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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_46/2009 
 
Urteil vom 14. August 2009 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber, 
Gerichtsschreiber Ettlin. 
 
Parteien 
Bundesamt für Sozialversicherungen, 
Effingerstrasse 20, 3003 Bern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Y.________, vertreten durch S.________, 
Beschwerdegegnerin, 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 5000 Aarau, 
Mitbeteiligte. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, (Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 9. September 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 17. Oktober 1996 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau der 1964 geborenen Y.________ ab 1. Januar 1994 eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu, wobei sie die Bemessung des Invaliditätsgrades von 52 % nach der Methode des Betätigungsvergleichs (Haushalt) vornahm. Die zu Grunde liegende Diagnose lautete auf Fibromyalgiesyndrom und generalisierte Tendomyopathie. Nach einem im Jahr 2002 durchgeführten Rentenrevisionsverfahren teilte die IV-Stelle der Versicherten am 23. Dezember 2002 mit, der Invaliditätsgrad betrage 51 %, weshalb sich am Rentenanspruch nichts ändere; sie wendete dabei die gemischte Methode an mit einem Erwerbsanteil von 60 % (umgewichteter Teilinvaliditätsgrad 62 %) und einem Haushaltsanteil von 40 % (Einschränkung 33 %). Eine Verfügung erliess sie nicht. Zu einer Rentenrevision kam es erneut im Jahr 2005, wobei die IV-Stelle eine polydisziplinäre Begutachtung veranlasste und eine Haushaltabklärung vornahm (Abklärungsbericht vom 17. Mai 2006). Mit Blick auf die Abklärungsergebnisse, insbesondere das interdisziplinäre Gutachten vom 23. Oktober 2007 des Instituts X.________ bei erneut ausgewiesener Fibromyalgie, verfügte die IV-Stelle die Renteneinstellung auf Ende Februar 2008. Sie begründete dies mit einem Invaliditätsgrad von nurmehr 14 % (Verfügung vom 23. Januar 2008). 
 
B. 
Die von Y.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 9. September 2008 gut. 
 
C. 
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es sei, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids, die Verfügung der IV-Stelle vom 23. Januar 2008 zu bestätigen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu geben. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Gutheissung der Beschwerde, währenddem die Versicherte deren Abweisung beantragt. 
 
D. 
Der Instruktionsrichter des Bundesgerichtes wies das Ersuchen um Erteilung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 24. März 2009 ab. 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Grundsätze über das intertemporale Recht (BGE 130 V 445), die Begriffe der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 IVG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28a Abs. 1 IVG) und bei im Haushalt tätigen Versicherten (Art. 28a Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Sodann weist der angefochtene Entscheid auf die gemischte Invaliditätsbemessungsmethode hin, welche bei Personen zur Anwendung gelangt, die zum Teil erwerbstätig sind und zum Teil im Aufgabenbereich arbeiten (Art. 28a Abs. 3 IVG). Richtig hält die Vorinstanz die Aufgabe des Arztes fest, den Gesundheitszustand zu beurteilen und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person Stellung zu nehmen (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261). Auch die Grundsätze zum Beweiswert und der Würdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352) sowie der Rentenrevision (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349; 113 V 273 E. 1a S. 275; 112 V 371 E. 2b S. 372) legt der Entscheid korrekt dar. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Versicherungsgericht mit Recht die von der Verwaltung ab 1. März 2008 verfügte Aufhebung der halben Rente der Invalidenversicherung rückgängig gemacht hat. 
 
3.1 Die ursprüngliche Rentenzusprache erfolgte mit Verfügung vom 17. Oktober 1996, wobei die Verwaltung die Bemessung des Invaliditätsgrades anhand eines Betätigungsvergleichs vornahm und auf den Abklärungsbericht Haushalt vom 15. Juli 1996 abstellte (Invaliditätsgrad von 52 %). Eine Rentenrevision führte sie im Jahr 2002 durch, womit sie erstmals die gemischte Bemessungsmethode zur Anwendung brachte. Der ermittelte Invaliditätsgrad von 51 % änderte am Leistungsanspruch jedoch nichts, und das Abklärungsresultat gab die Verwaltung der Versicherten in der Mitteilung vom 23. Dezember 2002 bekannt. Das im Jahr 2005 angehobene Rentenrevisionsverfahren schloss sie mit der hier angefochtenen Verfügung vom 23. Januar 2008 ab. Zeitliche Vergleichsbasis zu den mit Verfügung vom 23. Januar 2008 beurteilten Verhältnissen bildet demzufolge die Situation, wie sie gemäss Mitteilung vom 23. Dezember 2002 bestand. Daran ändert nichts, dass die Verwaltung im Jahr 2002 das Revisionsergebnis der Rentenbezügerin auf dem Weg einer blossen Mitteilung eröffnete; denn laut Art. 74ter lit. f IVV bedarf es keiner Verfügung, wenn die Invalidenrente nach einer von Amtes wegen durchgeführten Revision weiter ausgerichtet wird, sofern keine leistungsbeeinflussende Änderung der Verhältnisse festgestellt wird, was hier der Fall war. Eine solche Mitteilung ist, wenn keine Verfügung verlangt worden ist (Art. 74quater IVV), in Bezug auf den Vergleichszeitpunkt einer rechtskräftigen Verfügung gleichzustellen (vgl. Urteil I 526/02 vom 27. August 2003, E. 3 in: SVR 2004 IV Nr. 17, e contrario). 
 
3.2 Die Vorinstanz hat erwogen, entgegen der Annahme der Verwaltung habe sich der Gesundheitszustand der Versicherten nicht in einer für eine Rentenrevision erheblichen Weise verbessert. Es handle sich beim Gutachten des Instituts X.________ lediglich um eine andere Beurteilung eines im Wesentlichen gleichbleibenden Sachverhalts. Diese Sachverhaltsfeststellung ist nicht offensichtlich unrichtig und wird auch vom Beschwerde führenden Bundesamt ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Sie ist daher für das Bundesgericht verbindlich (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). Sodann haben sich auch die erwerblichen Verhältnisse zwischen dem Vergleichszeitpunkt (23. Dezember 2002, vgl. E. 3.1) und dem Beurteilungszeitpunkt nicht geändert, ist doch beide Male von einer Aufteilung Erwerbstätigkeit/Haushalt vom 60:40 ausgegangen worden. Zufolge des Gesagten steht für das Bundesgericht verbindlich fest, dass die Abänderung der Invalidenrente unter dem Gesichtswinkel der Revision gemäss Art. 17 ATSG ausser Betracht fällt, was gleichermassen mit Bezug auf eine von der Vorinstanz ebenfalls abgelehnte wiedererwägungsweise Rentenaufhebung gilt, rügt doch das Bundesamt den Entscheid vom 9. September 2008 auch insofern nicht als bundesrechtswidrig. 
 
4. 
4.1 Die Vorinstanz hat weiter geprüft, ob eine Neubeurteilung unter dem Gesichtspunkt einer veränderten Rechtsprechung zulässig sei. Sie hat diese Frage in Bezug auf die zu beurteilenden erwerblichen Auswirkungen einer Fibromyalgie im Hinblick auf die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 132 V 65, 131 V 49, 130 V 352) grundsätzlich bejaht, indessen geprüft, ob im konkreten Fall eine Aufhebung der Rente verhältnismässig sei, und diese Frage aufgrund einer Abwägung im Einzelfall verneint. Das BSV ist demgegenüber der Meinung, eine solche Güterabwägung sei unzulässig. Inzwischen hat das Bundesgericht mit dem zur Publikation in BGE 135 V vorgesehenen Urteil 8C_502/2007 vom 26. März 2009 entschieden, dass - entgegen der Auffassung des Beschwerde führenden Amtes und auch der grundsätzlichen Ansicht der Vorinstanz - die mit BGE 130 V 352 begründete Rechtsprechung zur (grundsätzlich nicht invalidisierenden Wirkung der) somatoformen Schmerzstörungen keinen Grund bildet für die Herabsetzung oder Aufhebung einer laufenden Rente unter dem Titel der Anpassung an geänderte Rechtsgrundlagen. Die Frage, ob eine Güterabwägung im Einzelfall durchzuführen sei, stellt sich damit nicht mehr. 
 
4.2 Das BSV verweist auf den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Art. 7 Abs. 2 ATSG, wonach für die Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen sind und eine Erwerbsunfähigkeit zudem nur vorliegt, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist. Mit Blick darauf - so das Bundesamt - bestehe für die Weiterausrichtung der Rente kein Spielraum, womit es der Versicherten die objektive Überwindbarkeit des Fibromyalgiesyndroms zumutet und dafür hält, dieser Umstand sei im Revisionsverfahren in die Anspruchsprüfung einzubeziehen. Das vorinstanzliche Gericht hat allerdings erwogen, eine Änderung des objektiven Rechts sei fraglos nicht gegeben, weshalb weitere Ausführungen hiezu unnötig seien. Mit der im Zuge der 5. IV-Revision erfolgten Anpassung des Art. 7 Abs. 2 ATSG setzte sich das kantonale Gericht jedoch nicht auseinander, obwohl diese Gesetzesänderung auf die am 23. Januar 2008 ergangene Verfügung der IV-Stelle anwendbar ist. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), weshalb nachfolgend zu prüfen ist, ob Art. 7 Abs. 2 ATSG eine die Rentenaufhebung erheischende Gesetzesänderung brachte. 
 
4.3 Wie das BSV zu Recht bemerkt, lehnte sich der Gesetzgeber mit Art. 7 Abs. 2 ATSG an die bundesgerichtliche Rechtsprechung an. Wie das Bundesgericht in dem zur Publikation in BGE 135 V vorgesehenen Urteil 9C_1009/2008 vom 1. Mai 2009 E. 7.2 erkannt hat, ist aber damit kein neuer, sondern bereits ein in BGE 102 V 165 anerkannter Grundsatz festgeschrieben worden, gemäss welchem eine Erwerbsunfähigkeit iv-rechtlich nur bei deren objektiver Unüberwindbarkeit besteht. Die Bestimmung ändert den Begriff der Erwerbsunfähigkeit folglich nicht, sondern schreibt einen Aspekt, welcher eng mit diesem zusammenhängt und der schon vor dem 31. Dezember 2007 Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat, im Gesetz fest (soeben erwähntes Urteil E. 7.3). Mit Art. 7 Abs. 2 ATSG ging folglich keine materielle Gesetzesänderung einher, welche wegen einer neuen Gesetzeslage die Revision von vor dem 1. Januar 2008 rechtskräftig verfügten Invalidenrenten verlangt. Denn bereits 1996 und 2002 - dem Jahr der erstmaligen Rentenzusprechung und der ersten Revision - war der Leistungsanspruch unter sämtlichen Aspekten zu prüfen gewesen, wie sie Art. 7 Abs. 2 ATSG festhält. 
 
4.4 Weder die Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 noch der neue Art. 7 Abs. 2 ATSG bilden nach Gesagtem hinreichenden Anlass, um unter dem Titel der Anpassung an eine geänderte Rechtslage auf Renten zurückzukommen, welche zu einem früheren Zeitpunkt mittels formell rechtskräftiger Verfügung zugesprochen worden sind. Der angefochtene Entscheid hält der Überprüfung stand, ohne dass zu entscheiden ist, ob Vorinstanz wie BSV mit Recht von der Annahme ausgehen durften, der Rentenbezügerin sei die Schmerzüberwindung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 ATSG objektiv zuzumuten. 
 
5. 
Dem Verfahrensausgang und Aufwand entsprechend hat die Beschwerdegegnerin Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG). Gerichtskosten werden nicht erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 800.- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 14. August 2009 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Ettlin