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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_795/2022, 5A_796/2022  
 
 
Urteil vom 15. Februar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Levante. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Hans Frey und/oder Dr. Orlando Vanoli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kanton Zürich, 
vertreten durch das Kantonale Steueramt Zürich, Gruppe Bezugsdienste, Bändliweg 21, Postfach, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegner, 
 
Betreibungsamt der Region Maloja, 
Chesa Ruppanner, 7503 Samedan. 
 
Gegenstand 
Zahlungsbefehl, 
 
Beschwerde gegen die Entscheide des Kantonsgerichts von Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung 
und Konkurs, vom 13. September 2022 (KSK 21 78, 
KSK 21 79). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 28. September 2021 liess das Betreibungsamt Maloja in der vom Kanton Zürich angehobenen Betreibung auf Sicherheitsleistung dem Vertreter von A.________ rechtshilfeweise den Zahlungsbefehl Nr. xxx sowie in der Betreibung auf Geldzahlung den Zahlungsbefehl Nr. yyy zustellen. Der Betriebene erhob in beiden Fällen Rechtsvorschlag.  
 
A.b. Mit Eingabe vom 7. Oktober 2021 erhob A.________ je eine Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Er beantragte die Feststellung, dass die Zahlungsbefehle rechtswidrig, allenfalls nichtig seien. Demnach sei das Betreibungsamt anzuweisen, die Betreibungen Nr. yyy und Nr. xxx aufzuheben.  
 
A.c. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl Nr. yyy mit Entscheid (KSK 21 79) vom 13. September 2022 ab, soweit darauf einzutreten war (Entscheiddispositiv-Ziff. 1). Die Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl Nr. xxx hiess es mit Entscheid (KSK 21 78) vom gleichen Tag insofern gut, als die Betreibung auf Sicherheitsleistung lediglich mit einer herabgesetzten Forderungssumme von Fr. 24'332'045.35 weitergeführt werden kann. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden kann (Entscheiddispositiv-Ziff. 1).  
 
B.  
A.________ hat am 17. Oktober 2022 je eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht, die Dispositiv-Ziff. 1 der kantonsgerichtlichen Entscheide aufzuheben. Er erneuert die im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Mit Verfügung vom 9. November 2022 wurden die Gesuche des Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, indes in der Sache keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Mit zwei weiteren Beschwerden wendet sich der Beschwerdeführer gegen die vom Beschwerdegegner beim gleichen Betreibungsamt veranlassten Zahlungsbefehle (Verfahren 5A_797/2022 und 5A_798/2022). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen die Entscheide des oberen kantonalen Gerichts als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Der im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführer ist als Betreibungsschuldner von den angefochtenen Entscheiden besonders berührt und daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Die beiden Beschwerden betreffen zwar je einen Zahlungsbefehl, lassen indes aufgrund der Identität der Verfahrensbeteiligten und sachverhaltlich und rechtlichen Nähe der Rügen eine Verbindung der Verfahren als zweckmässig erscheinen (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP).  
 
1.4. Mit den vorliegenden Beschwerden kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur soweit zulässig, als erst der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher auszuführen ist (BGE 148 V 174 E. 2.2).  
 
2.  
Anlass zur Beschwerde geben ein Zahlungsbefehl auf Sicherheitsleistung und ein Zahlungsbefehl auf Geldzahlung, die das Lead-Betreibungsamt im Zusammenhang mit einer Arrestlegung auf Begehren der kantonalen Steuerbehörde erlassen hatte. 
 
2.1. Der Beschwerdeführer besteht darauf, dass die Bezeichnung des Lead-Betreibungsamtes umfassend und nicht nur auf Nichtigkeit hin geprüft wird. Da das Verwaltungsgericht Zürich sich nicht als zuständig erachte, müsse sich die Vorinstanz nun in prozessualer Lückenfüllung mit dieser Frage befassen. Dies könne im Rahmen der gegen den Arrestbefehl erhobenen Beschwerde oder im vorliegenden Verfahren bei der Prüfung der Zahlungsbefehle erfolgen. Befasse sich die Vorinstanz nicht mit der Wahl des Lead-Betreibungsamtes, entstehe ein negativer Kompetenzkonflikt, was mit der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) nicht vereinbar sei.  
 
2.2. Das Bundesgericht hat sich in der Zwischenzeit mit dieser vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage bereits befasst. Es ist dabei zum Schluss gekommen, dass die Vorinstanz als kantonale Aufsichtsbehörde nicht verpflichtet sei, die Wahl eines Lead-Betreibungsamtes auf seine Rechtmässigkeit zu überprüfen. Daran könne auch die vom Beschwerdeführer angerufene Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) nichts ändern (Urteil 5A_794/2022 vom 9. Januar 2023 E. 2, zur Publikation vorgesehen). Diesem Entscheid ist vorliegend nichts beizufügen.  
 
2.3. Im Zentrum der Beschwerde steht die Frage, welche Bedeutung zwei gleichzeitig erhobenen teilidentischen Betreibungen zukommen kann. Die Vorinstanz hat die Betreibung auf Sicherheitsleistung Nr. xxx der Betreibung auf Geldzahlung Nr. yyy gegenübergestellt. Dabei hat sie - unter Hinweis auf BGE 129 III 193 - das Wesen der Betreibung auf Sicherheitsleistung hervorgehoben, die keine eigene Betreibungsart, sondern eine solche mit einem eigenen Zweck sei, nämlich der Sicherstellung von dereinst fälligen Forderungen diene. Im konkreten Fall enthalte die Betreibung auf Sicherheitsleistung für die direkten Bundessteuern auch den für die Steuerjahre 2005-2015 geschuldeten Betrag, der zugleich mit der Betreibung auf Geldzahlung für die Steuerjahre 2005-2013 geltend gemacht werde. Dies führe zu einer teilweisen Identität der Forderungen und im Zusammenhang mit der Arrestlegung zu einer unzulässigen Mehrfachbetreibung. Gestützt darauf hiess die Vorinstanz die Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl Nr. xxx gut und setzte den Betrag der Forderung in der Betreibung entsprechend auf Fr. 24'332'045.35 herab.  
 
2.3.1. Der Beschwerdegegner hat im kantonalen Verfahren eine abweichende Ansicht vertreten. Er hielt das von ihm gewählte Vorgehen für bundesrechtskonform, da es sich bei den beiden Betreibungen um grundsätzlich nicht identische Verfahren handle. Indes hat er die vorinstanzlichen Entscheide nicht angefochten und insbesondere zur Bedeutung der vorangehenden Arrestlegung nicht Stellung genommen. Unter diesem Blickwinkel kann die Beurteilung der teilidentischen Betreibungen und der Schluss, die Betreibung auf Sicherstellung sei für fällige Forderungen unzulässig, durch die kantonale Aufsichtsbehörde vom Bundesgericht nicht auf ihre Übereinstimmung mit dem Bundesrecht überprüft werden.  
 
2.3.2. Der Beschwerdeführer selber wehrt sich nicht gegen die vorinstanzliche Ansicht zur teilidentischen Betreibung, sondern schliesst sich dieser sogar ausdrücklich an. Soweit der Beschwerdeführer festhält, dass der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden sei, und insoweit gar keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides verlangt (vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG; vgl. BOVEY, in: Commentaire de la LTF, 3. Aufl. 2022, N. 21 f. zu Art. 76), ist fraglich, inwiefern er durch die Herabsetzung der gegen ihn gerichteten Forderung im Zahlungsbefehl auf Sicherheitsleistung für den Fortgang des Verfahrens überhaupt beschwert sein soll.  
 
2.4. Indes verlangt der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht die Aufhebung der Betreibung auf Sicherheitsleistung und der Betreibung auf Geldzahlung, indem er geltend macht, die Vorinstanz habe die Offizialmaxime verletzt: Das Kantonsgericht habe als Aufsichtsbehörde ungeachtet des klaren Gläubigerwillens von Amtes wegen den Betrag der Betreibung auf Sicherheitsleistung herabgesetzt. Zudem sei dem Betreibungsamt und der Aufsichtsbehörde nicht zuzumuten, komplizierte Berechnungen zur Forderungssumme anzustellen.  
 
2.4.1. Ausgehend von einer unzulässigen teilidentischen Mehrfachbetreibung kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die beiden Zahlungsbefehle zwar gültig bleiben, indes für den Fortgang der Betreibung auf Sicherheitsleistung die bereits fällige Forderung in Abzug gebracht werden müsse. Mit diesem Vorgehen - d.h. der Prüfung der Zulässigkeit mehrfacher Betreibung für eine identische Forderung - hat sie sich zu einer vollstreckungsrechtlichen Frage geäussert, was ihr als Aufsichtsbehörde grundsätzlich durchaus zusteht (vgl. BGE 139 III 444 E. 4; COMETTA/MÖCKLI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 11 ff. zu Art. 17).  
 
2.4.2. Daran kann auch die Berufung des Beschwerdeführers auf den Gläubigerwillen nichts ändern, zumal einzig der Beschwerdegegner dadurch betroffen ist. Inwieweit die Vorinstanz sich zu Unrecht auf die Offizialmaxime - ein Vorgehen ohne Bindung an Beschwerdeanträge - gestützt haben und welche Bedeutung diesem Prozessgrundsatz im vorliegenden Beschwerdeverfahren nach Art. 17 SchKG zukommen soll, ist nicht nachvollziehbar. Eine Verletzung der Dispositionsmaxime (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 3 SchKG) ist nicht erkennbar, da sich die Vorinstanz im Rahmen des durch die Anträge des Beschwerdeführers bestimmten Streitgegenstandes lediglich zu einer Rechtsfrage geäussert hat (LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 48 ff. zu Art. 20a). Es besteht daher kein Anlass, die Betreibung auf Geldzahlung und die Betreibung auf Sicherheitsleistung aufzuheben.  
 
3.  
Nach dem Gesagten kann der Vorinstanz keine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden. Damit ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner steht für seine Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerden 5A_795/2022 und 5A_796/2022 werden vereinigt. 
 
2.  
Die Beschwerden werden abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht von Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Februar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Levante