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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.115/2003 /min 
 
Urteil vom 15. Mai 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Gerichtsschreiberin Scholl. 
 
Parteien 
A.________, Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Claudia Zumtaugwald, Ineichen & Ulmi, Weggisgasse 29, Postfach 5147, 6000 Luzern 5, 
 
gegen 
 
B.________, Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Vonesch, Sempacherstrasse 6, Postfach 2070, 6002 Luzern, 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsprozess), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, vom 12. Februar 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Zwischen B.________ (Ehefrau) und A.________ (Ehemann) ist ein Scheidungsverfahren hängig. Im Rahmen vorsorglicher Massnahmen verpflichtete der Instruktionsrichter des Amtsgerichts Luzern-Land A.________ mit Entscheid vom 24. Oktober 2002 zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen ab dem 1. Februar 2002 in der Höhe von Fr. 450.-- an seine Ehefrau und von Fr. 700.-- an die gemeinsame Tochter. 
B. 
Dagegen gelangten beide Parteien mit Rekurs an das Obergericht des Kantons Luzern. Mit Entscheid vom 12. Februar 2003 setzte dieses die von A.________ zu leistenden Unterhaltsbeiträge wie folgt fest: Zu Gunsten seiner Ehefrau Fr. 650.-- von März 2002 bis Oktober 2002 sowie ab März 2003; zu Gunsten seiner Tochter Fr. 250.-- für den Monat Februar 2002 und für November 2002 bis Februar 2003, sowie Fr. 700.-- für März 2002 bis Oktober 2002 und ab März 2003. Im Übrigen wies es die Rekurse ab. 
C. 
A.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheids bezüglich der Unterhaltsbeiträge an B.________ insgesamt und bezüglich der Unterhaltsbeiträge an seine Tochter betreffend den Zeitraum März 2002 bis Oktober 2002. Er stellt zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
Vernehmlassungen wurden nur zur Frage der aufschiebenden Wirkung eingeholt: Sowohl die Beschwerdegegnerin wie das Obergericht schliessen darin auf Abweisung des Gesuchs. Die Beschwerdegegnerin stellt sodann ebenfalls ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
Mit Verfügung vom 3. April 2003 gewährte der Präsident der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung in Bezug auf die bis und mit Februar 2003 geschuldeten Unterhaltsbeiträge, im Übrigen wies er das entsprechende Gesuch ab. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im hängigen Scheidungsprozess. Gegen einen solchen Entscheid kann staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte geführt werden (BGE 118 II 369 E. 1 S. 371). 
 
Grundsätzlich unzulässig im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind neue Sachvorbringen (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71; 109 Ia 5 E. 3b S. 9). Nicht zu beachten sind daher die vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen, soweit sie sich nicht bereits in den kantonalen Akten befinden. Ebenfalls unzulässig sind die von ihm eingebrachten neuen Sachverhaltselemente - insbesondere die Ausführungen zu den Umständen des Auszugs der Beschwerdegegnerin aus der Wohnung sowie der fehlende Kontakt zu seiner Tochter - welche dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen sind. 
2. 
Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat sich ein Beschwerdeführer mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinander zu setzen und im Einzelnen darzustellen, worin die Verletzung der angerufenen Verfassungsrechte bestehen soll. Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und einlässlich erhobene Rügen, was insbesondere eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid bedingt. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3; 125 I 492 E. 1b S. 495; 127 III 279 E. 1c S. 282). Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht genügt die vorliegende Beschwerde nicht in allen Teilen. 
2.1 Dies gilt zunächst für die Rüge des Beschwerdeführers, durch die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens im Zeitraum vom März 2002 bis Oktober 2002 verletze das Obergericht den Anspruch auf Gleichbehandlung. 
 
Der Beschwerdeführer legt zwar ausführlich dar, wie sich seine Einkommensverhältnisse in der strittigen Zeitspanne dargestellt haben, ohne jedoch auf die konkreten Erwägungen des Obergerichts Bezug zu nehmen. Das effektiv erzielte Einkommen hat das Obergericht denn auch nicht in Zweifel gezogen. Hingegen hat es angenommen, dass es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen wäre, ein höheres Einkommen zu erzielen. Mit den dafür angeführten Gründen (ungenügendes Einkommen der Parteien; früheres sehr hohes Einkommen des Beschwerdeführers; durchschnittlicher Bruttolohn für entsprechende Fachkraft gemäss Lohnstrukturerhebung 2000 des Bundesamtes für Statistik; junger und gesunder Arbeitnehmer) setzt sich der Beschwerdeführer jedoch in keiner Weise auseinander. Soweit er zudem auf mangelnde objektive Gründe für die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens verweist, verkennt er, dass ein Fehlverhalten des Pflichtigen keine Voraussetzung für die Anrechnung eines höheren Einkommens darstellt (BGE 128 III 4 E. 4a S. 5 f.). Dass es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, ein höheres Einkommen zu erzielen, führt er dagegen nicht näher aus. Insgesamt genügt daher die Eingabe in diesem Punkt den Anforderungen an eine staatsrechtliche Beschwerde nicht, so dass darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
2.2 Gleiches gilt für die Rüge betreffend die Mietkosten der Beschwerdegegnerin. Das Obergericht hat ermessensweise Wohnungskosten von Fr. 600.-- anerkannt, obwohl es davon ausging, dass die Beschwerdegegnerin in einer Lebensgemeinschaft mit ihren Eltern lebe. Begründet hat es dieses Vorgehen mit der Beistandspflicht des Ehegatten, die derjenigen der Eltern vorgehe. Auf diese Ausführungen geht der Beschwerdeführer in keiner Weise ein, sondern bestreitet einzig, dass die Beschwerdegegnerin den Mietzins auch tatsächlich leistet, ohne rechtsgenüglich darzulegen, weshalb die gegenteilige Annahme des Obergerichts willkürlich sein soll. Damit kann auch insoweit nicht auf die Beschwerde eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). 
3. 
Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, die Nichtberücksichtigung der monatlichen Steuerrate von Fr. 250.-- bei der Berechnung seines Existenzminimums verletze das Willkürverbot sowie das Gleichbehandlungsgebot. 
 
Das Obergericht hat die Steuern nicht berücksichtigt, da nicht glaubhaft nachgewiesen sei, dass diese bezahlt würden und es zudem fraglich sei, ob eine Berücksichtigung überhaupt zulässig sei. Dass der Beschwerdeführer die Steuern nicht bezahlt hat, wird von ihm nicht bestritten. Er bringt vielmehr vor, auf Grund der Einkommenspfändung des Betreibungsamtes sei es ihm gar nicht möglich gewesen, irgendwelche Zahlungen zu tätigen. 
Verpflichtungen, die nicht tatsächlich bezahlt werden, können im Notbedarf jedoch von vornherein keine Berücksichtigung finden, daran ändert auch der Grund für die Nichtbezahlung nichts. Der Beschwerdeführer übersieht zudem, dass die Nichtberücksichtigung der Steuerlast bei der Berechnung des Grundbedarfs in engen finanziellen Verhältnissen der Praxis des Bundesgerichts entspricht (BGE 126 III 353 E. 1a/aa S. 356; 127 III 68 E. 2b S. 70). Damit liegt weder eine Verletzung des Willkürverbotes noch des Gleichbehandlungsgebotes vor. 
4. 
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer die Schuldenregelung als willkürlich. Indem das Obergericht bloss eine monatliche Rate von Fr. 600.-- zur Schuldentilgung anerkannt habe, anstatt der beantragten Fr. 1'000.--, werde es über 11 Jahre dauern, bis die Schulden in der Höhe von Fr. 70'000.-- abgebaut seien. 
 
Schuldverpflichtungen gegenüber Dritten gehen der Unterhaltsverpflichtung nach und gehören nicht zum Existenzminimum, sondern sind nach dem Ermessen des Sachrichters im Rahmen einer allfälligen Überschussaufteilung zu berücksichtigen (BGE 127 III 289 E. 2a/bb S. 292; Bühler/Spühler, Berner Kommentar, N. 162 zu Art. 145 aZGB; Bräm/Hasenböhler, Zürcher Kommentar, N. 118A Ziff. 9.1 zu Art. 163 ZGB). Angesichts der knappen finanziellen Verhältnissen, in welchen kein Überschuss besteht, sondern der Beschwerdegegnerin und ihrer Tochter nur das Existenzminimum bleibt, sowie unter Berücksichtigung der begrenzten Gültigkeitsdauer des Massnahmeentscheids, ist die festgelegte Schuldentilgungsrate daher keineswegs willkürlich. 
5. 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
6. 
Sowohl der Beschwerdeführer wie auch die Beschwerdegegnerin haben für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Die unentgeltliche Rechtspflege ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG). Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 125 II 265 E. 4b S. 275; 127 I 202 E. 3a und b S. 204, je mit Hinweisen). 
6.1 Die Eingabe des Beschwerdeführers hat in weiten Teilen nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt und auch soweit auf die staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden konnte, haben sich die Rügen als wenig ergiebig erwiesen. Damit haben sich die Gewinnaussichten deutlich geringer als die Verlustgefahren dargestellt. Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege kann daher wegen Aussichtslosigkeit nicht stattgegeben werden. 
6.2 Demgegenüber sind bei der Beschwerdegegnerin die Voraussetzungen zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege erfüllt, da sie sich auf das Verfahren einlassen musste und zudem in der Hauptsache obsiegt hat. Ihre Bedürftigkeit ist alsdann offensichtlich. Ihr ist ihrem Antrag entsprechend ein amtlicher Rechtsbeistand beizugeben. Da die der Beschwerdegegnerin zuzuerkennende Parteientschädigung von vornherein uneinbringlich erscheint (Art. 152 Abs. 2 OG), ist ihrem Rechtsbeistand direkt eine angemessene Parteientschädigung aus der Bundesgerichtskasse zuzusprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
2.1 Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
2.2 Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, und Rechtsanwalt Daniel Vonesch wird ihr als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Rechtsanwalt Daniel Vonesch wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 300.-- ausgerichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, als Rekursinstanz nach ZPO, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. Mai 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: