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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_721/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 15. Januar 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, Haag, 
Gerichtsschreiber Hugi Yar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider-Koch, Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 11. Juni 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (geb. 1968) stammt aus Nigeria. Er durchlief in der Schweiz unter falscher Identität erfolglos ein Asylverfahren. Am 20. Dezember 2006 heiratete er in seiner Heimat eine Schweizer Bürgerin (geb. 1959). Am 1. August 2007 kam er im Familiennachzug in die Schweiz, wo ihm eine - zuletzt bis zum 1. August 2008 verlängerte - Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Vom 18. Juli 2010 bis 18. April 2013 befand sich A.________ im Strafvollzug bzw. in Untersuchungshaft. Am 8. Juni 2012 wurde die Ehe geschieden. 
 
B.   
Am 7. Mai 2013 wies das Amt für Migration des Kantons Luzern das Gesuch von A.________ vom 8. Juli 2008 ab, seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern, nachdem das Obergericht des Kantons Luzern ihn am 14. Dezember 2012 wegen qualifizierter Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und einer Busse von Fr. 200.-- verurteilt hatte. Die kantonalen Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 27. Januar 2014, Urteil des Kantonsgerichts vom 11. Juni 2014). Die kantonalen Behörden gingen davon aus, dass sich A.________ wegen seiner Straffälligkeit nicht auf einen Bewilligungsanspruch nach Auflösung der Familiengemeinschaft berufen könne (Art. 50 AuG [SR 142.20]); zwar leide er an einem Tumor, dennoch sei ihm die Rückkehr in die Heimat zumutbar und die Beendigung seines Aufenthalts verhältnismässig. 
 
 
C.   
A.________ beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 11. Juni 2014 aufzuheben und ihm "die Aufenthaltsbewilligung wieder zu erteilen". Gegebenenfalls sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, allenfalls sei der Vollzug der Wegweisung aus gesundheitlichen Gründen für unzumutbar zu erklären und ihm "ein entsprechender Aufenthaltsstatus zu gewähren". Die Ehe mit seiner Gattin habe über drei Jahre gedauert; es gehe von ihm keine Gefahr mehr aus und er habe als integriert zu gelten. Der Vollzug der Wegweisung verletze Art. 3 EMRK (Verbot einer unmenschlichen Behandlung), da sich in der Heimat sein Tumor "wesentlich schneller entwickeln und voraussichtlich mangels Behandlungsmöglichkeit und finanziellen Mitteln zum frühzeitigen Tod (...) führen" werde. Seine Betreuung erscheine nur gewährleistet, wenn er sich langfristig in der Schweiz aufhalten könne. 
 
Mit Verfügung vom 2. September 2014 legte der Abteilungspräsident der Eingabe antragsgemäss aufschiebende Wirkung bei; gleichzeitig liess er die Akten und Vernehmlassungen einholen. Das Kantonsgericht und das Bundesamt für Migration (heute: Staatssekretariat für Migration) beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen (1) Entscheide, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG), (2) gegen Entscheide bezüglich der vorläufigen Aufnahme sowie (3) gegen Entscheide über die Wegweisung (Art. 83 lit. c Ziff. 3 und 4). Ob und wieweit in Anwendung von Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG von den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen abzuweichen ist, kann das Bundesgericht nicht prüfen, da sich seine Zuständigkeit auf  Anspruchsbewilligungen beschränkt (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG und Art. 96 AuG; vgl. BGE 137 II 345 E. 3.2.1; THOMAS HUGI YAR, Von Trennungen, Härtefällen und Delikten - Ausländerrechtliches rund um die Ehe- und Familiengemeinschaft, in: Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht 2012/2013, 2013, S. 31 ff., dort S. 100 mit weiteren Hinweisen).  
 
1.2. Anders verhält es sich, wenn in vertretbarer Weise geltend gemacht wird, es bestehe gestützt auf den Schutz des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV) bzw. in Anwendung von Art. 50 AuG (nachehelicher Härtefall) ein potenzieller Bewilligungsanspruch. In diesem Fall bildet die Frage, ob die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, Gegenstand einer materiellen Beurteilung (BGE 137 I 305 E. 2.5 S. 315; 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f., 497 E. 3.3 S. 500 f.; Urteil 2C_111/2014 vom 25. September 2014 E. 1.2). Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 50 AuG bzw. Art. 3 EMRK und argumentiert, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme einen Anspruch darauf habe, in der Schweiz verbleiben zu können. Über diese Frage ist in einem Sachentscheid zu befinden (vgl. das Urteil 2C_75/2011 vom 6. April 2011 E. 1).  
 
1.3. Soweit der Beschwerdeführer (implizit) geltend macht, die Vorinstanz habe zu Unrecht das Vorliegen eines allgemeinen Härtefalls verneint bzw. in willkürlicher Weise keine Bewilligung in ihrem Ermessensbereich erteilt, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht an die Hand zu nehmen (vgl. oben E. 1.1). Auf eine diesbezüglich einzig zulässige subsidiäre Verfassungsbeschwerde wäre mangels der erforderlichen Legitimation bzw. einer hinreichenden Beschwerdebegründung nicht einzutreten (vgl. BGE 133 I 185 ff.; Urteil 2C_804/2013 vom 3. April 2014 E. 1.3.1). Bezüglich der mit der Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung verbundenen Wegweisung (Art. 64 Abs. 1 lit. c AuG) behauptet der Beschwerdeführer eine potenzielle Verletzung von Art. 3 EMRK und damit die Missachtung eines besonderen verfassungsmässigen Rechts (vgl. BGE 137 II 305 ff.); auf die diesbezügliche Kritik ist einzugehen.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen - soweit entscheidrelevant - nur berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft - mit anderen Worten willkürlich - erscheint (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der Sachverhaltsfeststellung und der Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht verfassungsbezogen auseinander. Er stellt lediglich seine Einschätzungen denjenigen im angefochtenen Entscheid gegenüber, ohne darzulegen, inwiefern diese als offensichtlich unhaltbar zu gelten hätten. Das Bundesgericht legt seinem Entscheid deshalb den Sachverhalt zugrunde, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Das Zwischenzeugnis der Temporärfirma, für welche der Beschwerdeführer derzeit arbeitet, ist dabei nicht weiter zu berücksichtigen, da es sich um ein im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässiges echtes Novum handelt (Art. 99 BGG); er arbeitet dort bereits seit dem 9. April 2014, womit er ein entsprechendes Dokument im kantonalen Verfahren hätte einbringen können und müssen. Wie es sich mit dem von ihm nachgereichten Bericht des Inselspitals vom 4. August 2014 verhält, kann dahingestellt bleiben, da dieser nicht geeignet ist, den angefochtenen Entscheid infrage zu stellen (vgl. unten E. 3).  
 
3.  
 
3.1. Nach Art. 50 AuG besteht der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung bei einer gescheiterten Ehe mit einer Schweizer Bürgerin fort, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und die betroffene ausländische Person in der Schweiz erfolgreich integriert erscheint bzw. wichtige persönliche Gründe ihren weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Der Anspruch gilt unter dem Vorbehalt von Widerrufsgründen (Art. 51 Abs. 2 i.V.m. 62 AuG). Der Beschwerdeführer ist schon kurz nach seiner (erneuten) Einreise in die Schweiz als Drogenhändler tätig geworden (Aktivität über 5 Jahre hinweg mit Verkauf von über einem Kilo Kokain bzw. Kokaingemischs). Sein Verschulden wurde im Strafverfahren als mittelschwer gewertet und er ist zu einer unbedingt zu vollziehenden Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden (Art. 62 lit. b AuG).  
 
3.2.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer kann gestützt auf sein Verhalten weder sozial noch beruflich als integriert gelten, auch wenn er heute über eine Temporärfirma einer Arbeit nachgehen sollte. Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG findet auf ihn daher keine Anwendung. Es liegt bei ihm auch kein wichtiger Grund vor, der seinen weiteren Aufenthalt in der Schweiz im Lichte einer konventions- (Art. 3 EMRK) bzw. verfassungskonformen Auslegung (Art. 5 Abs. 2 und 4 sowie Art. 10 Abs. 3 BV) von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG gebieten würde: Gesundheitliche Probleme bilden allenfalls dann einen wichtigen Grund für einen (dauerhaften) Verbleib im Land, wenn eine Beeinträchtigung vorliegt, die längere Pflege oder eine punktuelle dringliche Behandlung erfordert, die im Heimatland nicht sichergestellt wäre, sodass die Pflicht die Schweiz zu verlassen, für die betroffene Person mit gewichtigen gesundheitlichen Konsequenzen verbunden wäre. Allein der Umstand, dass in der Schweiz allenfalls eine bessere oder finanziell günstigere medizinische Behandlung erhältlich gemacht werden kann, genügt hierzu nicht (vgl. HUGI YAR, a.a.O., S. 90 f. mit Hinweisen).  
 
3.2.2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG deckt sich bei gesundheitlichen Problemen weitgehend mit jener des Bundesverwaltungsgerichts zur Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs; dieses verneint eine solche, wenn die ungenügende Möglichkeit der Behandlung eine drastische und lebensbedrohende Verschlechterung des Gesundheitszustands nach sich zieht ( HUGI YAR, a.a.O., S. 90 f. mit Hinweisen; FANNY DE WECK, Das Rückschiebungsverbot aus medizinischen Gründen nach Art. 3 EMRK, in: Jusletter 18. März 2013 Rz. 10 ff., 13 ff.). Medizinische Gründe können eine Abschiebung oder Wegweisung als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK erscheinen lassen, doch bestehen insofern relativ hohe Schwellen, da es nach der Rechtsprechung des EGMR dabei nicht unmittelbar um Handlungen oder Unterlassungen staatlicher oder privater Akteure geht, sondern ein natürlicher Prozess (Krankheit) zu den entsprechenden Konsequenzen (Tod, Verschlechterung des Gesundheitszustands usw.) führt (EGMR-Urteil  N. c. Vereinigtes Königreich vom 27. Mai 2008 [Grosse Kammer; Nr. 26565/05]; HUGI YAR, a.a.O., S. 91; DE WECK, a.a.O., Rz. 26 ff.).  
 
3.2.3. Die Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich in der Behauptung, in seiner Heimat ohne geeignete Betreuung schneller zu versterben als in der Schweiz. Er beruft sich hierzu auf das Schreiben eines kongolesischen Arztes, wonach er in der Heimat nicht geeignet behandelt werden könnte. Die Vorinstanz hat dieses aufgrund der Abklärungen in der Schweiz als wenig glaubwürdig gewertet. Entgegen der nicht weiter begründeten Kritik des Beschwerdeführers ist ihre Einschätzung nicht verfassungs- oder konventionswidrig: Gemäss dem Bericht des Inselspitals vom 10. Juli 2013 ist ein Nervenscheidentumor im kleinen Becken auf der rechten Seite diagnostiziert worden. Der Beschwerdeführer hat auf eine Operation verzichtet und sich für eine Verlaufsbeobachtung entschieden. Diese ist am 4. August 2014 erfolgt. Der Beschwerdeführer erklärte dabei, dass der Verlauf stabil sei und "nach wie vor" geringe Beschwerden bestünden. Der medizinische Bericht bestätigt dies: Aus peripher-neurochirurgischer Sicht könne ein günstiger Verlauf dokumentiert werden. In der bildgebenden Diagnostik bleibe der Nerventumor stabil. Der Patient sei beschwerdearm und nur selten symptomatisch, sodass zurzeit weiterhin keine Intervention geplant werde. Es werde eine nächste Kontrolle in einem Jahr mittels vergleichender Magnetresonanz-Untersuchung empfohlen. Weshalb unter diesen Umständen ein weiterer dauernder Aufenthalt des Beschwerdeführers, der in der Heimat über finanzielle Mittel und zahlreiche Kontakte verfügt und sich nur rund 31 /2 Jahre hier in Freiheit aufgehalten hat, in der Schweiz erforderlich wäre, ist nicht ersichtlich.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird.  
 
 
4.2. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Januar 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar