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«AZA» 
U 171/99 Hm 
 
 
IV. Kammer 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Grünvogel 
 
 
Urteil vom 15. Februar 2000 
 
in Sachen 
F.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch R.________, 
gegen 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin, 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
 
 
A.- Der 1956 geborene F.________ arbeitete bei der Firma X.________ und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfall und Berufskrankheit versichert. Am 7. Februar 1994 stürzte er rückwärts aus rund 2,8 m in die Tiefe, weshalb er notfallmässig in das Kantonsspital Y.________ eingeliefert wurde. Die röntgenologische Untersuchung ergab einen unauffälligen Thoraxbefund und keine ossären Läsionen. Kopfschmerzen oder neurologische Ausfälle konnten ebenso wenig festgestellt werden. Dagegen diagnostizierten die Spitalärzte eine lumbale Kontusion rechts. Nachdem F.________ das Spital am folgenden Tag bei deutlich gebessertem subjektivem Befinden verlassen hatte, musste er wegen starker Schmerzen im Bereich der cervicalen und thoracalen Wirbelsäule mit Ausstrahlung vor allem in den linken Arm und völliger Blockierung der Kopfbewegung am 10. Februar 1994 den Hausarzt Dr. H.________ aufsuchen. Dabei stellte Dr. H.________ neben der bereits bekannten lumbalen Kontusion weitere Prellungen im Bereich der ganzen Wirbelsäule, in der Nierengegend rechts, dem Gesäss sowie multiple Hämatome fest, welche er ebenfalls auf den Sturz vom 7. Februar 1994 zurückführte. Ein erster Arbeitsversuch von 50 % musste nach drei Tagen am 18. März 1994 wegen zunehmender Schmerzen mit Blockierung der Halswirbelsäule (HWS) abgebrochen werden. Eine durch den behandelnden Arzt veranlasste röntgenologische Untersuchung im Spital B.________ (vom 28. März 1994) ergab keinen Nachweis für eine traumatische Knochenläsion. Die auf Wunsch des Versicherten angefertigte Computertomographie (CT) der Hals- und der Brustwirbelsäule (vom 11. April 1994) zeigte ebenfalls keinen pathologischen Befund. Weil der Leidensdruck unvermindert anhielt, liess die SUVA den Versicherten in der Rehabilitationsklinik L.________ vom 25. Juli bis 19. August 1994 physiotherapeutisch behandeln. Dabei wurde auch ein neurologisches Konsilium durchgeführt. Dieses ergab keine Anhaltspunkte für eine radikuläre oder zentrale neurologische Störung (Austrittsbericht vom 22. August 1994). Nachdem ein weiterer Arbeitsversuch mit einer reduzierten Leistungsfähigkeit von 33 1/2 % bei einem Arbeitspensum vom 50 % scheiterte, unterzog sich F.________ einer Behandlung in der Klinik K.________. Eine von der Klinik beim Röntgeninstitut A.________ in Auftrag gegebene weitere CT, diesmal des zerviko-thoracalen Übergangs, (vom 19. Oktober 1994) zeigte keine Abnormitäten auf. Der inzwischen den Versicherten behandelnde Arzt Dr. O.________ stellte am 2. Mai 1995 eine Tendenz zur depressiven Entwicklung fest. Gleichzeitig bezeichnete er das Beschwerdebild als chronisches, wechselnd ausgeprägtes, stark belastungsabhängiges Thoracalsyndrom und chronisches thoracocervicales Syndrom mit rezidivierenden cervicocephalen Beschwerden (Bericht vom 2. Mai 1995). Auf Vorschlag des Kreisarzt-Stellvertreters Dr. E.________ veranlasste Dr. O.________ bei PD Dr. K.________ eine psychiatrische Beurteilung und allenfalls eine Behandlung. PD Dr. K.________ erstattete hierüber am 30. Oktober 1995 Bericht. Im Zwischenbericht vom 9. Januar 1996 an die SUVA sprach Dr. O.________ von einem frustrierenden Heilungsverlauf und schlug eine abschliessende, nochmalige Behandlung in der Rehabilitationsklinik L.________ vor. Da er eine mechanische Bewegungsstörung wahrscheinlich auf der Ebene der Wirbelgelenke im Bereich C6 bis Th2 vermutete, aber selber bisher kein anatomisches Substrat für die rezidivierenden Blockierungen finden konnte, empfahl er zusätzlich eine röntgenkontrollierte gezielte Anästhesie verschiedener Wirbelgelenke am cervicothoracalen Übergang. Dies veranlasste den Kreisarzt, den Versicherten nochmals (vom 7. Februar bis 1. März 1996) in die Rehabilitationsklinik L.________ zwecks gezielter Schmerzanalyse und -bekämpfung sowie der Abklärung des Wiedereingliederungsstandes einzuweisen. Anlässlich dieses Aufenthaltes fand auch ein psychosomatisches Konsilium statt (Austrittsbericht vom 4. März 1996 mit separater Stellungnahme des Psychiaters Dr. R.________ vom 16. Februar 1996). Endlich führte Dr. W.________ am 18. März 1996 eine Abschlussuntersuchung durch. 
Nachdem die SUVA bisher Leistungen in Form von Taggeldern und Heilkosten erbracht hatte, teilte sie dem Versicherten mit Verfügung vom 8. Mai 1996 mit, gestützt auf die medizinischen Akten lägen keine organischen Unfallfolgen mehr vor; die weiterhin bestehenden Beschwerden seien auf eine psychische Fehlverarbeitung zurückzuführen, wofür die Anstalt mangels Adäquanz zum Unfall nicht einzustehen habe, weshalb die Leistungen auf Ende Juni 1996 eingestellt würden. Auf Einsprache hin holte die SUVA zusätzlich eine Stellungnahme (vom 11. März 1997) des Dr. M.________, Ärzteteam Unfallmedizin der SUVA, ein. In Berücksichtigung des vom Versicherten eingereichten Zusatzberichtes des PD Dr. K.________ vom 1. Juli 1996 hielt die SUVA mit Entscheid vom 21. Januar 1998 an ihrer Auffassung fest. 
 
B.- Dagegen liess F.________ Beschwerde erheben, welche das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 24. März 1999 abwies. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt F.________ sinngemäss beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie des Einspracheentscheides vom 21. Januar 1998 sei die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen für den Unfall vom 7. Februar 1994 über den 30. Juni 1996 hinaus zu erbringen; eventuell sei die Sache zur Einholung eines anstaltsexternen polydisziplinären Gutachtens und zu neuer Beurteilung an die SUVA zurückzuweisen. 
Während die Anstalt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden zutreffend dargelegt. Entsprechendes gilt auch für die Ausführungen zur Adäquanzbeurteilung bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 138 Erw. 6; vgl. BGE 123 V 100 Erw. 3). Darauf kann verwiesen werden. Die vom Beschwerdeführer durch den Hinweis auf den Entscheid S. vom 16. Januar 1998, U 16/97 (veröffentlicht in RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243) angerufene Rechtsprechung, wonach bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs auf eine Differenzierung zwischen somatischen und psychischen Komponenten verzichtet wird, gilt einzig für die Adäquanzbeurteilung bei einem Unfall mit Schleudertrauma der HWS und Schädel-Hirn-Trauma (vgl. auch BGE 122 V 415, 119 V 335; RKUV 1999 Nr. U 341 S. 407). 
 
2.- a) Die Vorinstanz ist in Würdigung der medizinischen Unterlagen davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt, in welchem die SUVA ihre Leistungen eingestellt hat (30. Juni 1996), keine wesentlichen organischen Unfallfolgen mehr vorlagen. Demgegenüber verlangt der Beschwerdeführer in diesem Punkt zusätzliche Abklärungen. Dabei beruft er sich im Wesentlichen auf den Bericht des Dr. O.________ vom 9. Januar 1996. 
 
b) aa) Zwar äussert Dr. O.________ in dieser Stellungnahme erstmals den Verdacht, ein anatomisches Substrat auf der Ebene der Wirbelgelenke am cervicothoracalen Übergang könnte die Ursache für die rezidivierenden Blockierungen am erwähnten Übergang rechts mit deutlich eingeschränkter Rotationsfähigkeit des Kopfes sein. Indessen brachten die bereits vor dem 9. Januar 1996 erfolgten umfassenden Abklärungen, welche neben zwei röntgenologischen Untersuchungen (vom 7. oder 8. Februar und 28. März 1994) und mehreren CT auch ein neurologisches Konsilium umfassten, keinen pathologischen Befund hervor, welcher mit dem Unfall vom 7. Februar 1994 in Verbindung gebracht werden konnte. So zeigte insbesondere die speziell den zerviko-thoracalen Übergang betreffende CT-Untersuchung des Röntgeninstituts A.________ vom 19. Oktober 1994 keine Abnormitäten auf. Weiter liessen weder die in Kenntnis der Vermutung des Dr. O.________ durchgeführten Schmerzanalysen in der Rehabilitationsklinik L.________ vom 7. Februar bis 1. März 1996 noch die am 18. März 1996 durchgeführte kreisärztliche Abschlussuntersuchung ein anatomisches Substrat erkennen. 
 
bb) Zudem geht aus den Akten hervor, dass die geklagten Beschwerden einige Zeit nach dem Unfallereignis zunehmend von einer psychischen Störung überlagert wurden. Anlässlich des Aufenthaltes des Versicherten in der Rehabilitationsklinik L.________ der SUVA vom 25. Juli bis 19. August 1994 wurden erste Anzeichen von Unzufriedenheit und Schlafstörungen wegen der dauernden Beschwerden festgestellt, indessen noch ohne Anzeichen für eine depressive Verstimmung. Dr. O.________ sprach in seinem Bericht vom 2. Mai 1995 von zunehmenden depressiven Momenten. Im psychiatrischen Bericht vom 30. Oktober 1995 stellte PD Dr. K.________ schliesslich die Diagnose einer Schmerzpersönlichkeit mit zusätzlich deutlichen Zügen einer neurotischen depressiv-narzisstischen Störung, was ein psychotherapeutisches Vorgehen erschwere, wenn nicht sogar verunmögliche. Zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an einer neurotisch-depressiv-narzisstischen Schmerzstörung leidet, ist in der Folge auch die Rehabilitationsklinik L.________ gelangt (Psychiatrisches Konsilium Dr. R.________ vom 16. Februar 1996). Nach Auffassung der Klinik-Ärzte ist die bestehende Arbeitsunfähigkeit ausschliesslich auf den psychischen Befund zurückzuführen. 
 
cc) Bei dieser Beweislage ist dem Eventualantrag auf Rückweisung zu ergänzenden Abklärungen nicht stattzugeben. Ebenso wenig besteht letztinstanzlich hinreichender Anlass für weitere Abklärungen in dieser Richtung. Insbesondere ist von einer von Dr. O.________ erwogenen röntgenkontrollierten gezielten Anästhesie verschiedener Wirbelgelenke am cervicothoracalen Übergang abzusehen. Mit SUVA und Vorinstanz ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt, in welchem die Anstalt ihre Leistungen eingestellt hat (30. Juni 1996), keine wesentlichen organischen Unfallfolgen mehr vorlagen. Eine solche antizipierte Beweiswürdigung ist zulässig und verstösst insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht, wie die ständige Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 1 aBV zeigt (BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis). Diese Rechtsprechung gilt auch unter der Herrschaft von Art. 29 Abs. 2 der auf den 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen BV, welche Bestimmung betreffend den verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör keine beweisrechtlich erheblichen Änderungen bringt. Daher kann vorliegend offen bleiben, in welchen Rechtsanwendungslagen die neue BV intertemporalrechtlich zum Zuge kommt (nicht veröffentlichtes Urteil S. vom 8. Februar 2000, I 362/99). 
 
3.- Zu prüfen bleibt, ob die anhaltenden psychischen Beschwerden in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 7. Februar 1994 stehen. Da unbestrittenermassen keine Schleuderverletzung der HWS vorliegt, ist die Kausalitätsfrage praxisgemäss unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach dem Unfall zu beurteilen (BGE 123 V 99 Erw. 2a). Hiezu bedarf es keiner weiteren Abklärungen. 
 
a) Nach den Arztberichten, insbesondere jenem von PD Dr. K.________ vom 1. Juli 1996, kann als erstellt gelten, dass die beim Beschwerdeführer bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorwiegend psychischer Natur zumindest teilweise eine Folge des Unfalls vom 7. Februar 1994 darstellen. Zu prüfen bleibt, ob auch die erforderliche Adäquanz des Kausalzusammenhangs gegeben ist. 
 
b) Mit SUVA und Vorinstanz ist der Unfall vom 7. Februar 1994 der Kategorie der mittelschweren Unfälle zuzuordnen, wobei er nach der Praxis (dargestellt in RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122; vgl. auch BGE 115 V 144, wo ein Ereignis, bei dem eine versicherte Person über eine 2 m hohe Böschung rückwärts auf ein Betonstück stürzte und sich dabei eine Kompressionsfraktur eines Thorakalwirbels zuzog, als mittelschwer, im Grenzbereich zu den leichten Unfällen liegend, eingestuft wurde) nicht als Grenzfall zu einem schweren Ereignis qualifiziert werden kann. Dies verbietet sich auch mit Rücksicht auf die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Unfallkausalität wäre daher nur zu bejahen, wenn eines der nach der Rechtsprechung für die Adäquanzbeurteilung als massgebend bezeichneten unfallbezogenen Kriterien in besonders ausgeprägter Weise gegeben oder mehrere Kriterien in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt wären. So verhält es sich jedoch nicht. Der Sturz ereignete sich weder unter besonders dramatischen Begleitumständen, noch war er objektiv gesehen besonders eindrücklich, auch wenn einzuräumen ist, dass das Rückwärtsfallen aus einer Höhe von 2,8 m für den Betroffenen während des Sturzes ein Gefühl von Angst und Hilflosigkeit auslösen kann. Art und Schwere der erlittenen Verletzungen sind erfahrungsgemäss wenig geeignet, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. Von einem schwierigen Heilungsverlauf mit erheblichen Komplikationen kann ebenso wenig die Rede sein wie von einer ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung oder der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit. Zu beachten ist hiebei, dass der Genesungsverlauf, wenn auch nicht bereits zu Beginn, dann doch schon bald einmal im Verlauf des zweiten Jahres durch die psychische Fehlentwicklung überlagt wurde (Erw. 2b/bb hievor) und der psychische Gesundheitsschaden in die Adäquanzbeurteilung nicht einbezogen werden darf (hiezu Erw. 1 in fine und Erw. 3 Ingress hievor). Dies übersieht der Beschwerdeführer in seinen Vorbringen. Was schliesslich die körperlichen Dauerschmerzen betrifft, ist dieses Kriterium jedenfalls nicht in besonders ausgeprägter Weise erfüllt. Insgesamt sind die nach der Rechtsprechung für die Adäquanz psychischer Unfallfolgen massgebenden Voraussetzungen daher nicht gegeben. 
 
4.- Nach dem Gesagten besteht der vorinstanzlich bestätigte Einspracheentscheid vom 21. Januar 1998 zu Recht. Dies auch insofern, als die bisherigen Leistungen auf den 30. Juni 1996 eingestellt worden sind. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs- 
gericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 15. Februar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
 
 
 
 
Der Gerichtsschreiber: