Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_671/2022
Urteil vom 14. Oktober 2022
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Häfliger,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jost Schumacher,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Vorsorgliche Massnahme im Abänderungsverfahren (Kinderbelange),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 28. Juli 2022 (3B 22 12).
Sachverhalt:
A.
Die Parteien sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des 2010 geborenen C.________, welcher unter der Obhut des Vaters steht.
B.
Vor dem Bezirksgericht Luzern ist ein Verfahren auf Abänderung der Kinderbelange (Besuchsrecht und Unterhalt) hängig.
Mit vorsorglicher Massnahme vom 17. Februar 2022 im Rahmen des Abänderungsverfahrens genehmigte das Bezirksgericht die am 7. Februar 2022 geschlossene Teilvereinbarung und wies alle weitergehenden Anträge ab. Sodann verpflichtete es die Mutter, bis zum Vorliegen eines Urteils im Hauptverfahren das Besuchsrecht (jedes zweite Wochenende, wenn sie in der Schweiz ist; ein Wochenende pro Monat, wenn sie im Ausland ist; Hälfte der Schulferien, wovon maximal vier Wochen am Stück im Sommer) nur in der Schweiz oder in einem Schengen-Land auszuüben.
Mit Berufungsentscheid vom 28. Juli 2022 genehmigte das Kantonsgericht Luzern die Teilvereinbarung und wies alle weitergehenden Anträge ab. Insbesondere beschränkte es die Ausübung des Besuchs- und Ferienrechts nicht auf den Schengen-Raum.
C.
Mit Beschwerde vom 9. September 2022 gelangt der Vater an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Besuchs- und Ferienrecht sei auf die Schweiz und die Schengen-Länder zu beschränken. Ferner verlangt er die aufschiebende Wirkung. Mit Stellungnahme vom 7. Oktober 2022 schliesst die Mutter auf Abweisung des Gesuchs um aufschiebende Wirkung. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Zusammenhang mit einem Besuchsrecht; die Beschwerde in Zivilsachen steht somit offen, aber es sind nur Verfassungsrügen möglich (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1, Art. 90 und Art. 98 BGG ). Es gilt somit das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG und es ist anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen, wofür appellatorische Ausführungen nicht genügen (BGE 142 III 364 E. 2.4; 144 V 50 E. 4.2; 145 II 32 E. 2.1).
2.
In der Sache geht es einzig um die vom Vater behauptete Entführungsgefahr. Das Kantonsgericht hat erwogen, dass die Mutter mit ihrem brasilianischen Ehemann, welcher auf verschiedenen Kontinenten Häuser besitze, ein internationales Leben führe, so wie sie es bereits mit dem Beschwerdeführer getan habe. Sie habe mit ihrem Ehemann zwei gemeinsame Kinder (Halbgeschwister von C.________) und plane, ihr viertes Kind gegen Ende des Jahres in den USA zur Welt zu bringen, so wie sie dies auch bei C.________ gemacht habe; ihr Visum erlaube ihr dort einen dreimonatigen Aufenthalt. Es sei davon auszugehen, dass sich der Lebensmittelpunkt der Mutter aufgrund der Wohnsitzbestätigungen heute in der Schweiz befinde, wo auch die Kinder eingeschult seien. Es treffe zu, dass sich ihr Aufenthalt in Brasilien im Herbst 2021 verlängert habe; sie habe das aber glaubhaft damit begründet, dass es coronabedingt zu einer Verzögerung ihres beruflichen Engagements gekommen sei und sie sich zudem einer Zahnbehandlung habe unterziehen müssen, was aktenmässig belegt sei. Mithin sei nicht von einer Absicht auszugehen, sich in Brasilien niederlassen zu wollen. Daran ändere nichts, dass für die Firma des Ehemannes möglicherweise eine Sitzverlegung nach Brasilien geplant sei, weil die Geschäftsführung nicht zwingend eine dauerhafte Anwesenheit verlange. Es sei weiter davon auszugehen, dass sich die Parteien an die Vereinbarung, wonach C.________ beim Vater leben solle, gebunden fühlten. Der Umstand, dass die Mutter im Jahr 2015 ohne Absprache mit C.________ nach Belgien ausgewandert sei, begründe heute bzw. für die Zukunft keine konkrete Entführungsgefahr, zumal seither nie mehr Ähnliches vorgefallen sei; nicht relevant sei ferner, wie das diesbezügliche noch nicht rechtskräftige Strafverfahren ausgehen werde. Schliesslich sei zu berücksichtigen, dass im Urteil des Berufungsgerichtes Brüssel vom 28. Juni 2019, mit welchem die hauptsächliche Unterbringung von C.________ beim Vater angeordnet worden sei, das Besuchsrecht der Mutter im Grundsatz nicht beschränkt worden sei. Insgesamt rechtfertige sich vor dem Hintergrund des ausgeprägt internationalen Lebensstils und der bloss abstrakten Vorbringen des Vaters keine örtliche Beschränkung des Besuchs- und Ferienrechts.
3.
Der Beschwerdeführer erneuert im Wesentlichen seine kantonalen Vorbringen und macht geltend, er habe sehr wohl eine konkrete Entführungsgefahr glaubhaft dargelegt. Diese ergebe sich aus dem Vorfall im Jahr 2015 und dem diesbezüglichen Strafverfahren sowie daraus, dass die Mutter sich im Jahr 2021 keinesfalls nur befristet und ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes in Brasilien aufgehalten habe. Der Wohnsitz im Tessin werde einzig aus steuerrechtlichen Gründen vorgeschoben. Schliesslich würden die bevorstehenden Pläne eine ernsthafte Entführungsgefahr begründen; die Mutter wolle sich für die Geburt ihres vierten Kindes im November und Dezember 2022 in den USA aufhalten, dies gleich im Anschluss an ihren beruflichen Aufenthalt in Brasilien während des ganzen Monates September 2022. Im Übrigen sei er (Vater) dahingehend informiert worden, dass die Galerie der Mutter in U.________ vor kurzem geschlossen worden sei. Ferner habe sie in einem anderen Verfahren versucht, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an die Pässe des Kindes heranzukommen.
Soweit diese Vorbringen nicht neu und damit unzulässig sind (Art. 99 Abs. 1 BGG), sind sie von der Sache her appellatorisch, denn es wird einfach die eigene Sicht der Dinge im Zusammenhang mit der behaupteten Entführungsgefahr geschildert, ohne darzulegen, inwiefern sich das Kantonsgericht bei deren Verneinung von unhaltbaren Elementen oder Kriterien hätte leiten lassen. Daran ändert das mehrmals eingestreute Wort "willkürlich" nichts, denn allein aus der Erwähnung des Wortes ergibt sich noch keine Willkürrüge. Willkür ist nicht bereits gegeben, wenn eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen wäre (BGE 142 II 369 E. 4.3; 144 I 113 E. 7.1; 148 III 95 E. 4.1) - was vorliegend durchaus denkbar wäre, weil die Frage nach einem überwiegenden Interesse der Mutter an einem auch ausserhalb des Schengen-Raumes auszuübenden Besuchs- und Ferienrechts aufgeworfen werden könnte -, sondern erst, wenn die Vorinstanz aus den vorhandenen Beweismitteln völlig unhaltbare Schlüsse gezogen (Willkür in der Beweiswürdigung; BGE 140 III 264 E. 2.3; 143 IV 241 E. 2.3.1; 146 IV 88 E. 1.3.1) oder einen mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehenden Entscheid gefällt oder eine Norm krass verletzt hat (Willkür in der Rechtsanwendung; BGE 142 II 369 E. 4.3; 144 I 113 E. 7.1; 148 III 95 E. 4.1). Dass dies gegeben wäre, tut der Vater mit seinen allgemeinen Ausführungen nicht dar, denn selbst wenn die Mutter für sich und die Kinder aus ihrer ehelichen Beziehung eine Auswanderung nach Brasilien planen sollte, wofür aber keine handfesten Anhaltspunkte bestehen, würde dies noch keine konkrete Entführungsgefahr für den unter der Obhut des Vaters stehenden C.________ begründen; dies umso weniger, als Brasilien, worauf auch die Vorinstanz hinweist, Vertragsstaat des Haager Kindesentführungsübereinkommens ist und die Mutter sich angesichts des offenbar noch hängigen Strafverfahrens auch bewusst sein wird, dass das Entziehen von Minderjährigen gemäss Art. 220 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist. Vor diesem und dem weiteren Hintergrund, dass die Eltern eben erst eine Teilvereinbarung geschlossen haben, in welcher die Obhutslage und die Ausgestaltung des Besuchsrechts bekräftigt worden ist, wäre im Übrigen auch keine Willkür im Ergebnis ersichtlich (vgl. zu diesem Erfordernis BGE 140 III 167 E. 2.1; 142 V 513 E. 4.2; 146 IV 88 E. 1.3.1).
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Mit dem sofortigen Urteil in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
5.
Angesichts des Verfahrensausganges wird der Beschwerdeführer kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG) und für die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung entschädigungspflichtig (Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, mitgeteilt.
Lausanne, 14. Oktober 2022
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Möckli