Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_709/2023
Urteil vom 14. März 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
Gerichtsschreiberin Gutzwiller.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________ AG,
2. B.________ AG,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Gaensli,
Beschwerdeführerinnen,
gegen
C.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Lüthi,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Handelsgericht, vom 18. August 2023 (HG 23 67).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die C.________ AG ist Eigentümerin der Grundstücke U.________-Gbbl. Nrn. vv, ww und xx. Am 25. September 2015 und 22. Dezember 2017 schloss sie mit der A.________ AG zwei Kaufrechtsverträge für die genannten Grundstücke. Dasselbe tat sie am 24. März 2022 mit der B.________ AG. Die Kaufrechtsberechtigten, beide Tochtergesellschaften der D.________ AG, haben ihre jeweiligen Kaufsrechte nicht innert Frist ausgeübt. In der Folge fanden weitere Besprechungen statt, ohne dass weitere Kaufrechtsverträge oder ein Kaufvertrag abgeschlossen worden wären. Mit Schreiben vom 10. Februar 2023 teilte die C.________ AG der B.________ AG und der D.________ AG mit, dass sie mit weiteren Kaufinteressenten in Kontakt treten werde. Am 13. März 2023 orientierte sie ihre bisherigen Gesprächspartnerinnen über den Eingang eines Kaufangebots. Mit Schreiben vom 24. März 2023 teilte die C.________ AG der D.________ AG mit, sie sei bereit, ein Kaufangebot unter Vorlage eines unwiderruflichen Zahlungsversprechens einer Schweizer Bank zu prüfen. Mit Kaufvertrag vom 14. April 2023 veräusserte die C.________ AG die streitgegenständlichen Grundstücke an einen Dritten, worüber sie die D.________ AG am 8. Mai 2023 informierte.
A.b. Mit auf den 15. Juni 2023 datiertem Gesuch gelangten die A.________ AG und die B.________ AG an das Handelsgericht des Kantons Bern (Eingang am 19. Juni 2023). Sie beantragten:
"1. In Anwendung von Art. 262 lit. c ZPO i.V.m. Art. 56 Abs. 1 lit. b GBV sei das Grundbuchamt Oberland, Dienststelle Interlaken, Schloss 2, 3800 Interlaken anzuweisen, die Grundstücke Gbbl. U.________ Nr. vv.________, Nr. xx und Nr. ww (im alleinigen Eigentum der Beklagten) mit einer Grundbuchsperre zu belegen und damit jegliche Verfügungen über vorgenannte Grundstücke zu unterbinden, bis zum Abschluss eines verbindlichen Kaufvertrages über die vorgenannten Grundstücke zwischen der A.________ AG (eventualiter der B.________ AG) und der C.________ AG.
2. In Anwendung von Art. 265 ZPO sei die Ziffer 1 hiervor superprovisorisch zu verfügen."
A.c. Mit Verfügung vom 19. Juni 2023 gab das Handelsgericht dem Gesuch superprovisorisch Folge und forderte die Gesuchstellerinnen auf, einen Kostenvorschuss sowie eine Prozesskostensicherheit zu leisten. Nach Durchführung eines einfachen Schriftenwechsels wies das Handelsgericht das Gesuch kostenfällig ab und setzte der C.________ AG eine Frist zu Einreichung einer Klage auf Ersatz des Schadens, der ihr aus der Grundbuchsperre erwachsen ist, ansonsten die geleistete Sicherheit zugunsten der Gesuchstellerinnen freigegeben werde (Entscheid vom 18. August 2023).
B.
B.a. Mit Eingabe vom 19. September 2023 wenden sich die A.________ AG und die B.________ AG (fortan: Beschwerdeführerinnen) an das Bundesgericht. Sie wiederholen ihr vor Handelsgericht gestelltes Begehren, ergänzen es aber insofern, als sie subeventualiter das Grundbuch " bis zur Erledigung einer allfälligen Erfüllungs- und/oder Schadenersatzklage zwischen den Parteien " gesperrt haben wollen. Ausserdem ersuchen sie das Bundesgericht, ihnen " Frist zur Einreichung einer ordentlichen Klage gegen die Beschwerdegegnerin anzusetzen. "
B.b. Mit Verfügung vom 21. September 2023 wies das Bundesgericht das Handelsgericht superprovisorisch an, seinen Entscheid vom 18. August 2023 bis auf weiteres nicht dem Grundbuchamt mitzuteilen.
B.c. Das Bundesgericht hat weder die kantonalen Akten noch Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist der Entscheid einer einzigen kantonalen Instanz, mit welchem sie ein vor Rechtshängigkeit eines Hauptsacheverfahrens gestelltes Gesuch um vorsorgliche Anordnung von zivilrechtlichen Verfügungsbeschränkungen und Grundbuchsperren mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert abgewiesen hat (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b und Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG ).
1.2. Selbständig eröffnete Massnahmenentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens bzw. unter der Bedingung, dass ein Hauptverfahren eingeleitet wird (hier: Art. 961 Abs. 3 ZGB bzw. Art. 263 ZPO), Bestand haben und im Falle der Abweisung nicht zu einem Rechtsverlust führen (Urteil 5A_108/2017 vom 14. Juli 2017 E. 1.2; vgl. BGE 137 III 589 E. 1.2 mit Hinweisen betreffend die Verweigerung der provisorischen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts), sind - unabhängig davon, ob das Gesuch gutgeheissen oder abgewiesen wurde (Urteil 4A_296/2021 vom 7. September 2021 E. 3.2 mit Hinweisen) - Zwischenentscheide im Sinn von Art. 93 BGG, gegen die die Beschwerde nur zulässig ist, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 137 III 589 E. 1.2.3; 134 I 83 E. 3.1). Dabei muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für die Beschwerdeführerinnen günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann. Eine rein tatsächliche oder wirtschaftliche Erschwernis reicht in der Regel nicht, doch genügt die blosse Möglichkeit eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtlicher Natur (BGE 141 III 395 E. 2.5). Ob ein nicht wieder gutzumachender Nachteil vorliegt, bemisst sich an den Auswirkungen des Zwischenentscheids auf die Hauptsache bzw. das Hauptverfahren (BGE 141 III 80 E. 1.2; 137 III 380 E. 1.2.2). Es obliegt den Beschwerdeführerinnen darzutun, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, deren Vorliegen springe geradezu in die Augen (BGE 142 V 26 E. 1.2; 141 III 395 E. 2.5, 80 E. 1.2
in fine; je mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerinnen übersehen den besonderen Charakter des angefochtenen Entscheids und äussern sich entsprechend nicht dazu, inwiefern ihnen mit der Abweisung ihres Gesuchs ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Ein solcher springt auch nicht geradezu in die Augen. Mangels Darlegung eines drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteils ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
1.3. Selbst wenn von einem drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil auszugehen wäre, könnte aus folgenden Gründen auf die Beschwerde nicht eingetreten werden: Massnahmenentscheide, die gestützt auf Art. 961 ZGB bzw. Art. 261 ZPO ergehen, unterstehen Art. 98 BGG. Demnach kann vorliegend nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden (Art. 98 BGG). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 149 III 81 E. 1.3 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerinnen kommen ihrer Begründungspflicht nicht nach. Soweit sie sich auf Verfassungsbestimmungen mit materiellem Gehalt berufen (Art. 11 Abs. 2 [Schutz von Treu und Glauben] und Art. 23 Abs. 2 [Vertragsfreiheit] der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 [BSG 101.1]), ist darauf nicht einzutreten, denn diese entfalten ihre Schutzwirkung grundsätzlich nur zwischen Bürger und Staat. Sie haben keine unmittelbare Drittwirkung in den Beziehungen zwischen Privaten. Daher müssten sich die Beschwerdeführerinnen mit den ihren Schutzanspruch im hier streitigen Kontext konkretisierenden zivilrechtlichen Bestimmungen auseinandersetzen und aufzeigen, inwiefern das Handelsgericht bei deren Auslegung die sich aus diesen Grundsätzen ergebenden Anforderungen verletzt haben soll. Das tun sie nicht.
Sodann ist nicht einsichtig, was die Beschwerdeführerinnen mit ihrer Behauptung,
culpa in contrahendo sei ein ungeschriebenes Verfassungsrecht, im Kontext der streitgegenständlichen Verfügungsbeschränkungen bzw. Grundstücksperren zu ihren Gunsten ableiten wollen.
Wer sich schliesslich, wie die Beschwerdeführerinnen, auf eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) beruft, kann sich nicht darauf beschränken, die Sach- oder Rechtslage aus seiner Sicht darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen (Urteil 5A_822/2022 vom 14. März 2023 E. 2.3). Vielmehr ist anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen darzutun, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 136 I 49 E. 1.4.1
in fine mit Hinweisen; 134 II 244 E. 2.2
in fine; 130 I 258 E. 1.3
in fine). Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, begründet keine Willkür (BGE 148 III 95 E. 4.1; 144 I 113 E. 7.1
in fine; 142 II 369 E. 4.3
in fine mit Hinweisen). Mit den Erwägungen des Handelsgerichts setzen sich die Beschwerdeführerinnen nicht in einer dem Rügeprinzip genügenden Weise auseinander. Namentlich legen sie nicht dar, weshalb die Erkenntnis offensichtlich unrichtig und damit willkürlich sein soll, dass sie im Grunde genommen einen Realerfüllungsanspruch geltend machen und nicht einsichtig sei, aus welcher Rechtsgrundlage sich dieser Anspruch ableiten soll. Ausführungen wie jene, sie, die Beschwerdeführerinnen, seien " von einem konkludent geschlossenen Kaufrechtsvertrag, beziehungsweise der konkludent geschlossenen Verlängerung der früheren schriftlichen Kaufverträge [
recte : Kaufrechtsverträge] " ausgegangen, sie gingen " gestützt auf Treu und Glauben weiterhin davon aus, dass eine von ihnen die drei Parzellen kaufen " könne, das Verhalten der Beschwerdegegnerin verdiene keinen Rechtsschutz, und " [a]ls Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Vertragsvollzug kann ein konkludent geschlossener Vertrag sehr wohl dienen ", bleiben appellatorisch. Soweit die Beschwerdeführerinnen schliesslich behaupten, sie hätten einen Anspruch aus
culpa in contrahendo, führen sie gleich selber aus, dass ein solcher auf das negative Vertragsinteresse gerichtet ist und sich daraus kein Realerfüllungsanspruch ergibt, also nicht für die Glaubhaftmachung einer drohenden Verletzung eines Verfügungsanspruchs als Voraussetzung für die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme herhalten kann. Entgegen ihrer Befürchtung steht es den Beschwerdeführerinnen im Übrigen auch im Fall der Abweisung des Massnahmengesuchs frei, ihre behaupteten Schadenersatzansprüche in einem ordentlichen Verfahren durchzusetzen. Aus den genannten Gründen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
2.
Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführerinnen unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ). Eine Parteientschädigung ist indes nicht geschuldet, zumal der Beschwerdegegnerin kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 25'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Bern, Handelsgericht, und dem Grundbuchamt Oberland mitgeteilt.
Lausanne, 14. März 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller