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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_23/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 14. November 2017  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Faga. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Lienhard, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache Drohung, mehrfache Tätlichkeiten, Beschimpfung; willkürliche Beweiswürdigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 22. November 2016 (SST.2015.230). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ wird vorgeworfen, seiner Ehefrau während mehrerer Jahre wiederholt gedroht zu haben, sie und ihre Familie umzubringen. Weiter habe er sie mehrmals gewürgt, gegen Kopf, Schulter sowie Hals geschlagen und beschimpft. 
 
B.  
Das Gerichtspräsidium Aarau sprach X.________ am 3. Dezember 2014 der mehrfachen Tätlichkeiten, der Beschimpfung und der mehrfachen Drohung schuldig. Vom Vorwurf der mehrfachen Tätlichkeiten gegen zwei Kinder sprach es ihn frei. Das Gerichtspräsidium erkannte auf eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 80.-- bei einer Probezeit von drei Jahren sowie eine Busse von Fr. 1'000.--. 
Die dagegen von X.________ erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 22. November 2016 ab. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht zudem um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Geschädigte respektive Privatklägerin sowie die beiden gemeinsamen Kinder wurden von der Kantonspolizei zu den Vorwürfen einvernommen. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, an der Glaubwürdigkeit der Privatklägerin und der Kinder sowie an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen bestünden erhebliche Zweifel. Der Verzicht, Glaubwürdigkeits- respektive Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen, sei willkürlich (Beschwerde S. 3 ff.).  
 
1.2. Bei Besonderheiten in der Person kann eine Begutachtung der Aussagefähigkeit oder Aussagequalität in Frage kommen. Die Prüfung der Glaubhaftigkeit von Beweisaussagen ist primär Sache der Gerichte (BGE 129 I 49 E. 4 S. 57; 128 I 81 E. 2 S. 84 ff. mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung drängt sich der Beizug eines Sachverständigen für die Prüfung der Aussagen nur bei besonderen Umständen auf. Dies ist etwa der Fall, wenn bruchstückhafte oder schwer interpretierbare Äusserungen eines Kleinkinds zu beurteilen sind, bei ernsthaften Anzeichen geistiger Störungen, welche die Aussageehrlichkeit des Zeugen beeinträchtigen könnten, oder wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinflussung durch Drittpersonen bestehen (BGE 129 IV 179 E. 2.4 S. 184; Urteil 6B_113/2017 vom 26. September 2017 E. 1.2; je mit Hinweisen). Der Richter verfügt bei der Beantwortung der Frage, ob aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ein Sachverständiger beigezogen werden muss, über einen Ermessensspielraum. Eine starre Beweisregel, wonach bei streitigen Aussagen des mutmasslichen Opfers in jedem Fall ein Aussagegutachten anzuordnen wäre, widerspräche dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Urteil 6B_1294/2015 vom 18. Mai 2016 E. 5.1 mit Hinweisen).  
 
1.3. Die Vorwürfe der mehrfachen Drohung (inklusive einer Drohung mit einem vorgehaltenen Messer), mehrfachen Tätlichkeiten und Beschimpfung stützen sich in erster Linie auf die Aussagen der Privatklägerin und teilweise auf die Schilderungen der beiden Kinder. Betreffend die Tochter A.________ hält die Vorinstanz fest, diese sei im Zeitpunkt der Vorfälle ca. sechs Jahre und sieben Monate alt gewesen. Sie habe teilweise Mühe mit der Beantwortung der Fragen gehabt. Dies lasse sich daran erkennen, dass sie von einer Schere anstatt von einem Messer gesprochen habe. Anlässlich der Videobefragung habe diese Ungereimtheit aber geklärt werden können. A.________ habe den fraglichen Vorfall rudimentär und in einfachen Worten wiedergeben können. Die im Zeitpunkt der Befragung knapp 12-jährige B.________ habe das Kerngeschehen konstant und widerspruchsfrei geschildert. Bei beiden Kindern seien keine besonderen Umstände wie bruchstückhafte oder schwer interpretierbare Äusserungen sowie Beeinflussungen durch Drittpersonen ersichtlich, welche ein Glaubwürdigkeitsgutachten notwendig machten.  
Die Vorinstanz verneint mithin Anhaltspunkte, die eine Begutachtung nahegelegt hätten. Diese Würdigung ist schlüssig und kann nicht als unvertretbar bezeichnet werden. Mit Blick auf die protokollierten Schilderungen beider Kinder sind Auffälligkeiten in der Person oder Anzeichen für kognitive Beeinträchtigungen, welche sich in den Aussagen widerspiegeln und dem Gericht die fachgerechte Aussageanalyse und Beweiswürdigung erschweren würden, nicht ersichtlich. Solches geht auch nicht aus den Ausführungen des Beschwerdeführers hervor. Dass die Kinder unter Berücksichtigung ihres Alters in ihrer Wahrnehmungs-, Erinnerungs- oder Wiedergabefähigkeit beeinträchtigt und zur wahrheitsgemässen Aussage nicht fähig oder nicht willens waren, zeigt er nicht auf. Seine Kritikpunkte legen schwer interpretierbare Äusserungen, ernsthafte geistige Störungen oder Beeinflussung von Drittpersonen nicht nahe, sondern erschöpfen sich in einer blossen Darlegung der eigenen Sichtweise. Sie wurden von der Vorinstanz aufgegriffen und als ungerechtfertigt beurteilt (E. 2 nachfolgend). Die Vorinstanz war in der Lage, die Aussagen der Kinder zu würdigen, weshalb sie ohne Ermessensverletzung auf eine Glaubwürdigkeitsbegutachtung verzichten konnte. Dies gilt ohne Weiteres auch in Bezug auf die Privatklägerin. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV) geltend (Beschwerde S. 3 ff.).  
 
2.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253 mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 141 III 564 E. 4.1 S. 566; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen).  
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, anderenfalls darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4 S. 368; 142 II 206 E. 2.5 S. 210; 142 I 135 E. 1.5 S. 144; je mit Hinweisen). 
 
2.3. Die Vorinstanz würdigt die Aussagen der Privatklägerin, des Beschwerdeführers, der gemeinsamen Töchter sowie zweier Zeuginnen. Sie lässt in ihre Beweiswürdigung zudem verschiedene Einträge in ärztlichen Akten einfliessen. Die Vorinstanz gelangt wie bereits die erste Instanz zur Überzeugung, dass die Privatklägerin die Übergriffe im Kerngeschehen widerspruchsfrei, konstant und in einem Gesamtkonzept eingebettet detailliert schildert. Diese würden durch die Aussagen der Töchter wie auch durch eine Zeugin und die Einträge in ärztlichen Akten bestätigt.  
 
2.4. Der Beschwerdeführer stellt sich zusammengefasst auf den Standpunkt, es sei willkürlich, die Aussagen der Privatklägerin und der Kinder als glaubhaft und seine eigenen Aussagen als nicht überzeugend zu würdigen. Was der Beschwerdeführer im Einzelnen vorbringt, dringt nicht durch. Er vermag von vornherein keine willkürliche Beweiswürdigung darzutun, indem er die Befragungsprotokolle und das vorinstanzliche Urteil unrichtig wiedergibt. So trifft etwa entgegen seiner Behauptung nicht zu, dass die Privatklägerin nicht mehr gewusst hätte, ob sie beim Angriff mit dem Messer stand oder sass (vgl. vorinstanzliche Akten pag. 244 f.). Auch zitiert die Vorinstanz die Zeugin C.________ korrekt, wonach die Privatklägerin ihr von Schlägen und Drohungen (nicht aber von Todesdrohungen) berichtet habe (vorinstanzliche Akten pag. 300). Soweit der Beschwerdeführer zudem behaupten sollte, die Privatklägerin habe nicht spontan, sondern erst auf Nachfragen vom Vorfall mit dem Messer erzählt, kann ihm auch hier nicht gefolgt werden (vorinstanzliche Akten pag. 242 f.).  
Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer keine Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung zu begründen. Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz, die eine freie Prüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vornimmt. Insbesondere reicht für die Rüge einer willkürlichen Beweiswürdigung nicht aus, wenn der Beschwerdeführer zum Beweisergebnis wie in einem appellatorischen Verfahren frei plädiert und darlegt, wie seiner Auffassung nach die verschiedenen Aussagen richtigerweise zu würdigen gewesen wären. Dies ist etwa der Fall, soweit der Beschwerdeführer unterstreicht, die Privatklägerin habe den Vorfall mit dem Messer nur "äusserst vage" umschrieben. Ihm kann zudem in der Sache nicht gefolgt werden. Die entsprechenden Schilderungen ("Am Frühstückstisch hat er das Messer genommen und kam auf mich los. [...] Er hat mich am Oberarm gepackt und gesagt, er würde mich mit dem Messer erstechen. Er hat das Messer in der rechten Hand, mit der linken hat er mich gehalten. Er hat eine Vorwärtsbewegung mit dem Messer gemacht [...] Er packte mich zuerst am Arm und dann machte er Vorwärtsbewegungen mit dem Messer gegen meinen Bauch [...]"; vorinstanzliche Akten pag. 243 f.) fielen nicht unbestimmt aus. Was der Beschwerdeführer in Bezug auf die Aussagen seiner älteren Tochter thematisiert, überzeugt ebenfalls nicht. Dass das im Zeitpunkt der Befragung rund 12-jährige Kind abgesehen vom Vorfall vom 28. Juli 2013 frühere Übergriffe nicht mit Datum festhalten konnte (aber solche gleichwohl geschildert hat), übersieht die Vorinstanz nicht, ist nachvollziehbar und vermag die Verlässlichkeit seiner Aussagen nicht in Frage zu stellen (vgl. vorinstanzliche Akten pag. 264 ff.). Der Beschwerdeführer argumentiert zudem, die Privatklägerin habe das eingesetzte Messer nicht zweifelsfrei identifizieren können und die Kinder in ihren Aussagen beeinflusst. Damit hat sich die Vorinstanz auseinandergesetzt und die Beschreibung der Waffe entsprechend gewürdigt respektive eine Suggestion verneint. Dieser Beweiswürdigung stellt der Beschwerdeführer einzig seinen eigenen Standpunkt gegenüber, was keine Willkür aufzuzeigen vermag. 
Insgesamt legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass und inwiefern das vorinstanzliche Beweisergebnis schlechterdings nicht mehr vertretbar sein sollte. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt zu genügen vermag. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer wird ausgangsgemäss kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, D.________ und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. November 2017 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Faga