Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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{T 0/2}
6B_1082/2013
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Urteil vom 14. Juli 2014
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Pasquini.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Erich Moser,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Versuchte räuberische Erpressung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 26. August 2013.
Sachverhalt:
A.
X.________ schickte am 27. März 2008 ein Schreiben an das Advokaturbüro A.________ und B.________. Darin verlangte er wegen einer Berufsgeheimnisverletzung die Bezahlung von Euro 350'000.-- bis Ende April. Bei Zahlungsverzug schicke er jemanden vorbei, der den beiden Anwälten oder deren Angestellten sowie eventuell Verwandten Gliedmassen abtrennen würde. Er erlaube sich auch, einen Offizier aus fremden Diensten für eine internationale Züchtigung vorbei zu schicken. Es gehe "Auge um Auge, Zahn um Zahn".
B.
Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach X.________ zweitinstanzlich der versuchten räuberischen Erpressung schuldig. Der erstinstanzliche Schuldspruch wegen Sachbeschädigung und der Freispruch vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte des Bezirksgerichts Kreuzlingen waren unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Das Obergericht verurteilte X.________ zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 12 Monaten und ordnete eine ambulante Massnahme an. Es widerrief den mit seinem Entscheid vom 29. März 2007 gewährten bedingten Vollzug für eine Geldstrafe von 21 Tagessätzen zu Fr. 120.--. Für die Überhaft sprach es X.________ eine Genugtuung von Fr. 7'000.-- zu.
C.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Dispositivziffern 1, 3-6, 8 und 9 des Urteils des Obergerichts seien aufzuheben. Er sei vom Vorwurf der versuchten Erpressung freizusprechen. Er sei zu einer bedingten Geldstrafe von höchstens 10 Tagessätzen zu Fr. 100.-- zu verurteilen. Der mit Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 29. März 2007 gewährte bedingte Vollzug für eine Geldstrafe von 21 Tagessätzen zu Fr. 120.-- sei nicht zu widerrufen. Für die Überhaft sei ihm eine Entschädigung von total Fr. 50'485.-- auszurichten. An Untersuchungskosten seien ihm höchstens Fr. 500.-- aufzuerlegen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
D.
Das Obergericht stellte den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerde und verweist auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und auf ihre bisherigen Ausführungen.
Erwägungen:
1.
Soweit der Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren neue Tatsachen vorbringt oder neue Beweismittel einreicht, ist darauf nicht einzutreten. Er legt nicht dar, inwiefern erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 134 V 223 E. 2.2.1 mit Hinweis).
2.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz spreche ihn zu Unrecht der versuchten Erpressung nach Art. 156 Ziff. 3 StGB schuldig. Die Drohungen im Schreiben seien leer und offensichtlich nicht ernst gemeint. Er habe seine Identität offengelegt und der geforderte Betrag sei viel zu hoch. Weder habe er damit gerechnet, dass diese Summe geleistet werde, noch hätten die Adressaten über eine Zahlung nachgedacht. Die Vorinstanz habe nicht geprüft, ob diese davon ausgegangen seien, dass er die Drohungen wahr machen könne. B.________ kenne ihn und habe angenommen, er habe einen Psychoschub gehabt, als er das Schreiben verfasst habe. Schliesslich habe es ihm am Vorsatz gefehlt, eine ernst gemeinte Geldforderung zu stellen. Er habe mit seinem Brief lediglich Aufmerksamkeit erzeugen und keine Angst verbreiten wollen, was ohne weiteres erkennbar gewesen sei.
2.2. Die Vorinstanz erwägt, strittig sei, ob der Beschwerdeführer einen ernstlichen Nachteil angedroht habe und wie die Adressaten die Drohung verstanden hätten. B.________ kenne ihn und wisse, dass sich seine psychische Krankheit in Schüben manifestiere. Losgelöst vom psychischen Zustand des Absenders möge die Drohung aus Sicht einer besonnenen Person absurd erscheinen. Bei Kenntnis der Persönlichkeit des Beschwerdeführers könne sie aber weder als lächerlich noch als nicht ernst gemeint abgetan werden. Daran ändere nichts, dass er gegen Personen noch nie Gewalt ausgeübt habe. Der Gutachter attestiere ihm jedenfalls eine latente Gefährlichkeit. Der Brief mache deutlich, dass der Beschwerdeführer seiner ehemaligen Rechtsvertreterin und ihrem Umfeld etwas Böses wolle. Die angedrohten Nachteile könnten auch eine besonnene Person, die um die Erkrankung des Absenders wisse, durchaus gefügig machen. Die ehemalige Rechtsvertreterin habe die Einschätzung der Situation als sehr schwierig erachtet und diese mit ihrem Büropartner, im Sekretariat und mit Verwandten besprochen. Das Sekretariat sei angewiesen worden, die Eingangstüre nicht mehr einfach zu öffnen, wenn jemand läute. Sie traue dem Beschwerdeführer zu, dass er ihr auflauere. Da sie ihn lange nicht gesehen habe, habe sie nicht einschätzen können, ob er zu einer solchen Gewalttat bereit sei. Sie habe entschieden, nichts zu unternehmen und sei von einem Psychoschub ausgegangen. Sie sei aber froh gewesen, dass die Anzeige eingereicht worden sei (Urteil S. 11-14 E. 5.b-e). Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe das Schreiben vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht verfasst. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass er keine Gewalt androhen und keine Zahlung habe erwirken wollen oder nicht an die Ernsthaftigkeit seiner Forderung geglaubt habe. Er habe sich der versuchten Erpressung schuldig gemacht. Angesichts der angedrohten Gewalt gegen Leib und Leben sei Art. 156 Ziff. 3 StGB erfüllt (Urteil S. 14 E. 5.f und g).
2.3.
2.3.1. Der Erpressung nach Art. 156 Ziff. 1 StGB macht sich schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt.
Bei der Androhung ernstlicher Nachteile stellt der Täter dem Opfer die Zufügung eines Übels in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob er die Drohung wirklich wahr machen will, sofern sie nur als ernst gemeint erscheinen soll. Ernstlich sind die Nachteile, wenn ihre Androhung nach einem objektiven Massstab geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und -betätigung zu beschränken (BGE 122 IV 322 E. 1a; Urteil 6B_47/2010 vom 30. März 2010 E. 2.2; je mit Hinweisen). Die Ernstlichkeit des Nachteils hängt nicht vom tatsächlichen Erfolg der Androhung ab, sondern vom objektiven Ausmass des angedrohten Eingriffs (BGE 96 IV 58 E. 3 S. 62 mit Hinweis).
2.3.2. Gemäss Art. 156 Ziff. 3 StGB richtet sich die Strafe nach Art. 140 StGB, wenn der Täter gegen eine Person Gewalt anwendet oder sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben bedroht.
Die Drohung muss auf eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben gerichtet sein. Die Androhung ernstlicher Nachteile genügt nicht ( PHILIPPE WEISSENBERGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 45 zu Art. 156 StGB). Die Gefahr ist unmittelbar, wenn sie weder vergangen ist noch bevorsteht, d.h. wenn sie gegenwärtig und konkret ist (BGE 122 IV 1 E. 3a S. 5 mit Hinweisen; BGE 75 IV 49 E. 2 S. 51).
2.3.3. Was der Täter wusste, wollte (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3) und ob er in Bereicherungsabsicht handelte (BGE 99 IV 6 E. 3 S. 8), betrifft so genannte innere Tatsachen und ist damit Tatfrage.
2.3.4. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist nicht an die Begründung der Parteien gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 138 II 331 E. 1.3 mit Hinweis). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht prüft es - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 135 II 384 E. 2.2.1).
2.4. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchter Erpressung verletzt kein Bundesrecht. Die Vorinstanz bejaht die Androhung ernstlicher Nachteile zu Recht und nimmt zutreffend an, die im Schreiben genannten Drohungen seien von einem Ausmass, das die Willensfreiheit einer besonnenen Person in der Lage der Adressaten eingeschränkt hätte. Auf ihre Ausführungen kann grundsätzlich verwiesen werden (Urteil S. 12-14 E. 5.c-e).
Mit seinen Einwänden zum subjektiven Tatbestand setzt sich der Beschwerdeführer über die vorinstanzlichen Feststellungen zum inneren Sachverhalt hinweg, ohne dass sich aus seinen Ausführungen ergäbe, dass und inwiefern die Beweiswürdigung der Vorinstanz und ihre Feststellungen willkürlich wären (Art. 105 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 133 II 249 E. 1.4.3; je mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist insofern nicht einzutreten. Inwiefern die Vorinstanz auf der Grundlage der von ihr festgestellten Tatsachen den Vorsatz und die Bereicherungsabsicht des Beschwerdeführers zu Unrecht bejaht, wird in der Beschwerde nicht substanziiert dargelegt und ist nicht ersichtlich.
2.5. Soweit die Vorinstanz den Beschwerdeführer aber wegen der angedrohten ernstlichen Nachteile der versuchten räuberischen Erpressung schuldig spricht, verstösst sie gegen Bundesrecht. Die Androhung ernstlicher Nachteile reicht für eine solche Qualifikation nicht aus. Zudem unterlässt es die Vorinstanz zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer angedrohte Gewalt gegen Leib und Leben gegenwärtig im Sinne von Art. 156 Ziff. 3 StGB ist. In seinem Schreiben von Ende März setzt er den Adressaten eine Zahlungsfrist von über einem Monat. Die im Falle eines Zahlungsverzugs angedrohte Gewalt ist somit nicht unmittelbar. Indem die Vorinstanz den Beschwerdeführer der versuchten qualifizierten Erpressung schuldig spricht, verletzt sie Bundesrecht.
3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die übrigen Anträge des Beschwerdeführers ist bei dieser Sachlage nicht einzugehen.
Es sind keine Kosten zu erheben ( Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG ). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gegenstandslos. Der Kanton Thurgau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Die Entschädigung ist praxisgemäss dem Rechtsvertreter auszurichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 26. August 2013 wird aufgehoben, und die Sache wird zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Der Kanton Thurgau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Erich Moser, eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Juli 2014
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini