Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_203/2010 
 
Urteil vom 14. Juli 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Wieduwilt, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Fortsetzung der Untersuchungshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 9. Juni 2010 
des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen Schändung etc. Sie verdächtigt ihn, am 7. März 2010 die widerstandsunfähige A.________ sexuell missbraucht zu haben. X.________ wurde am 11. März 2010 verhaftet und tags darauf in Untersuchungshaft versetzt. 
 
Am 9. Juni 2010 verfügte der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich die Fortsetzung der Untersuchungshaft gegen X.________ bis zum 12. September 2010. Er erwog, dieser sei der ihm vorgeworfenen sexuellen Übergriffe dringend verdächtig, und es bestehe Kollusionsgefahr. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Haftentscheid aufzuheben und ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Kantons Zürich. Eventuell sei ihm die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. 
 
C. 
Das Bezirksgericht Zürich und die Staatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG ist gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde eingetreten werden kann. 
 
2. 
2.1 Untersuchungshaft kann im Kanton Zürich (u.a.) angeordnet werden, wenn der Angeschuldigte eines Vergehens oder Verbrechens dringend verdächtig ist und die Gefahr besteht, dass er in Freiheit Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise gefährden könnte (§ 58 der Strafprozessordnung vom 4. Mai 1991, StPO). Liegt ausser dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts Kollusionsgefahr vor, steht einer Inhaftierung auch unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit von Art. 10 Abs. 2 BV grundsätzlich nichts entgegen. 
 
2.2 Unbestritten ist, dass sich A.________ am Abend des 7. März 2010 mit B.________ zu X.________ in dessen Wohnung an der Gustavstrasse in Winterhur begab, um Drogen zu erwerben. In der Wohnung ebenfalls anwesend waren C.________ und D.________. A.________ konsumierte Kokain und GBL ("KO-Tropfen"). Ihr wurde schlecht, worauf sie sich auf die Toilette begab, um zu erbrechen. Für den Haftrichter besteht aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse, insbesondere der Aussagen von A.________ und des Mitangeschuldigten D.________, der dringende Verdacht, dass A.________ in der Toilette das Bewusstsein verlor und vom Beschwerdeführer in widerstandsunfähigem Zustand sexuell missbraucht wurde. Dieser bestreitet das und macht geltend, es sei zwischen ihnen einvernehmlich zu sexuellen Handlungen (Rummachen, Knutschen, Küssen) gekommen. Als er gemerkt habe, dass sie "nicht mehr so ganz dabei" gewesen sei, sei er aufgestanden und habe sich selbst befriedigt. 
D.________ sagte am 11. März 2010 gegenüber der Polizei aus, A.________ sei nach dem Konsum von GBL schlecht geworden, worauf sie von B.________ auf die Toilette begleitet worden sei. Dieser sei nach etwa fünf Minuten zurückgekommen. Nach 10 Minuten sei er nachschauen gegangen, weil er ein schlechtes Gefühl gehabt habe. A.________ sei "wie tot" auf dem Boden der Toilette gelegen; als er sie angestupft habe, habe sie gesagt, er solle sie in Ruhe lassen. Sie sei vollständig bekleidet gewesen. Der Beschwerdeführer habe ihnen Spaghetti aufgetischt und sei dann in die Toilette gegangen, deren Tür er abgeschlossen habe. Er habe dann ein "Nei, nei, nei" von A.________ und ausserdem ein "Bum, bum-Geräusch" wie von Stössen beim Geschlechtsverkehr gehört. Sie hätten an die Toilettentür geklopft und den Beschwerdeführer erfolglos aufgefordert, diese zu öffnen. Nach rund 20 Minuten habe der Beschwerdeführer die Tür geöffnet. A.________ sei auf dem Rücken gelegen und habe keine Hose angehabt. Ihr Slip sei zur Hälfte nass gewesen. Er sei sofort davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sie vergewaltigt habe. C.________ und der Beschwerdeführer hätten A.________ dann auf das Sofa getragen. Der Beschwerdeführer habe ihr den Slip ausgezogen und die Vagina zuerst mit der Hand berührt und anschliessend mit der Zunge geleckt. Diese Aussagen bestätigte D.________ tags darauf gegenüber der Staatsanwaltschaft. 
 
2.3 Diese zeitnahe Schilderung des Geschehens ist detailreich und plausibel, und es ist nicht ersichtlich, inwiefern D.________ ein Interesse daran haben könnte, den Beschwerdeführer zu Unrecht zu belasten. Sie lässt sich zudem, jedenfalls was den äusseren Ablauf des Geschehens betrifft, in groben Zügen mit den Aussagen des Beschwerdeführers und denjenigen von A.________ vereinbaren. D.________ relativierte zwar seine früheren Aussagen in der Konfrontationseinvernahme vom 14. April 2010 teilweise, wobei er diese allerdings nicht direkt widerrief, sondern erklärte, das Geschehen wohl "irgendwie falsch aufgenommen" zu haben. Auf Nachfragen antwortete er überwiegend stereotyp, er verweigere auf Anraten seines Verteidigers weitere Aussagen und verweise auf seine früheren. Diese Änderung des Aussageverhaltens von D.________, für die er keine nachvollziehbare Begründung liefert, erscheint prima vista wenig überzeugend und ist damit jedenfalls nicht geeignet, seine belastenden früheren Aussagen ernsthaft in Frage zu stellen. Diese bleiben trotzdem geeignet, den dringenden Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer zu begründen. Was dieser in seinen langfädigen, appellatorischen Ausführungen dagegen vorbringt, lässt diese Einschätzung des Haftrichters nicht willkürlich erscheinen. Ob die Beweise gegen den Beschwerdeführer für eine Verurteilung ausreichen, ist eine andere Frage, die hier nicht zu prüfen ist. 
 
2.4 Der Ausgang des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer wird entscheidend von der Würdigung der Aussagen aller am Tatgeschehen Beteiligter - der vier Mitangeschuldigten und des Opfers - und allfälliger weiterer Zeugen abhängen. In dieser Situation hat er offenkundig ein starkes Interesse, sich mit den Mitangeschuldigten abzusprechen bzw. auf die ihn belastenden D.________ und A.________ einzuwirken. Die Voraussetzungen für die Annahme von Kollusionsgefahr sind in dieser Situation in geradezu idealtypischer Weise erfüllt, und es ist kein milderes Mittel als Untersuchungshaft ersichtlich, ihr wirksam zu begegnen. 
 
2.5 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Fortsetzung der Haft sei unverhältnismässig, begründet dies indessen einzig mit dem unzutreffenden Argument, es bestehe kein dringender Tatverdacht, weshalb die Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung tief sei. Am 12. September 2010 wird die Untersuchungshaft des Beschwerdeführers 6 Monate betragen, ihre Fortsetzung bis dahin erweist sich in Bezug auf die für den Fall einer Verurteilung zu erwartenden empfindlichen Strafe nicht als unverhältnismässig. 
 
2.6 Da es genügt, dass nebst dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts einer der besonderen Haftgründe - hier Kollusionsgefahr - gegeben ist, kann offen bleiben, ob auch Fluchtgefahr bestehe. 
 
3. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches gutzuheissen ist, da seine Bedürftigkeit ausgewiesen scheint und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen: 
 
2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
2.2 Rechtsanwalt Beat Wieduwilt, Winterthur, wird für das bundesgerichtliche Verfahren als amtlicher Verteidiger eingesetzt und mit Fr. 1'500.-- aus der Gerichtskasse entschädigt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 14. Juli 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Störi