beinhaltet, woran er keine Berechtigung gehabt habe. Es sei evident, dass seine Bereicherungsabsicht auch darauf gegangen sei. Die Vorinstanz geht aber zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass die Handtasche leer war. Entsprechend verurteilt sie ihn bloss wegen versuchten Raubs.  
 
1.4. Was der Beschwerdeführer dagegen vorträgt, verfängt nicht.  
Er macht geltend, eine Bereicherungsabsicht entfalle, wenn man gestützt auf seine Aussagen davon ausgehe, er habe nur zurückholen wollen, was ihm zu Unrecht weggenommen worden war. Damit begründet er keine Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung. Vielmehr übt er bloss unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Beweisergebnis. Zudem verkennt er, dass Willkür nach ständiger Rechtsprechung nur vorliegt, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist (BGE 148 IV 409 E. 2.2 mit Hinweisen). Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 374 E. 3.2.2 mit Hinweis). Abgesehen davon ist die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung durchaus vertretbar. Gestützt auf die Videoaufnahmen ist erstellt, dass der Beschwerdeführer die Handtasche der Prostituierten gewaltsam an sich riss und damit flüchtete. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie erwägt, der Beschwerdeführer habe damit zumindest in Kauf genommen, sich auch den ihm nicht zustehenden Inhalt der Handtasche anzueignen. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anklageprinzips. Die Anklage werfe ihm Raub vor, während die Vorinstanz ihn wegen versuchten Raubs verurteile. Darin liegt offensichtlich keine Verletzung des Anklageprinzips. Denn das Gericht ist gestützt auf Art. 350 Abs. 1 StPO in der rechtlichen Würdigung des Tatvorwurfs frei und nur an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt gebunden (Urteil 6B_492/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 2.3, nicht publiziert in BGE 141 IV 437). Indem die Vorinstanz zu Gunsten des Beschwerdeführers annahm, die Handtasche sei leer gewesen, ging sie nicht über den angeklagten Sachverhalt hinaus. 
 
1.5. Den Antrag auf Verzicht der Landesverweisung begründet der Beschwerdeführer einzig mit dem beantragten Freispruch vom Vorwurf des versuchten Raubs. Nachdem sich die Verurteilung als rechtens erweist, bleibt es auch bei der Landesverweisung, zumal die vorinstanzliche Begründung überzeugt.  
 
2.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten, da sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen ist. Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. März 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger