Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_559/2024
Urteil vom 14. November 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichterin Hänni,
Gerichtsschreiber Zollinger.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Herr Dr. Niccolò Gozzi und/oder Herr Jonas Oggier, Rechtsanwälte,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern.
Gegenstand
Amtshilfe (DBA CH-IN),
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 24. Oktober 2024 (A-2795/2023).
Sachverhalt:
A.
Mit Schreiben vom 17. März 2022 richtete das indische Ministry of Finance (nachfolgend: ersuchende Behörde) gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 2. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-IN; SR 0.672.942.31) ein Amtshilfeersuchen betreffend A.________ und B.________ für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis zum 31. Oktober 2021 an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Mit Schreiben vom 28. Juni 2022 präzisierte die ersuchende Behörde das Ersuchen vom 17. März 2022.
Die ersuchende Behörde führte in den Schreiben vom 17. März 2022 und 28. Juni 2022 aus, die indischen Steuerbehörden würden Ermittlungen betreffend A.________ und dessen Vater, B.________, durchführen. Gestützt auf das indische Einkommenssteuergesetz (Income Tax Act 1961) sei eine Hausdurchsuchung bei A.________ durchgeführt worden. Anlässlich der Hausdurchsuchung seien belastende Beweise gesichert worden. Diesen zufolge habe A.________ diverse Provisionseinnahmen von ausländischen Unternehmen erhalten. Die Einnahmen habe er mittels von ihm kontrollierten ausländischen Gesellschaften sowie eines Netzes von Scheinrechnungen und Scheinverträgen auf seine Bankkonten weitergeleitet. Eines der betroffenen Bankkonten sei bei der C.________ in der Schweiz.
B.
Mit Schlussverfügung vom 13. April 2023 hielt die ESTV unter anderem fest, dass der ersuchenden Behörde Amtshilfe betreffend A.________ und B.________ geleistet werde.
B.a. Am 15. Mai 2023 erhob A.________ gegen die Schlussverfügung vom 13. April 2023 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er beantragte im Wesentlichen, die Aufhebung der Schlussverfügung der ESTV vom 13. April 2023 und die Abweisung des Amtshilfeersuchens vom 17. März 2022.
B.b. Mit Urteil A-2795/2023 vom 24. Oktober 2024, zugestellt am 28. Oktober 2024, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Es erwog unter anderem, dass keine Anhaltspunkte vorlägen, wonach die indischen Behörden das Spezialitätsprinzip oder das strafrechtliche Rückwirkungsverbot verletzten.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 7. November 2024 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils A-2795/2023 vom 24. Oktober 2024 sowie der Schlussverfügung der ESTV vom 13. April 2023. Das Amtshilfeersuchen vom 17. März 2024 sei abzuweisen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1).
1.1. Art. 83 lit. h BGG sieht vor, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe mit Ausnahme der Amtshilfe in Steuersachen unzulässig ist. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde gemäss Art. 84a BGG zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt. Die beschwerdeführende Partei hat in der Begründung darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist, es sei denn, dies treffe ganz offensichtlich zu (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 146 II 276 E. 1.2.1; 139 II 340 E. 4).
1.1.1. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist regelmässig zu bejahen, wenn der Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann - namentlich wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist unter Umständen auch anzunehmen, wenn es sich um eine erstmals zu beurteilende Frage handelt, die einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf. Es muss sich allerdings um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Aber auch eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage kann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn sich die erneute Überprüfung aufdrängt (vgl. BGE 139 II 404 E. 1.3; 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_1037/2019 vom 27. August 2020 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 147 II 116).
1.1.2. Gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG liegt ein besonders bedeutender Fall insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist. Das Gesetz enthält nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 84 Abs. 2 BGG eine nicht abschliessende Aufzählung von möglichen besonders bedeutenden Fällen. Art. 84a BGG bezweckt wie Art. 84 BGG die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuerangelegenheiten. Ein besonders bedeutender Fall ist daher mit Zurückhaltung anzunehmen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein besonders bedeutender Fall gegeben ist, steht dem Bundesgericht ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 139 II 340 E. 4; Urteil 2C_653/2018 vom 26. Juli 2019 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 146 II 150).
1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei zu befürchten, dass er aufgrund der im Rahmen der Amtshilfe zu übermittelnden Informationen gestützt auf die rückwirkende Anwendbarkeit des am 1. Juli 2015 in Kraft getretenen indischen "Schwarzgeldgesetzes" (Black Money Act) einem Strafverfahren ausgesetzt werden könnte. Dieser Umstand verletze das in Art. 7 Ziff. 1 EMRK und Art. 2 Abs. 1 StGB verankerte Rückwirkungsverbot und verstosse deshalb gegen den schweizerischen Ordre public. Damit liege auch eine Verletzung von Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-IN vor. Die Vorinstanz, so der Beschwerdeführer kritisierend, habe festgehalten, dass gestützt auf die Ausführungen im Amtshilfeersuchen und aufgrund des vom Beschwerdeführer eingereichten Rechtsgutachtens keine konkrete Androhung eines Steuerstrafverfahrens wegen Steuerdelikten nachgewiesen werde. Nach Auffassung des Beschwerdeführers stellt die Vorinstanz überhöhte Anforderungen an den Nachweis, dass ihm im ersuchenden Staat gestützt auf die amtshilfeweise zu übermittelnden Informationen tatsächlich eine strafrechtliche Sanktion in Verletzung des Rückwirkungsverbots drohe. Der Beschwerdeführer unterbreitet dem Bundesgericht deshalb die Frage nach den formellen Anforderungen, die an den Nachweis einer drohenden Strafverfolgung gestellt werden dürften. Es liege im Übrigen ein besonders bedeutender Fall gemäss Art. 84 Abs. 2 BGG vor.
1.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt die Auslegung von Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-IN, dass die Verweigerung der Leistung von Amtshilfe bei ernsthaft drohenden Verletzungen elementarer Gehalte von Menschenrechten oder grundlegender rechtsstaatlicher Garantien möglich ist (vgl. Urteil 2C_750/2020 vom 25. März 2021 E. 6.8; vgl. auch BGE 149 II 302 E. 6.6). In diesem Zusammenhang kann das strafrechtliche Rückwirkungsverbot gemäss Art. 7 Ziff. 1 EMRK als Teil des nationalen und europäischen Ordre public der Leistung von Amtshilfe entgegenstehen, wenn die Amtshilfe (auch) zugunsten eines Verfahrens mit angedrohter strafrechtlicher Sanktion erfolgt (vgl. Urteil 2C_750/2020 vom 25. März 2021 E. 7.2 f. und E. 9.3). Für den Nachweis des Verstosses gegen Art. 7 Ziff. 1 EMRK hat die von der Amtshilfe betroffene Person Anhaltspunkte darzutun, mit denen sich mit genügender Wahrscheinlichkeit aufzeigen lässt ("démontrer de manière suffisante"), dass ihr im Falle der Leistung von Amtshilfe eine Strafe, die in den Anwendungsbereich von Art. 7 Ziff. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK fällt, gestützt auf rückwirkend anwendbare materielle Strafrechtsnormen droht (vgl. Urteile 2C_89/2023 vom 16. Februar 2023 E. 4.3; 2C_750/2020 vom 25. März 2021 E. 7.1 und E. 9.3.1 ff.).
1.4. Die vorliegende Angelegenheit hat lediglich die einzelfallspezifische Anwendung der in der Rechtsprechung etablierten und soeben dargestellten Grundsätze zum Gegenstand (vgl. E. 1.3 hiervor). Der Beschwerdeführer macht selbst geltend, er habe im vorinstanzlichen Verfahren in Anlehnung an die vom Bundesgericht im Urteil 2C_750/2020 vom 25. März 2021 und in dessen Nachgang entwickelten Grundsätze die Verweigerung der Amtshilfeleistung verlangt, da die Gewährung der Amtshilfe gegen den Vorbehalt des Ordre public gemäss Art. 26 Abs. 3 lit. c DBA CH-IN verstosse. Der Beschwerdeführer übersieht indes, dass die Frage, ob er hinreichend nachgewiesen hat, dass ihm eine strafrechtliche Verurteilung auf der Grundlage rückwirkend anwendbarer materieller Strafrechtsnormen droht, eine Frage der Beweiswürdigung ist (vgl. Urteil 2C_673/2022 vom 13. September 2022 E. 4.2 i.f.). Die Vorinstanz hat eine entsprechende Beweiswürdigung umfassend vorgenommen (vgl. E. 6.3.1-6.3.3 des angefochtenen Urteils). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Frage nach den formellen Anforderungen an den Nachweis, dass ihm eine strafrechtliche Verurteilung gestützt auf rückwirkend anwendbare materielle Strafrechtsnormen droht, somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 84a BGG (vgl. Urteile 2C_673/2022 vom 13. September 2022 E. 4.2; 2C_672/2022 vom 13. September 2022 E. 3.2). Im Übrigen ist aus der vorinstanzlichen Beweiswürdigung sowie Rechtsanwendung und der vom Beschwerdeführer daran geübten Kritik auch kein besonders bedeutender Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG zu erkennen.
1.5. Im Ergebnis ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.
2.
Diesem Verfahrensausgang entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt.
Lausanne, 14. November 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: M. Zollinger