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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_187/2008 / aka 
 
Urteil vom 15. Mai 2008 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen, 
Gerichtsschreiber Merz. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller und Rechtsanwalt Thomas Plüss, 
 
gegen 
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 23. Januar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der aus dem Kosovo stammende X.________ (geb. 1965) lebte von 1990 bis 1999 im Kanton Aargau. Im Rahmen kantonaler Kontingente wurde seine Jahresaufenthaltsbewilligung gestützt auf die Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; AS 1986 1791) regelmässig verlängert, zuletzt bis zum 30. November 1999. 
 
Zwischen 1996 und 1998 ergingen vier Strafbefehle gegen X.________ (Bussen von je Fr. 100.-- bzw. Fr. 500.-- sowie sieben Tage Gefängnis). Mit Urteil vom 29. Juni 1999 verurteilte ihn das Bezirksgericht Zofingen unter anderem wegen einfacher Körperverletzung, gewerbsmässiger Hehlerei, Anstiftung zum gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl sowie zur Sachbeschädigung und zum Hausfriedensbruch zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung. Nachdem die Fremdenpolizei des Kantons Aargau X.________ Ende Oktober 1999 mitgeteilt hatte, sie gedenke seine Aufenthaltsbewilligung nicht mehr zu verlängern, tauchte dieser unter. Die Schweizer Behörden erhielten die Mitteilung, er sei im November 1999 im Kosovo verstorben. Im April 2001 reiste X.________ mit von der deutschen Botschaft in Tirana / Albanien ausgestelltem Visum nach Deutschland ein. Im April 2003 wurde seine im Jahre 1989 mit einer Landsfrau geschlossene Ehe vom Bezirksgericht Baden geschieden. 
 
B. 
Im September 2003 heiratete X.________ in seiner Heimat Y.________ (geb. 1974), welche Staatsangehörige von Serbien-Montenegro ist und über eine Niederlassungsbewilligung im Kanton Luzern verfügt. Ein von ihr im März 2004 gestelltes Gesuch um Familiennachzug wurde wegen eines gegen X.________ hängigen Strafverfahrens sistiert. Im September 2004 wurde über ihn eine Einreisesperre auf unbestimmte Zeit verhängt. Seither befindet sich X.________ zudem in der Schweiz in Haft. Das Bezirksgericht Baden verurteilte ihn am 2. Dezember 2004 wegen Betrug, Urkundenfälschung und Nötigung - je mehrfach - zu 3¼ Jahren Zuchthaus und erklärte die vom Bezirksgericht Zofingen ausgesprochene Gefängnisstrafe für vollziehbar. In teilweiser Gutheissung der Berufung verkürzte das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 23. Januar 2006 die vom Bezirksgericht Baden verhängte Zuchthausstrafe geringfügig auf drei Jahre. Nach einer Herzoperation reichte X.________ am 7. Mai 2007 ein Asylgesuch ein, auf welches das Bundesamt für Migration am 21. Juni 2007 nicht eintrat. Nachdem die Ehefrau am 29. Juni 2007 erklärt hatte, nicht mehr am Familiennachzugsgesuch aus dem Jahre 2004 festzuhalten, wurde dieses abgeschrieben. 
 
In der Folge ersuchten X.________ und seine Ehefrau jedoch erneut um Bewilligung des Familiennachzugs. Mit Verfügung vom 12. September 2007 lehnte das Amt für Migration des Kantons Luzern ihre Gesuche ab. Es wies X.________ mit der Aufforderung weg, den Kanton Luzern sowie die Schweiz umgehend nach Haftentlassung zu verlassen. Das hiegegen von X.________ eingereichte Rechtsmittel wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern am 23. Januar 2008 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C. 
Am 26. Februar 2008 lässt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde einreichen. Er beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihn "vorläufig in der Schweiz aufzunehmen". Mit Eingabe eines weiteren Rechtsvertreters vom 27. Februar 2008 ergänzt er seine Ausführungen und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts "vollumfänglich" aufzuheben und ihm den "Verbleib in der Schweiz zu gewähren". Mit Schreiben vom 5. und 28. März 2008 reicht er Unterlagen nach. 
 
D. 
Das Amt für Migration sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und das Bundesamt für Migration beantragen Abweisung der Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Es fragt sich, ob auf die Beschwerde mit Blick auf die Anforderungen an die Rechtsschriften nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG und auf die Ausschlussgründe von Art. 83 lit. c BGG einzutreten ist. Zwar ist der Beschwerdeführer mit einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin verheiratet. Demnach hat er gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121, Fassung vom 23. März 1990 in AS 1991 1034 1043) grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Zusammenwohnen mit dem Ehepartner (vgl. zum Übergangsrecht: Art. 126 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG; SR 142.20]). Gestützt hierauf wäre die Beschwerde an das Bundesgericht an sich zulässig (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario). Ob der erwähnte Anspruch wegen Rechtsmissbrauch oder nach Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG wegen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung erloschen ist, würde erst Gegenstand der materiellen Beurteilung bilden. 
 
Wird allerdings von den Anträgen und der Begründung der Beschwerde ausgegangen, geht es dem Beschwerdeführer offenbar nicht um das Zusammenleben mit seiner Ehefrau, sondern nurmehr darum, dass er aus gesundheitlichen Gründen vorläufig aufgenommen bzw. auf seine Wegweisung verzichtet wird; hierfür steht die Beschwerde an das Bundesgericht nach Art. 83 lit. c Ziff. 3 und 4 BGG jedoch nicht zur Verfügung. 
 
Ob das Rechtsmittel zuzulassen ist, erscheint damit zumindest zweifelhaft, zumal die erwähnten Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes klar sind und der Beschwerdeführer von zwei Anwälten vertreten wird. Die Frage kann hier letztlich offen gelassen werden, da die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist. 
 
2. 
2.1 Wie ausgeführt, wurde der Beschwerdeführer mehrfach wegen Verbrechen oder Vergehen gerichtlich bestraft, weshalb der Ausweisungsgrund des Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG erfüllt ist. Er hat damit auch gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG verstossen. Die Vorinstanzen weisen zudem darauf hin, dass der Beschwerdeführer nur spärliche Kontakte zu seiner Ehefrau hat, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Noch im Juni 2007 sprach diese von Scheidung. Das Verwaltungsgericht wägt die sich gegenüber stehenden Interessen am Verbleib des Beschwerdeführers in der Schweiz einerseits und an der Verweigerung des Aufenthalts anderseits korrekt ab. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil kann verwiesen werden, zumal der Beschwerdeführer die Interessenabwägung als solche nicht beanstandet. 
 
2.2 Der Beschwerdeführer macht wie bei der Vorinstanz nur geltend, er würde in akute Lebensgefahr geraten, falls er die Schweiz verlassen müsste. Im Kosovo sei die dauernde Überwachung seines seit der Herzoperation im Jahre 2006 labilen Gesundheitszustands nicht gewährleistet. 
 
Das Verwaltungsgericht führt aus, die kardiologischen Kontrollen seien im Kosovo oder in der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien möglich; es stützt sich für diese Feststellung unter anderem auf Informationen des Bundesamts für Migration, Sektion Migrations- und Länderanalysen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass die Feststellung der Vorinstanz offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und dass eine Korrektur der Sachverhaltsfeststellung für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Dies wäre ihm mit Blick auf Art. 42 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG aber oblegen (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.). Vom Beschwerdeführer neu vorgelegte Unterlagen bestätigen sogar, dass die Nachbetreuung im Kosovo möglich ist. Diesen Dokumenten ist zwar zusätzlich zu entnehmen, dass Komplikationen, welche einen chirurgischen Eingriff notwendig machen, für den Beschwerdeführer mangels Herzchirurgie in seiner Heimat fatale Folgen hätten. Darauf wird in den Rechtsschriften des Beschwerdeführers jedoch nicht hingewiesen, was an sich einen Begründungsmangel darstellt. Im Übrigen übersieht der Beschwerdeführer, dass die betreffenden Unterlagen, welche erst nach Ergehen des angefochtenen Urteils verfasst wurden, als Nova vor Bundesgericht grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden können (vgl. Art. 105 Abs. 1 sowie Art. 99 BGG); er führt nichts dazu aus, warum hievon eine Ausnahme zu machen wäre. 
 
2.3 Selbst wenn die neuen Dokumente berücksichtigt würden, ergibt sich daraus kein durchsetzbarer Anspruch auf Bewilligung aus Art. 17 ANAG. Zwar sind die gesundheitliche Situation des Betroffenen und die Behandlungsmöglichkeiten in die gebotene Interessenabwägung einzubeziehen. Diese Umstände stellen dabei aber nur einen von mehreren zu berücksichtigenden Aspekten dar. Gesundheitliche Leiden allein vermögen nicht ein auf längere Dauer angelegtes Anwesenheitsrecht zu begründen. Letztlich stünde der Beschwerdeführer im Kosovo auch nicht anders da als die meisten seiner Landsleute, die an den gleichen Beschwerden leiden und dennoch kein Anwesenheitsrecht in der Schweiz verlangen können (vgl. Urteil 2A.214/2002 vom 23. August 2002, E. 3.4, mit Hinweis). Mit Blick auf die erhebliche kriminelle Energie, welche der Beschwerdeführer an den Tag gelegt hat, den letztlich geringen Integrationsgrad, die Beendigung des Aufenthalts bzw. das Untertauchen im Jahre 1999 ist ein auf Art. 17 ANAG gestützter Anwesenheitsanspruch abzulehnen. Trotz Herzoperation ist im Übrigen nicht auszuschliessen, dass der Beschwerdeführer, der heute zumindest teilweise wieder arbeitsfähig ist, erneut straffällig wird. 
 
3. 
Wie in Erwägung 1 dargelegt wurde, hat das Bundesgericht nicht zu beurteilen, ob der Vollzug der Wegweisung angesichts der medizinischen Versorgungslage im Kosovo zumutbar ist und ob dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufnahme nach Art. 14a ANAG bzw. Art. 83 AuG zu gewähren ist. Die mit dem Vollzug der Wegweisung betrauten Behörden werden zu prüfen haben, was es mit den angeblich fehlenden Behandlungsmöglichkeiten bei Komplikationen für eine Bewandtnis hat, wie hoch das Risiko von Komplikationen ist und inwiefern deshalb der Verbleib in der Schweiz angezeigt erscheint. 
 
4. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang entsprechend hätte der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen. Mit Blick auf seine Einkommensverhältnisse wird jedoch auf die Erhebung dieser Kosten verzichtet (Art. 65 f. BGG). Der Beschwerdeführer hat die unentgeltliche Verbeiständung beantragt. Auch wenn ihm diese bei der Vorinstanz gewährt wurde, erschien sein Rechtsbegehren gegenüber dem Bundesgericht mit Blick auf obige Ausführungen von vornherein als aussichtslos, weswegen sie ihm hier zu versagen ist (vgl. Art. 64 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen, soweit dieses nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem kantonalen Amt für Migration und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 15. Mai 2008 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Merkli Merz