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[AZA] 
I 474/99 Vr 
 
III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Arnold 
 
Urteil vom 15. Mai 2000  
 
in Sachen 
 
M.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. I.________, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, Binningen, 
Beschwerdegegnerin, 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
    A.- Der 1962 geborene M.________ arbeitete seit der 
Einreise in die Schweiz im Frühjahr 1991 bis 14. November 
1991 bei der B.________ AG als Kunststeinschleifer. Seither 
geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Wegen eines ab 
Mitte 1991 aufgetretenen Rückenleidens war er vom 26. Mai 
bis 11. Juni 1992 im Spital X.________ hospitalisiert, wo 
eine sequestrierte Diskushernie L5/S1 diagnostiziert wurde 
und ein ausgedehnter neurochirurgischer Eingriff erfolgte 
(Operation vom 1. Juni 1992: Fenestration L4/5 und S1 
links, Hemilaminektomie LW 4 links, Diskektomie L5/S1 links 
und Sequesterotomie und Formaminotomie L4 bis S1). Zur 
stationären Rehabilitation weilte er vom 13. Oktober bis 
10. November 1992 in der Rehabilitationsklinik Y.________. 
Am 16. November 1992 meldete sich M.________ bei der Inva- 
lidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen 
in medizinischer und beruflich-erwerblicher Hinsicht sprach 
ihm die IV-Stelle Basel-Landschaft vom 1. November 1992 bis 
31. Januar 1996 eine ganze und ab 1. Februar 1996 eine 
halbe Rente zu (Verfügung vom 22. Dezember 1997). 
 
    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Rechts- 
begehren um Zusprechung einer unbefristeten ganzen Inva- 
lidenrente ab 1. Februar 1996 wies das Versicherungsgericht 
des Kantons Basel-Landschaft ab (Entscheid vom 16. Juni 
1999). 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ 
das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. Fer- 
ner beantragt er unentgeltliche Verbeiständung. 
    Die IV-Stelle verzichtet auf eine Stellungnahme. Das 
Bundesamt für Sozialversicherung reicht keine Vernehm- 
lassung ein. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Das kantonale Gericht hat die massgebenden ge- 
setzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der 
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenan- 
spruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invalidi- 
tätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Ein- 
kommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) sowie die Be- 
deutung ärztlicher Auskünfte bei der Ermittlung des Inva- 
liditätsgrades (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c) 
zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Zu 
ergänzen ist, dass nach der Rechtsprechung bei einer rück- 
wirkend verfügten abgestuften und/oder befristeten Rente 
Revisionsgründe (Art. 41 IVG; BGE 113 V 275 Erw. 1a mit 
Hinweisen) vorliegen müssen. Der Zeitpunkt des Wechsels für 
die Herauf-, Herabsetzung oder Aufhebung der Rente bestimmt 
sich nach Art. 88a IVV, welche Norm insoweit über die 
eigentliche Rentenrevision hinaus gilt (BGE 125 V 417 
Erw. 2d, 109 V 127). 
 
    2.- Nach dem Gutachten des Zentrums für Medizinische 
Begutachtung (ZMB) vom 16. Januar 1996 kann der Beschwerde- 
führer auf Grund seiner Leiden (Lumboradikuläres Syndrom 
links ohne sichere Höhenlokalisation, depressive Entwick- 
lung) die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kunststein- 
schleifer, welche das Heben von schwersten Lasten sowie die 
Arbeit in körperlicher Zwangshaltung an Maschinen erforder- 
te, nicht mehr verrichten. Hingegen ist ihm aktuell eine 
dem Rückenleiden angepasste Tätigkeit (Verzicht auf Heben 
schwerer Lasten, Möglichkeit zu wechselnder Körperhaltung) 
zu 50 % zumutbar. Gestützt darauf und unter Berücksichti- 
gung der umfangreichen medizinischen Dokumentation ist es 
nicht zu beanstanden, wenn die Verwaltung im Ergebnis davon 
ausging, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe 
sich im Vergleich zu November 1992 in revisionsbegründender 
Art geändert, dem Versicherten seien nunmehr leichtere, 
rückenadaptierte Tätigkeiten, z.B. im Kleinmontagebetrieb, 
zu 50 % wieder zumutbar und sie in zeitlicher Hinsicht die 
entsprechende Arbeitsfähigkeit der Rentenherabsetzung auf 
Februar 1996 zu Grunde legte. 
 
    3.- Für die Beurteilung, ob die von der Vorinstanz be- 
stätigte Herabsetzung des Rentenanspruchs mit Wirkung ab 
Februar 1996 zu Recht erfolgte, bleiben die erwerblichen 
Auswirkungen der für diesen Zeitpunkt massgebenden, eben 
umschriebenen Restarbeitsfähigkeit (50 % hinsichtlich 
leichterer, leidensangepasster Tätigkeit) zu prüfen. 
    a) Mit Vorinstanz und Verwaltung ist hinsichtlich der 
Ermittlung des hypothetischen Einkommens ohne Invalidität 
(Valideneinkommen) von den Angaben der letzten Arbeit- 
geberin (Bericht vom 18. Mai 1993, Auskunft vom 21. Juni 
1996) auszugehen. Demnach hätte der Beschwerdeführer im Mai 
1993 einen Stundenlohn von Fr. 19.75, im Februar 1997 einen 
solchen von Fr. 21.- erzielt. Da die tatsächlichen Ver- 
hältnisse im Zeitpunkt der umstrittenen Rentenherabsetzung, 
somit im Februar 1996, massgebend sind (BGE 121 V 366 
Erw. 1b mit Hinweis), besteht entgegen der Auffassung des 
Beschwerdeführers jedenfalls kein Anlass, zu seinen Gunsten 
einen höheren Stundenlohn als Fr. 21.- anzunehmen, wie es 
die Verwaltung tat. Weil bei einer 5-Tage-Woche durch- 
schnittlich 21,75 Arbeitstage auf den Monat entfallen und 
hier das Abstellen auf den exakten Wert der Genauigkeit der 
darauf basierenden Berechnungen wegen dem von der Verwal- 
tung praktizierten Aufrunden (ohne Angabe von Gründen) auf 
22 Tage vorzuziehen ist, ergibt sich - bei ansonsten 
gleichbleibenden Faktoren - ein Valideneinkommen von 
Fr. 49'588.- statt Fr. 50'124.- (ARV 1977 Nr. 2 S. 5; 
Streiff/von Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, Der 
Arbeitsvertrag OR 319-362 mit Kommentaren für Lehre und 
Praxis, 5. Aufl., N 12 zu Art. 321c OR). 
 
    b) Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung 
zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invaliden- 
einkommen) ist mit dem kantonalen Gericht auf die Tabellen- 
löhne abzustellen, da der Versicherte nach Eintritt des 
Gesundheitsschadens keine neue Erwerbstätigkeit mehr auf- 
genommen hat (BGE 124 V 322). Massgebend ist Tabelle 
A 1.1.1 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 1996 des 
Bundesamtes für Statistik, wobei zu berücksichtigen ist, 
dass der hier relevante monatliche Bruttolohn (Zentralwert) 
für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Anforde- 
rungsniveau 4) beschäftigten Männer im privaten Sektor von 
40 auf die durchschnittliche Arbeitszeit von 41,9 Stunden 
hochzurechnen ist. Insoweit ist die vorinstanzliche Berech- 
nung zu korrigieren (Fr. 53'975.- statt Fr. 51'528.-). Wenn 
das kantonale Gericht eine Kürzung des Tabellenlohnes um 
25 % vornimmt, womit sich bei einem Pensum von 50 % ein 
Invalideneinkommen von Fr. 20'241.- ergibt, ist dies im 
Rahmen der Angemessenheitskontrolle nicht zu beanstanden 
(Art. 132 lit. a OG; BGE 114 V 316 Erw. 5a mit Hinweisen). 
Soweit der Beschwerdeführer einen weitergehenden Abzug gel- 
tend macht, kann ihm nicht gefolgt werden. 
 
    c) Aus dem Vergleich der hypothetischen Einkommen 
(Invalideneinkommen: Fr. 20'241.-; Valideneinkommen: 
Fr. 49'588.-) resultiert ein Invaliditätsgrad von 59,20 %, 
weshalb die vorinstanzlich bestätigte Zusprechung einer 
halben Rente ab 1. Februar 1996 nicht zu beanstanden ist. 
    Die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach trotz 
Unterschreitung des für die Zusprechung einer ganzen Rente 
wesentlichen Eckwertes nach Art. 28 Abs. 1 IVG (66 2/3 %), 
um mehrere Prozentpunkte wegen der Ungenauigkeit der Inva- 
liditätsbemessung ab 1. Februar 1996 weiterhin eine ganze 
Rente zuzusprechen sei, ist zu verwerfen. Wenn der Bundes- 
gesetzgeber prozentgenaue Eckwerte für die Zusprechung von 
Renten vorsieht, steht es nicht im Belieben des Rechtsan- 
wenders bei Unterschreiten derselben, in Missachtung des 
klaren und unmissverständlichen Wortlautes des Gesetzes, 
eine Rente für einen höheren, im zu beurteilenden Fall 
nicht erreichten Invaliditätsgrad zuzusprechen. Gegen- 
teiliges findet im vom Beschwerdeführer angerufenen Aufsatz 
Ulrich Meyer-Blaser, Zur Prozentgenauigkeit in der Inva- 
liditätsschätzung, in: Rechtsfragen der Invalidität in der 
Sozialversicherung, (Hrsg) Schaffhauser/Schlauri, Luzern 
1999, S. 9 ff., keine Stütze. Anknüpfend an das Ergebnis, 
auf Grund aller von Gesetzes wegen zu berücksichtigenden 
Wertungsgesichtspunkte scheide die Annahme von Prozent- 
genauigkeit aus, spricht sich der Autor dafür aus, es sei 
aus Sicht der richterlichen Überprüfung unerlässlich, dass 
die einzelnen Schritte der Invaliditätsbemessung mit aller 
Sorgfalt erfolgten. Das Ergebnis dieses Verfahrens laute 
letztlich rechnerisch auf einen Invaliditätsgrad, der in 
einer einzelnen Prozentzahl oder sogar in einem Bruchteil 
davon zu Buche schlage. Dies sei unvermeidlich, und dagegen 
sei auch nichts einzuwenden, solange mit dem rechnerisch 
genauen Ergebnis nicht der Eindruck erweckt werden wolle, 
dem Resultat liege eine Genauigkeit zu Grunde, die es gar 
nicht haben könne. Die Aussage ("Folgerung"), wonach 
Differenzierungen des Invaliditätsgrades im Bereich +/-1 % 
nicht feststellbar seien und die Erfassbarkeit allenfalls 
bei +/- 10 % beginne, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. 
Sie führt nach Meinung des Autors zu den weiteren Thesen, 
wonach in der UV und MV einerseits Erwerbsunfähigkeiten 
über 90 % mit 100 % Invaliditätsgrad und Erwerbsunfähig- 
keiten von weniger als 10 % rentenmässig nicht entschädigt 
werden sollten. Darauf näher einzugehen besteht hier indes 
kein Anlass. 
 
    4.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungs- 
leistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskos- 
ten zu erheben. Die unentgeltliche Verbeiständung kann ge- 
währt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da 
die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde im Zeit- 
punkt ihrer Einreichung nicht als aussichtslos zu be- 
zeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 124 V 309 
Erw. 6 mit Hinweisen; AHI 1999 S. 85 Erw. 3). Es wird in- 
dessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam ge- 
macht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse 
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im 
Stande ist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung 
    wird Rechtsanwalt Dr. I.________ für das Verfahren vor 
    dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Ge- 
    richtskasse eine Entschädigung (einschliesslich Mehr- 
    wertsteuer) von Fr. 1200.- ausgerichtet. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge- 
    richt des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt 
    für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 15. Mai 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: 
 
i.V.