Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
8C_618/2021
Urteil vom 14. Dezember 2021
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Cupa.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Juli 2021 (IV.2021.00224).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1959, meldete sich am 27. August 2013 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle oder Beschwerdeführerin) ab Dezember 2014 eine Viertelsrente, ab März 2015 eine ganze und ab Juni 2015 eine halbe Rente zu (Verfügung vom 4. März 2021).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 21. Juli 2021 teilweise gut, indem es ihm für die Dauer von Dezember 2014 bis und mit Juni 2015 in Abänderung des Verwaltungsaktes eine ganze Rente zusprach. Im Übrigen wies es seine Beschwerde ab.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und A.________ für den Zeitraum von Dezember 2014 bis und mit Februar 2015 eine Viertelsrente zuzusprechen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ; vgl. zum Ganzen BGE 145 V 215 E. 1.1 f.).
2.
2.1. Strittig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie dem Beschwerdegegner für die Dauer vom 1. Dezember 2014 bis zum 28. Februar 2015 abweichend von der Beschwerdeführerin nicht nur eine Viertelsrente, sondern eine ganze Invalidenrente zusprach.
2.2. Hingegen bleibt die vorinstanzliche Zusprache einer ganzen Invalidenrente auch für Juni 2015 unangefochten.
3.
3.1. Was die massgeblichen Rechtsgrundlagen anbelangt, insbesondere Art. 28 IVG, kann auf die zutreffende Wiedergabe im angefochtenen Urteil verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).
3.2. In tatsächlicher Hinsicht stützte sich das kantonale Gericht auf den Verlauf der Arbeitsunfähigkeit, wie ihn die Beschwerde führende IV-Stelle der Verfügung vom 4. März 2021 zugrunde gelegt hatte. Derzufolge ist für das Wartejahr (vgl. Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG), welches am 29. Dezember 2013 zu laufen begann, eine Arbeitsunfähigkeit von durchschnittlich 40 % ausgewiesen. Der Beschwerdegegner erhebt dagegen keine Einwände.
4.
Zu prüfen bleibt, ob für die Bestimmung der einschlägigen Rentenstufe nach Art. 28 Abs. 2 IVG im streitbetroffenen Zeitraum (E. 2.1 hiervor) auf die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während des Wartejahres (40 %) oder die effektiv ausgewiesene Arbeitsunfähigkeit (100 %) unmittelbar nach dessen Ablauf abzustellen ist. Dabei handelt es sich um eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage (Art. 95 lit. a i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG).
4.1. Die Vorinstanz setzte sich mit der Frage, ob die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während des Wartejahres bei Festlegung der Rentenstufe bedeutsam ist, nicht auseinander. Die Beschwerdeführerin rügt, dieser Umstand sei anspruchserheblich und somit zwingend zu berücksichtigen. Der Beschwerdegegner ist der Meinung, das Gesetz sei klar und sehe, jedenfalls seit der Novellierung von Art. 28 IVG im Zuge der 5. IV-Revision (vgl. BGE 140 V 470 E. 3.3.1), nichts Derartiges (mehr) vor.
4.2. Das Bundesgericht erwog in BGE 121 V 264 E. 6b/cc a.E., eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 40 % während eines Jahres allein vermöge keinen Rentenanspruch zu begründen, sondern nur, wenn sich daran eine Erwerbsunfähigkeit in mindestens gleicher Höhe anschliesse. Dies gelte in gleicher Weise für alle drei gesetzlichen Rentenabstufungen (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung [entspricht der derzeit geltenden Regelung von Art. 28 Abs. 2 IVG, vgl. Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, 5. Revision, BBl 2005 4459 ff., 4568]). Die durchschnittliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit während eines Jahres und die nach Ablauf der Wartezeit bestehende Erwerbsunfähigkeit müssten somit kumulativ und in der für die einzelnen Rentenabstufungen erforderlichen Mindesthöhe gegeben sein, damit eine Rente im entsprechenden Umfang zugesprochen werden könne. Seither hielt es in ständiger Rechtsprechung daran fest - auch nach der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neufassung von Art. 28 IVG (vgl. etwa die Urteile 8C_718/2018 vom 21. Februar 2019 E. 2.2; 9C_942/2015 vom 18. Februar 2016 E. 3.1; 9C_900/2013 vom 8. April 2014 E. 6.1; 8C_243/2011 vom 8. Juni 2011 E. 6.1; 9C_996/2010 vom 5. Mai 2011 E. 7.1; 9C_882/2009 vom 1. April 2010 E. 5.2; 9C_985/2009 vom 2. März 2010 E. 4.3; siehe ferner BGE 105 V 156 E. 2c; HANS-JAKOB MOSIMANN, in: Frey/Mosimann/ Bollinger [Hrsg.], AHVG/IVG Kommentar, 2018, N. 9 zu Art. 28 IVG; MICHEL VALTERIO, Commentaire de la loi fédérale sur l'assurance-invalidité, 2018, N. 16 zu Art. 28 IVG; Rz. 4001 f. des Kreisschreibens des BSV über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung [KSIH], in der seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung).
4.3. Der Beschwerdegegner vermag weder hinreichend substanziiert (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.1 f.) aufzuzeigen, weshalb von dieser Praxis abzuweichen und eine Änderung der Rechtsprechung (vgl. BGE 147 V 342 E. 5.5.1 mit Hinweisen) hinsichtlich Art. 28 IVG vorzunehmen wäre, noch sind derartige Gründe ersichtlich. Folglich hat er wegen seiner durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 40 % während des Wartejahres (vgl. E. 3), trotz voller Arbeitsunfähigkeit in jeder Tätigkeit im direkten Anschluss daran, für den streitbetroffenen Zeitraum (E. 2.1 hiervor) nur Anspruch auf eine Viertelsrente (Art. 28 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 IVG).
4.4. Im Ergebnis verletzte das kantonale Gericht Bundesrecht, indem es die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während des Wartejahres unbeachtet liess und dem Beschwerdegegner bereits ab Dezember 2014 eine ganze Invalidenrente anstatt einer Viertelsrente zusprach.
5.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch der IV-Stelle um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.
6.
Die Beschwerde ist offensichtlich begründet und wird darum mit summarischer Begründung im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG erledigt.
7.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 1 Absatz 1 des Urteils des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Juli 2021 wird insoweit abgeändert, als A.________ für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 28. Februar 2015 Anspruch auf eine Viertelsrente hat.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 14. Dezember 2021
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Der Gerichtsschreiber: Cupa