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«AZA 7» 
C 293/00 Ge 
 
 
III. Kammer 
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Widmer und nebenamtlicher Richter Maeschi; Gerichtsschreiberin Helfenstein 
 
 
 
Urteil vom 15. Januar 2001 
 
in Sachen 
P.________, 1965, Beschwerdeführer, vertreten durch lic. iur. Annetta Simeon, Quaderstrasse 16, Chur, 
gegen 
Arbeitslosenkasse Graubünden, Grabenstrasse 8, Chur, Beschwerdegegnerin, 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
 
 
A.- Der 1965 geborene, als Kindergärtner tätig gewesene P.________ wurde mit Arbeitsvertrag vom 4. Mai 1998 von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (nachfolgend: SP Schweiz) interimistisch als Pressesprecher (Zentralsekretär Presse und Information) mit einem Pensum von 80 % der normalen Arbeitszeit angestellt. Der Arbeitsvertrag war bis 31. Oktober 1998 befristet und konnte in gegenseitigem 
 
 
Einvernehmen jeweils Ende Monat um einen weiteren Monat verlängert werden. Auf Antrag der Geschäftsleitung vom 12. November 1998 beschloss der Parteivorstand am 12. Dezember 1998 die Wiederwahl von P.________ als Zentralsekretär bis nach den eidgenössischen Wahlen 1999, welche am 24. Oktober 1999 stattfanden. Am 4. November 1999 erhielt P.________ ein als Kündigung bezeichnetes Schreiben des Zentralsekretariates der SP Schweiz, worin ihm mitgeteilt wurde, dass das Anstellungsverhältnis gemäss Beschluss der Geschäftsleitung auf den 31. Dezember 1999 aufgelöst werde. Am 13. Dezember 1999 stellte P.________ einen Antrag auf Arbeitslosenentschädigung sowie ein Gesuch um Förderung einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Nach Vornahme näherer Abklärungen stellte ihn die Arbeitslosenkasse Graubünden mit Verfügung vom 3. März 1999 (recte: 3. März 2000) ab 1. Januar 2000 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für zehn Tage in der Anspruchsberechtigung ein. Zur Begründung führte sie an, das Arbeitsverhältnis hätte ordentlicherweise erst auf den 29. Februar 2000 aufgelöst werden können; mit der Annahme der fristwidrigen Kündigung habe er die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 6. Juli 2000 abgewiesen. 
 
C.- P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid und die Einstellungsverfügung vom 3. März 2000 seien aufzuheben; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Arbeitslosenkasse Graubünden beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) lässt sich nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG ist der Versicherte in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er durch eigenes Verschulden arbeitslos ist. Die Arbeitslosigkeit gilt insbesondere dann als selbstverschuldet, wenn der Versicherte das Arbeitsverhältnis von sich aus aufgelöst hat, ohne dass ihm eine andere Stelle zugesichert war, es sei denn, dass ihm das Verbleiben an der Arbeitsstelle nicht zugemutet werden konnte (Art. 44 Abs. 1 lit. b AVIV). 
Nach der Rechtsprechung kann das Verhalten eines Versicherten, der eine die gesetzliche oder vertragliche Frist missachtende Kündigung akzeptiert, den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG erfüllen (BGE 112 V 323). 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses per Ende Dezember 1999 in eine gesetzwidrige Kündigung eingewilligt und damit die Arbeitslosigkeit im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG selbstverschuldet hat. 
 
a) Arbeitsverträge können befristet werden mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet (Art. 334 Abs. 1 OR) und die Kündigungsschutzvorschriften von Art. 335 ff. OR nicht anwendbar sind. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses kann durch eine ausdrückliche Zeitangabe erfolgen, sich aus dem Zweck der Anstellung ergeben oder vom Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig sein. Bei Zweckbefristungen steht zwar der Endtermin des Arbeitsverhältnisses nicht von vornherein fest; er ist aber aufgrund objektiver Kriterien für beide Parteien erkennbar. Eine durch Arbeitsumschreibung erfolgte sachliche Befristung setzt einen ausreichenden Grad der Bestimmbarkeit voraus. Fehlt es hieran, liegt mangels einer anderweitigen Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor, zu dessen Beendigung es der Kündigung bedarf (Rehbinder, Berner Kommentar, N 2 ff., insbes. N 6 zu Art. 334 OR). 
 
Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgesetzt, so gilt es als unbefristetes Arbeitsverhältnis (Art. 334 Abs. 2 OR). Die Fortdauer beruht auf einer vermuteten Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und nicht auf einer vermuteten Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses. Die Vermutung kann dadurch widerlegt werden, dass das fortgesetzte Arbeitsverhältnis vereinbarungsgemäss befristet wird oder seinem Inhalt nach als Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses zu betrachten ist. Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge (sog. Kettenverträge) sind zulässig, soweit sie nicht zu einer Gesetzesumgehung führen. Eine solche liegt vor, wenn sie ohne sachlichen Grund, d.h. nur zum Zweck erfolgen, die Anwendbarkeit der gesetzlichen Vorschriften zum Bestandesschutz des Arbeitsverhältnisses oder zur sozialen Sicherheit des Arbeitnehmers auszuschliessen (Rehbinder, a.a.O., N 11 f. zu Art. 334 OR). 
 
b) Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 4. Mai 1998 von der SP Schweiz für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 1998 als Pressesprecher mit einem Pensum von 80 % der normalen Wochenarbeitszeit angestellt worden ist. Laut Arbeitsvertrag konnte das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen jeweils Ende Monat um einen weiteren Monat verlängert werden. Das Anstellungsreglement der SP Schweiz bildete Bestandteil des Vertrages; im Übrigen galten die Bestimmungen des Obligationenrechts. Auf Empfehlung der Geschäftsleitung vom 12. November 1998 beschloss der Parteivorstand am 12. Dezember 1998 die Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers "ad interim bis nach den Wahlen 1999". Gemäss einer vom Beschwerdeführer beigebrachten Bestätigung des Generalsekretärs der SP Schweiz (Jean-François Steiert) hat die Geschäftsleitung im Anschluss an die Sitzung des Parteivorstandes mit dem Beschwerdeführer vereinbart, dass mit dieser Umschreibung der 31. Dezember 1999 zu verstehen sei. Eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses stand nicht zur Diskussion, weil die Anstellung des Beschwerdeführers eine Ausnahme zur parteiinternen Quotenregelung bildete, welche von Parteivorstand und Geschäftsleitung ausdrücklich nur bis zu den eidgenössischen Wahlen akzeptiert worden war, wobei die Zeit vom 25. Oktober bis 31. Dezember 1999 für die "Nachbearbeitung der Wahlen" bestimmt war. 
Indem die Parteien nach Ablauf des auf den 31. Oktober 
1998 befristeten Arbeitsvertrages vom 4. Mai 1998 mündlich eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses "bis nach den Wahlen 1999" vereinbart haben, wurde das bisherige Arbeitsverhältnis fortgesetzt. Die Umschreibung "bis nach den Wahlen 1999" (welche am 24. Oktober 1999 stattgefunden haben) stellt eine zeitlich-sachliche Befristung dar, die genügend bestimmbar war, um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 334 Abs. 1 OR als befristet zu qualifizieren. An der Befristung hat nichts geändert, dass das Arbeitsverhältnis in der Folge vereinbarungsgemäss bis Ende 1999 fortgeführt wurde, gehörte die parteiinterne Auswertung des Wahlergebnisses zuhanden der Partei und der Presse doch zum Aufgabenbereich des Beschwerdeführers. Unter Berücksichtigung des Anstellungszwecks liess sich mit der Befristung "bis nach den Wahlen 1999" eine Beschäftigung bis Ende Jahr durchaus vereinbaren. Auch wenn darin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erblickt würde, hätte diese ebenfalls als befristet zu gelten. Entscheidend ist, dass unbestrittenermassen konkrete Gründe zu einer Befristung des Arbeitsverhältnisses bestanden, indem sich die Anstellung des Beschwerdeführers mit der statutarischen Quotenregelung zum Frauenanteil in den Parteigremien nicht vereinbaren liess. Die Wahl des Beschwerdeführers durch die Geschäftsleitung der SP Schweiz erfolgte deshalb nur "ad interim bis nach den Wahlen 1999" in der Meinung, dass die Stelle durch eine Frau zu besetzen sei. Dass die Stelle erst nach den Wahlen 1999 ausgeschrieben wurde und in diesem Zeitpunkt noch offen war, innert welcher Frist eine Pressesprecherin gefunden werden konnte, spricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht gegen ein befristetes Arbeitsverhältnis. Selbst wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Stellenantritt einer Pressesprecherin verlängert worden wäre, hätte es sich dabei um ein (sachlich) befristetes und nicht um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis oder einen unzulässigen Kettenvertrag gehandelt (BGE 119 V 48 Erw. 1c mit Hinweisen; nicht veröffentlichte bundesgerichtliche Urteile Y. vom 27.6.00, 4C.22/2000, und G. vom 18.8.95, 4P.127/1995). Schliesslich steht der Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, dass dem Beschwerdeführer am 4. November 1999 ein mit "Kündigung" bezeichnetes Schreiben des Zentralsekretariates der SP Schweiz des Inhalts zugestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis auf den 31. Dezember 1999 aufgelöst werde. Es geht daraus klar hervor, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses deshalb erfolgte, weil die Geschäftsleitung die Stelle bis nach den Wahlen befristet hatte. Der "Kündigung" kann daher lediglich die Bedeutung einer Bestätigung der vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses beigemessen werden. 
 
3.- War das Arbeitsverhältnis bis Ende 1999 befristet, so kann dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt werden, die Arbeitslosigkeit ab 1. Januar 2000 im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG selbstverschuldet zu haben, weshalb der angefochtene Entscheid und die verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung aufzuheben sind. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wer- 
den der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons 
Graubünden vom 6. Juli 2000 und die Verfügung der Ar- 
beitslosenkasse Graubünden vom 3. März 2000 betreffend 
Einstellung in der Anspruchsberechtigung aufgehoben. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die Arbeitslosenkasse Graubünden hat dem Beschwerde- 
führer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Ver- 
sicherungsgericht eine Parteientschädigung von 
Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu be- 
zahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
richt des Kantons Graubünden, dem Amt für Industrie, 
Gewerbe und Arbeit Graubünden und dem Staatssekreta- 
riat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 15. Januar 2001 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: