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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_190/2019  
 
 
Urteil vom 14. Mai 2019  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Graubünden, 
Ottostrasse 24, 7000 Chur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden 
vom 12. Februar 2019 (S 18 5). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1962 geborene A.________, zuletzt als Hilfsarbeiter in einer Bäckerei tätig gewesen, meldete sich am 23. April 2015 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Graubünden liess den Versicherten bei der Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI) polydisziplinär begutachten (Expertise vom 25. Januar 2017). Mit Vorbescheid vom 15. Mai 2017 gab die Verwaltung bekannt, sie werde A.________ ab dem 1. November 2015 bis 31. März 2017 eine ganze Invalidenrente zusprechen. Daran hielt sie mit Verfügung vom 28. November 2017 fest. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 12. Februar 2019 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlichen Angelegenheiten und beantragt unter Aufhebung des kantonalen Entscheids die Feststellung, dass er auch nach dem 1. April 2017 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe. Eventuell sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Beschwerdeführer reicht letztinstanzlich Berichte der psychiatrischen Dienste B.________ vom 6. März 2019 und des Spitals C.________ vom 18. März 2019 ein, die beide nach Erlass des angefochtenen Entscheids vom 12. Februar 2019 erstellt wurden. Damit handelt es sich um echte Noven, die von vornherein unbeachtlich bleiben (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 23; 140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548; 139 III 120 E. 3.1.2 S. 123). 
 
2.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
3.   
Die Vorinstanz mass dem Gutachten der ABI GmbH vom 25. Januar 2017 Beweiswert zu und stellte fest, in Anlehnung daran sei der Beschwerdeführer in einer körperlich leichten, wechselbelastenden Tätigkeit, unter Vermeidung von Rückenzwangshaltungen und Heben/Tragen von Lasten über 5 kg zumindest seit Januar 2017 im Umfang von 70 % arbeitsfähig. 
 
3.1. Der Versicherte bemängelt in erster Linie, dass die psychiatrische Untersuchung bei der ABI GmbH lediglich 55 Minuten gedauert habe. Daraus schliesst er, der Gutachter habe die Standardindikatoren (vgl. BGE 143 V 409, 418; 141 V 281) final auf seine bereits festgelegte Meinung hin begründet. Dieses Vorgehen verstosse gegen den Sinn und Zweck des differenzierten Abklärungsverfahrens und lege zu wenig Wert auf die Prüfung der Ressourcenfrage.  
Rechtsprechungsgemäss kann aus einer - verhältnismässig - kurzen Dauer der psychiatrischen Exploration nicht von vornherein auf eine Sorgfaltswidrigkeit des Gutachters geschlossen werden. Für den Aussagegehalt eines medizinischen Berichts kommt es nicht in erster Linie auf die Dauer der Untersuchung an. Massgeblich ist vielmehr, ob der Bericht inhaltlich vollständig und im Ergebnis schlüssig ist. Der für eine psychiatrische Untersuchung zu betreibende zeitliche Aufwand hängt stets von der Fragestellung und der zu beurteilenden Psychopathologie ab. Wichtigste Grundlage gutachterlicher Schlussfolgerungen bildet - gegebenenfalls neben standardisierten Tests - die klinische Untersuchung mit Anamneseerhebung, Symptomerfassung und Verhaltensbeobachtung (Urteil 8C_47/2016 vom 15. März 2016 E. 3.2.2, in: SVR 2016 IV Nr. 35 S. 109 mit Hinweis). 
Anhaltspunkte dafür, dass der Psychiater in seiner Teilexpertise die entsprechenden Vorgaben nicht bzw. nur ungenügend beachtete, sind nicht erkennbar. Von der Untersuchungsdauer kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, der Gutachter habe die Standardindikatoren final auf seine bereits festgelegte Meinung hin begründet. Er setzte sich mit diesen auseinander und äusserte sich somit u.a. auch zur Ressourcenfrage. Der Experte berücksichtigte die vom Versicherten geklagten Beschwerden (Ermüdbarkeit, Schlafstörungen, leichte Konzentrationsstörungen, negative Zukunftsperspektiven), kam jedoch zum Schluss, diese hätten keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit, weshalb der Versicherte mit seinen Vorbringen, im Gutachten sei nicht dargelegt worden, wie sich diese Beschwerden auf das funktionelle Leistungsvermögen auswirken würden, nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. Mithin verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht (vgl. E. 2 oben), wenn sie der ABI-Expertise Beweiswert zukommen liess. 
 
3.2. Das kantonale Gericht würdigte die medizinischen Akten und legte ausführlich dar, weshalb die Berichte der psychiatrischen Dienste B.________ vom 30. Januar und 17. Februar 2017 nicht geeignet sind, die gutachterliche Arbeitsfähigkeitsschätzung zu entkräften. Soweit der Beschwerdeführer letztinstanzlich geltend macht, er sei mit dem ABI-Gutachten nicht einverstanden und hierzu auf die bereits vom kantonalen Gericht berücksichtigten Berichte der psychiatrischen Dienste B.________ verweist, beschränkt er sich auf die Darstellung seiner eigenen, von der Vorinstanz abweichenden Beweiswürdigung. Dass deren Schlussfolgerungen offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig sein sollen (E. 2 oben), ist damit nicht genügend geltend gemacht. Daran ändern auch die erst letztinstanzlich aufgelegten Berichte des Spitals C.________ vom 5. Oktober 2017 und der psychiatrischen Dienste B.________ vom 11. August 2018 nichts, da der Versicherte nicht darlegt, inwiefern erst der vorinstanzliche Entscheid zu deren Beibringung Anlass gab (unechte Noven; Art. 99 Abs. 1 BGG). Diese haben folglich unbeachtlich zu bleiben. Nach dem Gesagten sind die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit für das Bundesgericht verbindlich (vgl. E. 2 oben).  
 
4.   
Das kantonale Gericht erwog im Weiteren, der Versicherte könne seine Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt verwerten. Es nahm die Invaliditätsbemessung in Anwendung der Methode des Einkommensvergleichs vor (Art. 28a Abs. 1 IVG). Dabei parallelisierte es das Invalideneinkommen und ermittelte einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 18 %. 
 
4.1. Die Vorinstanz bejahte die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit für einfache Hilfstätigkeiten unter Berücksichtigung der gesundheitsbedingten Einschränkungen und unter Hinweis auf das Alter des Beschwerdeführers. Der massgebende Zeitpunkt hierfür bildete das ABI-Gutachten vom 25. Januar 2017 (BGE 138 V 457 E. 3.4 S. 462). Damals war der Beschwerdeführer 54 Jahre und acht Monate alt, womit bis zur ordentlichen Pensionierung eine Restaktivitätsdauer von rund zehn Jahren verblieb. Hier kann davon ausgegangen werden, dass diese Aktivitätsdauer klar ausreicht, um eine neue Hilfstätigkeit aufzunehmen, sich einzuarbeiten und die Arbeit auszuüben. Die Vorbringen des Beschwerdeführers (stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit und fortgeschrittenes Alter) sind nicht geeignet darzutun, dass die vom kantonalen Gericht festgestellten Einsatzmöglichkeiten unter Berücksichtigung der 70%igen Arbeitsfähigkeit und dem Leistungsprofil (vgl. E. 3 oben) auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt altersbedingt nicht nachgefragt würden und dem Versicherten deshalb eine erwerbliche Verwertung der restlichen Arbeitsfähigkeit nicht zumutbar wäre.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer moniert ausserdem, es sei nicht davon auszugehen, dass er sein stark unterdurchschnittliches Erwerbseinkommen bis zum Erreichen des ordentlichen Rentenalters weiterhin erzielt hätte. Er sei so zu stellen, wie wenn er dauerhaft über ein Bleiberecht in der Schweiz verfügen würde. Die Vorinstanz erwog zu Recht, für die Ermittlung des Valideneinkommens sei rechtsprechungsgemäss entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdienen würde, und nicht, was sie bestenfalls verdienen könnte (BGE 135 V 58 E. 3.1 S. 59 mit Hinweisen). Mit Blick darauf ermittelte das kantonale Gericht das Valideneinkommen weder offensichtlich unrichtig noch sonstwie bundesrechtswidrig (E. 2 oben) in Anlehnung an den zuletzt erzielten Lohn als Hilfsarbeiter in der Bäckerei/Konditorei. Dem Umstand, dass der Beschwerdeführer aus invaliditätsfremden Gründen (Herkunft) ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen erzielte, trug die Vorinstanz Rechnung, indem sie das statistische Invalideneinkommen parallelisierte (BGE 135 V 58 E. 3.1 a.E. S. 59 mit Hinweis).  
 
4.3. Soweit der Versicherte über die rechtsprechungsgemäss bestehende Möglichkeit des leidensbedingten Abzugs (BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80) hinaus eine zusätzliche Reduktion des ihm anzurechnenden Tabellenlohnes beansprucht, ist ihm nicht zu folgen (so bereits in Urteil 8C_11/2018 vom 5. Juli 2018 E. 6.3 und 8C_253/2017 vom 29. Juni 2017 E. 4.3.2).  
 
 
4.4. Da gemäss vorinstanzlicher Feststellung selbst bei Berücksichtigung des maximal zulässigen Abzugs vom Tabellenlohn von 25 % kein rentenbegründender Invaliditätsgrad resultiere (38,34 %), kann offen blieben, ob überhaupt und allenfalls in welcher Höhe ein solcher Abzug angemessen wäre. Bei dieser Ausgangslage beging die Vorinstanz keine Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV), wenn auch sie die Frage explizit offen liess.  
 
4.5. Nach dem Gesagten bleibt es beim angefochtenen Entscheid. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 14. Mai 2019 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber