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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_861/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 15. April 2014  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Schöbi, Bovey, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwälte Thomas Pietruszak und Dr. René Hirsiger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Y.________, 
vertreten durch Fürsprecher Claude Lengyel, 
Beschwerdegegner, 
 
Betreibungsamt Zug.  
 
Gegenstand 
Aufhebung des Zahlungsbefehls, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 5. November 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Y.________ arbeitete vom 1. Oktober 2000 bis am 30. September 2009 für die X.________ AG. Am 23. August 2013 betrieb Y.________ die X.________ AG für einen Forderungsbetrag von Fr. 1.2 Mio. nebst Zins zu 5 % seit 31. Dezember 2004. Als Grund der Forderung gab er an: "Forderung aus Arbeitsvertrag und Strafverfahren etc.". Der entsprechende Zahlungsbefehl vom 26. August 2013 wurde der X.________ AG am 27. August 2013 zugestellt, worauf sie mit Schreiben vom 28. August 2013 Rechtsvorschlag erhob. 
 
B.  
 
B.a. Mit Eingabe vom 3. September 2013 erhob die X.________ AG beim Obergericht des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde im Sinne von Art. 17 SchKG gegen den Zahlungsbefehl vom 26. August 2013 in der Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Zug und beantragte, den Zahlungsbefehl aufzuheben.  
 
B.b. Am 11. September 2013 reichte das Betreibungsamt Zug Unterlagen ein, welche ihm von Y.________ mit Schreiben vom 10. September 2013 zugesandt worden waren.  
 
B.c. In der freigestellten Vernehmlassung vom 13. September 2013 liess Y.________ die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde beantragen.  
 
B.d. Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Urteil vom 5. November 2013 ab.  
 
C.  
 
C.a. Mit Eingabe vom 13. November 2013 gelangte die X.________ AG (Beschwerdeführerin) ans Bundesgericht. Sie beantragt, Ziffer 1 des Urteils des Obergerichts vom 5. November 2013 sowie den Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Zug vom 26. August 2013 aufzuheben.  
 
C.b. In der Sache hat das Obergericht auf eine Vernehmlassung verzichtet. Hingegen beantragt das Betreibungsamt die Abweisung der Beschwerde. Y.________ (nachfolgend Beschwerdegegner) ersucht um Abweisung der Beschwerde.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, welcher gemäss Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG der Beschwerde in Zivilsachen unterliegt, ohne dass es auf den Streitwert ankommt (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Ein Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG (BGE 133 III 350 E. 1.2 S. 351). Die fristgemäss erhobene Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig.  
 
1.2. Mit Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art. 106 Abs. 1 BGG). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S. 591).  
 
2.   
Strittig ist einzig die Gültigkeit des Zahlungsbefehls vom 26. August 2013. 
 
2.1. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin genügt der ihr zugestellte Zahlungsbefehl den bundesrechtlichen Anforderungen von Art. 67 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG nicht, da er als Forderungsgrund lediglich die Bezeichnung "Forderung aus Arbeitsvertrag und Strafverfahren etc." enthalte. Der Beschwerdegegner und die Vorinstanz stellen sich demgegenüber auf den Standpunkt, der Forderungsgrund sei auf dem Zahlungsbefehl rechtsgenügend umschrieben. Aus der bisherigen Korrespondenz und dem rechtshängigen Strafverfahren sei der betriebenen Beschwerdeführerin aus dem Gesamtzusammenhang ausreichend klar, wofür sie betrieben werde. Der Grund der Forderung, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdeführerin, sei überdies bereits aus den Angaben im Zahlungsbefehl selbst erkennbar.  
 
2.2. Im Betreibungsbegehren ist u.a. die Forderungsurkunde und deren Datum, in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung anzugeben (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG) und gemäss Art. 69 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG in den Zahlungsbefehl aufzunehmen. Die Umschreibung des Forderungsgrundes bzw. der Forderungsurkunde soll dem Betriebenen zusammen mit dem übrigen Inhalt des Zahlungsbefehls über den Anlass der Betreibung Aufschluss geben und ihm erlauben, sich zur Anerkennung oder Bestreitung der in Betreibung gesetzten Forderung zu entschliessen. Er soll nämlich nicht Rechtsvorschlag erheben müssen, um in einem anschliessenden Prozess von der gegen ihn geltend gemachten Forderung Kenntnis zu erhalten. Die Anforderungen an die Umschreibung der Forderung müssen mithin diesem Zweck genügen. Eine knappe Umschreibung genügt namentlich dann, wenn dem Betriebenen der Grund der Forderung nach Treu und Glauben aus dem Gesamtzusammenhang erkennbar ist. Ein ungenügender Hinweis auf den Forderungsgrund führt im Übrigen nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Zahlungsbefehls (BGE 121 III 18 E. 2a u. b S. 19 f. mit Hinweisen). Die Anforderungen an die Umschreibung des Forderungsgrundes hängen somit wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab ( WÜTHRICH/SCHOCH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 39 zu Art. 69 SchKG). In diesem Sinne erachtete das Bundesgericht die Umschreibung des Forderungsgrundes mit "Schadenersatz" im konkreten Fall als nicht genügend (Urteil B.28/1995 vom 17. März 1995 E. 3, nicht veröffentlicht in BGE 121 III 18), ebenso die Angabe "laut Rechnungsauszug", wenn der angerufene Rechnungsauszug dem Betriebenen nicht bereits mitgeteilt worden war (BGE 29 I 356). Als ausreichend betrachtet wurde hingegen die Umschreibung "Unerlaubte Handlungen sowie Schadenersatz aus Zusammenarbeit und Geschäftsführung Z. AG vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 2004" (Urteil 7B.182/2005 vom 1. Dezember 2005 E. 3, in: Praxis 2006 Nr. 58 S. 422).  
 
2.3. Bei Betreibungen für periodische Leistungen muss im Betreibungsbegehren und Zahlungsbefehl die Periode angegeben werden, für welche die Betreibung eingeleitet wird (Urteil 5A_413/2011 vom 22. Juli 2011 E. 2). Es genügt somit bei Dauerschuldverhältnissen mit periodischen Zahlungspflichten nicht, einfach für "Lohn", "Unterhalt" oder "Mietzins" zu betreiben. Wer zudem für mehrere Forderungen betreibt, hat diese genau zu benennen, denn jede dieser Forderungen hat ihren eigenen Grund (vgl. HANSJÖRG PETER, BlSchK 2013 S. 33 f.).  
 
2.4. Entgegen der Ansicht von Vorinstanz und Beschwerdegegner konnte sich die Beschwerdeführerin lediglich aufgrund der Angaben auf dem Zahlungsbefehl keine hinreichende Klarheit darüber verschaffen, wofür der Beschwerdegegner sie betreibt. Aus dem strittigen Zahlungsbefehl geht zwar hervor, dass die Beschwerdeführerin aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdegegner in Anspruch genommen werden soll. Unklar bleibt jedoch, auf welchen gesetzlich oder vertraglich vorgesehenen Umstand innerhalb dieses Schuldverhältnisses sich der Beschwerdegegner genau beruft und für welche Zeitperioden offene Forderungen bestehen sollen. Nicht aussagekräftig ist auch der weitere auf dem Zahlungsbefehl angegebene Grund "Strafverfahren", gänzlich nichtssagend die ergänzende Bemerkung "etc.".  
 
3.   
Es stellt sich daher die Frage, ob die Beschwerdeführerin den Grund der Forderungen trotz der unpräzisen Bezeichnung auf dem Zahlungsbefehl gleichwohl nach Treu und Glauben aus dem Gesamtzusammenhang erkennen konnte. 
 
3.1. Die Vorinstanz und der Beschwerdegegner argumentieren, die erforderliche Substanziierung der Forderung ergebe sich auch aus einem 22-seitigen Schreiben des Beschwerdegegners an die Beschwerdeführerin vom 30. Juni 2009. Der Strafklage vom 5. April 2011 könne zudem entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin Beweismittel unterdrückt haben soll, die für die liquide Substanziierung notwendig gewesen wären. Die Beschwerdeführerin rügt die vorinstanzliche Feststellung über die Zustellung des Schreibens vom 30. Juni 2009 nicht. Sie wendet jedoch ein, sie habe im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls nicht darauf schliessen können, dass sich die in Betreibung gesetzte Forderung auf die im erwähnten Schreiben enthaltene Forderungsaufstellung abstütze. Zusätzlich macht sie geltend, die nachträgliche Substanziierung der in Betreibung gesetzten Forderung durch den Beschwerdegegner erfolge verspätet.  
 
3.2. Die Einwände der Beschwerdeführerin sind berechtigt. Die Zustellung des nicht im Zahlungsbefehl aufgeführten Schreibens des Beschwerdegegners vom 30. Juni 2009 liegt nicht in zeitlicher Nähe zur Ausstellung des strittigen Zahlungsbefehls vom 26. August 2013. Zudem geht die im Zahlungsbefehl genannte Forderungshöhe von Fr. 1'200'000.-- deutlich über den mit erwähntem Schreiben geforderten Gesamtbetrag von rund Fr. 780'000.-- hinaus. Die ergänzende Bezeichnung "etc." im Zahlungsbefehl lässt die behaupteten juristischen Entstehungsgründe der nunmehr auf dem Betreibungsweg geltend gemachten Forderungen vollends unklar erscheinen. Unter diesen Umständen belegt das erwähnte Schreiben lediglich den Konflikt zwischen den Parteien im Allgemeinen. Es erlaubte der Beschwerdeführerin jedoch nicht, die konkret in Betreibung gesetzten Forderungen hinreichend zu individualisieren. Für welche Forderungen die Beschwerdeführerin im Einzelnen betrieben wurde, lässt sich auch der Strafklage vom 5. April 2011 nicht entnehmen. Darin wird Mitarbeitern der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie hätten ein dem Beschwerdegegner zustehendes Arbeitszeugnis vernichtet oder beiseitegeschafft und Informationen verweigert, nicht aber auf Geldforderungen des Beschwerdegegners Bezug genommen. Die Meinungsbildung der Beschwerdeführerin über die Erhebung des (evtl. teilweisen) Rechtsvorschlags erscheint somit beeinträchtigt, da für sie im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls nicht hinreichend erkennbar war, wofür der Beschwerdegegner sie betreibt.  
 
3.3. Unbehelflich ist schliesslich der Hinweis von Beschwerdegegner und Vorinstanz, die Beschwerdeführerin habe vom Betreibungsamt gemäss Art. 73 Abs. 1 SchKG verlangen können, dass es den Gläubiger auffordere, die Beweismittel für die Forderung innerhalb der Bestreitungsfrist beim Amt zur Einsicht vorzulegen. Aus dieser Bestimmung kann keine Nachforschungsobliegenheit des Schuldners abgeleitet werden. Was für Forderungen in Betreibung gesetzt worden sind, muss der Schuldner bereits im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls nach dem Vertrauensprinzip aus dem Gesamtzusammenhang erkennen können, was vorliegend nicht der Fall war. Es genügt nicht, wenn sich diese Informationen erst den Eingaben des Gläubigers im Beschwerdeverfahren entnehmen lassen. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdegegner die Betreibung bloss zum Zweck der Verjährungsunterbrechung eingeleitet hat, worauf er in seinen Vernehmlassungen an die Vorinstanz und an das Bundesgericht ausdrücklich hinwies.  
 
3.4. Indem die kantonale Aufsichtsbehörde zum Schluss kam, dass die Bezeichnung "Forderung aus Arbeitsvertrag und Strafverfahren etc." im vorliegenden Fall den gesetzlichen Anforderungen genüge, hat sie nach dem Gesagten Bundesrecht verletzt, was zur Gutheissung der Beschwerde führt.  
 
4.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Eine Rückweisung der Sache an die kantonale Aufsichtsbehörde zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG) erübrigt sich, da das Verfahren vor der kantonalen Aufsichtsbehörde kostenlos war (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG) und keine Parteientschädigung zugesprochen werden durfte (Art. 62 Abs. 2 der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, GebV SchKG, SR 281.35). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, vom 5. November 2013 sowie der Zahlungsbefehl Nr. xxx vom 26. August 2013 des Betreibungsamtes Zug über Fr. 1'200'000.-- werden aufgehoben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Zug und dem Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. April 2014 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss