Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_465/2021
Urteil vom 15. März 2022
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
1. A.A.________ und.B.A.________,
2. C.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Anja Haller,
gegen
D.F.________ und E.F.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Michael Stalder,
Gemeinderat Baar,
Rathausstrasse 2, Postfach, 6341 Baar,
Amt für Umwelt des Kantons Zug,
Aabachstrasse 5, Postfach, 6301 Zug.
Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer,
vom 14. Juni 2021 (V 2020 43).
Sachverhalt:
A.
Am 23. Juni 2020 erteilte der Gemeinderat Baar D.F.________ und E.F.________ die Bewilligung zum Abbruch des Gebäudes Assek.-Nr. 1651a sowie zum Neubau eines Einfamilienhauses auf Grundstück Nr. 1939, Obere Rebhalde 46, Baar. Gleichzeitig wies er die Einsprachen von sechs Personen ab, u.a. diejenigen von A.A.________ und B.A.________ sowie von C.________. Mit Urteil vom 14. Juni 2021 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, die von A.A.________ und B.A.________ sowie von C.________ am 30. Juli 2020 erhobene Beschwerde ab.
B.
Gegen dieses Urteil erheben A.A.________ und B.A.________ sowie C.________ am 17. August 2021 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil vom 14. Juni 2021 aufzuheben und die Baubewilligung zu verweigern. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht, die Beschwerdegegner sowie der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Baar beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Amt für Umwelt des Kantons Zug verzichtet auf eine Stellungnahme. Die Beschwerdeführer äusserten sich am 5. Oktober 2021 nochmals zur Sache.
Erwägungen:
1.
1.1. Dem angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ) liegt ein Beschwerdeverfahren über eine baurechtliche Bewilligung zugrunde. Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund. Nach Art. 34 Abs. 1 RPG (SR 700) gelten für die Rechtsmittel an die Bundesbehörden die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.
1.2. Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Die Beschwerdeführer 1 sind als Eigentümer des Grundstücks Nr. 2491, das zirka 50 m entfernt vom Grundstück Nr. 1939 der Beschwerdegegner liegt, und der Beschwerdeführer 2, dessen Grundstück nur durch die Strasse "obere Rebhalde" vom Grundstück Nr. 1939 getrennt ist, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt. Sie haben ein aktuelles und schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 141 II 50 E. 2.1 mit Hinweisen).
1.3. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführer beantragen die Durchführung eines Augenscheins durch das Bundesgericht. Der rechtserhebliche Sachverhalt geht jedoch aus den Akten hinreichend hervor, weshalb darauf verzichtet werden kann.
3.
3.1. Die bestehende Baute auf dem Grundstück Nr. 1939 soll abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt werden. Dagegen opponieren die Beschwerdeführer. Sie beanstanden, der Neubau ordne sich nicht in die Umgebung ein und verletze damit § 12 der Bauordnung vom 5. Juni 2005 der Gemeinde Baar. Dieser schreibt in Absatz 1 vor, dass sich Gebäude hinsichtlich Grösse, Lage, Gestaltung und Oberfläche des Baukörpers sowie dessen Aussenraumes so in die Umgebung einzuordnen haben, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht. In Absatz 2 ist festgelegt, dass Bauten sich insbesondere in Landschaften sowie Orts-, Quartier- und Strassenbilder gut einordnen müssen.
3.2. Die Beschwerdeführer haben bei der Vorinstanz die Durchführung eines Augenscheins beantragt. Die Vorinstanz hat dies abgelehnt. Sie hat dies bezüglich der Frage der Einordnung in Erwägung 8.3 seines Urteils damit begründet, dass sie auf dem Nachbargrundstück Nr. 1940 bereits einen Augenschein durchgeführt habe, bei welchem die Situation vor Ort habe festgestellt werden können. Dem Gericht seien die örtlichen Verhältnisse daher hinlänglich bekannt, weshalb es ihm, unter Beizug der Pläne und Ansichten des Bauvorhabens, ohne weiteres möglich sei, über die Frage der Einordnung zu entscheiden. In Erwägung 7.9 setzte sich die Vorinstanz materiell mit der Frage der Einordnung auseinander und nahm dort Bezug auf den auf dem benachbarten Grundstück Nr. 1940 durchgeführten Augenschein.
3.3. Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, weil die Vorinstanz einerseits keinen Augenschein durchgeführt habe, und andererseits, weil die Vorinstanz auch das Protokoll des Augenscheins auf dem Nachbargrundstück GS Nr. 1940, bei welchem die Beschwerdeführer 1 nicht anwesend gewesen seien, nicht zum Beweisgegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht habe.
3.4. Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieses dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört unter anderem das Recht der Betroffenen, an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör wird zudem eine allgemeine Aktenführungspflicht der Behörden abgeleitet, als Gegenstück zum Akteneinsichts- und Beweisführungsrecht der Parteien. Dazu gehört die Pflicht zur Protokollierung entscheidrelevanter Abklärungen, Einvernahmen und Verhandlungen im Rechtsmittelverfahren. Das Protokoll dient einerseits den Richtern und dem Gerichtsschreiber als Gedächtnisstütze und soll es ihnen ermöglichen, die Ausführungen der Parteien tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und pflichtgemäss zu würdigen; andererseits soll es Auskunft über die Einhaltung der Verfahrensvorschriften geben und die Rechtsmittelinstanzen in die Lage versetzen, den angefochtenen Entscheid zu überprüfen (BGE 142 I 86 E. 2.2). Vorliegend ist festzustellen, dass kein Protokoll des Augenscheins auf dem Grundstück Nr. 1940 bei den Akten liegt. Damit konnten insbesondere die Beschwerdeführer 1, die geltend machen, dass sie am Augenschein nicht teilnahmen, sich nicht zum Protokoll äussern. Auch kann, da das Protokoll nicht vorliegt, nicht überprüft werden, ob die Beschwerdeführer 1 tatsächlich nicht daran teilgenommen habend.
3.5. Die Vorinstanz hat auf den von ihr auf dem Nachbargrundstück durchgeführten Augenschein in der Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen, sodass jener Augenschein und das darüber erstellte Protokoll entscheidrelevant waren. Eine Behörde, die neue Akten beizieht, auf die sie sich in ihrem Entscheid zu stützen gedenkt, ist grundsätzlich gehalten, die Parteien darüber zu informieren. Sie kann davon absehen, wenn sie auf ein Dokument abstellt, das jedermann hätte einsehen können (BGE 112 Ia 198 E. 2a). Beim Protokoll des Augenscheins handelt es sich nicht um ein solches.
3.6. Nach dem Gesagten ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführer zu bejahen. Dieser Mangel kann wegen der beschränkten Kognition des Bundesgerichts nicht geheilt werden (Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 1 und 2 BGG). Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegen die Beschwerdeführer. Die privaten Beschwerdegegner werden damit unter Solidarhaft kosten- und entschädigungspflichtig ( Art. 66 und 68 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, vom 14. Juni 2021 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden unter Solidarhaft den Beschwerdegegnern auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren unter Solidarhaft mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Baar, dem Amt für Umwelt des Kantons Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. März 2022
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Dold