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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_485/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 15. Juni 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Donzallaz, Haag, 
Gerichtsschreiber Kocher. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Herr Urs Vögele, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Aargau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Direkte Bundessteuer 2011, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 3. April 2017. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Eheleute A.A.________ und B.A.________ geb. C.________ haben steuerrechtlichen Wohnsitz in U.________/AG. Im Jahr 2011 gab der damals mehr als 55-jährige Steuerpflichtige, der als selbständig erwerbender Landwirt tätig war, seine Erwerbstätigkeit auf. Aus diesem Anlass veräusserte er ein erstes Grundstück (Parzelle xxxx) an einen unabhängigen Dritten und überführte er ein weiteres Grundstück ins Privatvermögen (Parzelle yyyy). Am 20. Oktober 2011 veranlagte die kommunale Steuerkommission den steuerbaren Liquidationsgewinn. Dabei gelangte sie zu einem privilegierten Liquidationsgewinn von Fr. 2'166'833.-- (§ 45 Abs. 1 lit. f StG/AG) bzw. Fr. 2'156'733.-- (Art. 37b DBG).  
 
1.2. Die Steuerpflichtigen erhoben zunächst am 25. November 2015 gegen die Veranlagungsverfügungen Einsprache. Sie beantragten, in Bezug auf die veräusserte Parzelle sei die Grundstückgewinnsteuer - anstelle der Einkommenssteuer - zu erheben. Die Anlagekosten beliefen sich auf Fr. 490'000.--. Hinsichtlich des überführten Grundstücks sei ein Kapitalgewinn von Fr. 37'600.-- (wiedereingebrachte Abschreibungen) zu erfassen. Bei diesem handle es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück. Am 21. Dezember 2015 erhoben sie sodann auch gegen die "Definitive Rechnung 2011" vom 11. Dezember 2015 Einsprache. Die Rechnung lautete auf Fr. 213'657.75. Die örtliche Steuerkommission wies die beiden Einsprachen mit Entscheid vom 30. Juni 2016 ab. Sie erwog im Wesentlichen, bei der Parzelle xxxx handle es sich um ein Baulandgrundstück (Art. 2 Abs. 1 BGBB), bei der Parzelle yyyy um ein zonengemischtes Grundstück, wobei der Halt lediglich noch 14,85 Aren umfasse und den Anforderungen von Art. 2 Abs. 3 BGBB von vornherein nicht genüge. Beide Vorgänge seien zu Recht der Einkommenssteuer unterstellt worden.  
 
1.3. Dagegen gelangten die Steuerpflichtigen - nur noch hinsichtlich der direkten Bundessteuer - mit Beschwerde vom 27. Juli 2016 an das Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau. Die Begründung ging nun dahin, die Rechnung vom 11. Dezember 2015 enthalte keine Rechtsmittelbelehrung, weshalb keine Veranlagungsverfügung vorliege. Zudem sei die Steuerkommission auf die Anträge nicht eingegangen. Das Spezialverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 24. November 2016 ab. Am 13. Dezember 2016 erhoben die Steuerpflichtigen Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, mit Entscheid WBE.2016.537 vom 3. April 2017 ebenfalls abwies, soweit es darauf eintrat.  
 
1.4. Mit Eingabe vom 23. Mai 2017 erheben die Steuerpflichtigen beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen abgesehen. Die offensichtlich unbegründete Beschwerde kann im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG entschieden werden. 
 
2.  
 
2.1. Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten liegen vor (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 146 DBG [SR 642.11]). Die Beschwerde ist grundsätzlich zulässig.  
 
2.2. Streitgegenstand kann indessen nur sein, was bereits vor der Vorinstanz strittig war (Art. 99 Abs. 2 BGG; Urteil 2C_300/2017 vom 27. März 2017 E. 2.2.5; BGE 136 V 362 E. 3.4.2 S. 365). Ist der vorinstanzliche Entscheid ein Nichteintretensentscheid, so kann vor Bundesgericht nur das Nichteintreten angefochten werden. Sodann muss eine Beschwerde ein Begehren und eine Begründung enthalten (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Ist ein Nichteintretensentscheid angefochten, muss die Begründung darlegen, weshalb auf die Beschwerde hätte eingetreten werden müssen. Hat allerdings die Vorinstanz in einer Eventualbegründung erwogen, selbst wenn auf das Rechtsmittel einzutreten wäre, wäre es in materieller Hinsicht abzuweisen, beurteilt das Bundesgericht auch die materielle Rechtslage. Aus prozessökonomischen Gründen sieht es davon ab, den angefochtenen Entscheid aufzuheben, wenn zwar zu Unrecht auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde, die Eventualbegründung in der Sache aber zutreffend ist. Deshalb muss sich die Beschwerdebegründung in solchen Fällen sowohl mit dem Nichteintreten als auch mit der materiellrechtlichen Seite auseinandersetzen (BGE 139 II 233 E. 3.2 S. 235 f.; Urteil 2C_590/2016 vom 23. August 2016 E. 1.1).  
 
2.3. Die Steuerpflichtigen hatten vor der Vorinstanz beantragt, es sei festzustellen, dass betreffend direkte Bundessteuer keine Veranlagung erfolgt sei (Antrag 1). Als Antrag 2 hatten sie beantragt "Jedenfalls Korrektur der Rechnung". Die Vorinstanz erwog (E. I.2 des angefochtenen Entscheids), auf den Antrag 2 sei nicht einzutreten, da er neu oder jedenfalls nicht beziffert und begründet sei. Weiter führte sie aus, im Übrigen wäre der Antrag auch abzuweisen, denn die Liquidationsgewinnsteuer sei gemäss den Vorgaben von Art. 37b DBG i.V.m. Art. 36 DBG korrekt berechnet worden. In E. II.1 des angefochtenen Urteils setzte sich die Vorinstanz ausführlich mit dem Argument auseinander, es sei keine Veranlagung erfolgt. Im Dispositiv wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. Das teilweise Nichteintreten bezog sich somit auf den materiellen Antrag, die Liquidationsgewinnsteuer sei neu zu berechnen.  
 
2.4. Die durch einen Nicht-Juristen vertretenen Steuerpflichtigen bringen einerseits vor, sie hätten vor der Vorinstanz materielle Anträge gestellt; andererseits äussern sie sich zur Berechnung der Liquidationsgewinnsteuer. Sie bringen allerdings keine formgerechte Rügen betreffend die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts (Art. 106 Abs. 2 BGG) vor und unterscheiden nicht klar zwischen formellen und materiellen Aspekten. Immerhin wird klar, dass sie sowohl das Nichteintreten als auch die materielle Eventualbegründung kritisieren. Bei grosszügiger Handhabung der Begründungsanforderungen kann auf die Beschwerde eingetreten werden.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt (Art. 105 Abs. 1 BGG), die Veranlagungsverfügung zur direkten Bundessteuer 2011 (Art. 37b DBG) vom 20. Oktober 2015 nenne positiv: die Steuerfaktoren (steuerbarer Liquidationsgewinn), die Verfügungsadressaten, die verfügende Behörde, die Steuerperiode, den Umstand, dass es sich um eine Veranlagung handle, sowie die Rechtsmittelbelehrung.  Nicht aufgeführt seien der Steuersatz sowie die Steuerbeträge. Dies stelle zwar einen Mangel dar (Art. 131 Abs. 1 DBG), doch sei dieser durch die Rechnung vom 11. Dezember 2015 behoben worden. Dieser liessen sich sowohl der Steuersatz als auch der Steuerbetrag (Fr. 213'657.75) entnehmen, was den Eröffnungsmangel geheilt habe. Die Einsprachefrist habe mithin erst aufgrund der Rechnung vom 11. Dezember 2015 zu laufen begonnen. Den Steuerpflichtigen, die rechtzeitig reagiert hätten, sei jedenfalls kein Rechtsnachteil entstanden. Es widerspreche Treu und Glauben, wenn sie sich dennoch auf einen Eröffnungsmangel beriefen.  
 
3.2. Die Ausführungen der Steuerpflichtigen widmen sich über weite Strecken der Frage, ob die Einsprache rechtzeitig erfolgt sei bzw. ob auch hinsichtlich der direkten Bundessteuer Einsprache erhoben worden sei. Dies alles ist aber unbestritten und ohne Belang, ist doch die Steuerkommission in ihrem Einspracheentscheid vom 30. Juni 2016 ausführlich auf alle Vorbringen der Steuerpflichtigen eingegangen. Der angefochtene Entscheid ist deshalb nicht zu beanstanden, soweit er zum Ergebnis kommt, den Steuerpflichtigen sei durch das Vorgehen bei der Veranlagung kein Nachteil entstanden. Fraglich könnte höchstens sein, ob die Vorinstanz ihrerseits auf den materiellen Antrag der Steuerpflichtigen zu Recht nicht eingetreten ist. Das kann jedoch offen bleiben, da - wie im Folgenden darzulegen ist - jedenfalls die materielle Eventualbegründung der Vorinstanz korrekt ist (vgl. vorne E. 2.3 und 2.4), was aufgrund der von den Steuerpflichtigen eingereichten Unterlagen beurteilt werden kann, auch soweit die Vorinstanz dazu keine Feststellungen gemacht hat (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
3.3. Die örtliche Steuerkommission hat für die direkte Bundessteuer einen Liquidationsgewinn von Fr. 2'156'733.-- erhoben. Sie hat insbesondere auch festgehalten, dass ein fiktiver Einkauf im Sinne von Art. 37b Abs. 1 Satz 3 DBG nicht möglich sei. Auf diesen wäre der Steuersatz anwendbar gewesen, der einem Fünftel des Tarifs nach Art. 36 DBG entspricht. Mangels eines fiktiven Einkaufs hat der gesamte Liquidationsgewinn von Fr. 2'156'733.-- als "Restbetrag der realisierten stillen Reserven" (Art. 37b Abs. 1 Satz 4 DBG) zu gelten (zu Art. 37b DBG insgesamt Urteil 2C_1015/2015 vom 8. Dezember 2016 E. 5, in: ASA 85 S. 499, StR 72/2017 S. 222). Dieser Restbetrag unterliegt von Gesetzes wegen dem Steuersatz, der einem Fünftel dieses Restbetragsentspricht, mindestens aber 2 Prozent (und mithin nicht: einem Fünftel des Tarifs; Urteil 2C_809/2011 vom 29. Juli 2012 E. 3.5, in: ASA 81 S. 497, StE 2012 A 23.1 Nr. 16; RAPHAËL GANI, in: Yves Noël/Florence Aubry Girardin [Hrsg.], Commentaire Romand zum LIFD, 2. Aufl. 2017, N. 65 zu Art. 37b LIFD; IVO P. BAUMGARTNER, in: Martin Zweifel/Michael Beusch [Hrsg.], Kommentar zum DBG, 3. Aufl. 2017, N. 20d zu Art. 37b DBG; FELIX RICHNER/WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN/HANS ULRICH MEUTER, Handkommentar zum DBG, 3. Aufl. 2016, N. 20 zu Art. 37b DBG).  
 
3.4. Gemäss Rechnung des KStA/AG vom 11. Dezember 2015 beläuft die geschuldete privilegierte Liquidationssteuer sich auf Fr. 213'657.75. Bezogen auf den Liquidationsgewinn von Fr. 2'156'733.-- führt dies zu einem Steuersatz von 9,906 Prozent. Dies entspricht Art. 37b Abs. 1 Satz 4 DBG, denn massgebend ist der Steuersatz, der auf eine Bemessungsgrundlage von Fr. 431'300.-- (ein Fünftel von Fr. 2'156'733.--) anwendbar ist. Gemäss Art. 36 Abs. 2 DBG ergibt sich bei in rechtlich ungetrennter Ehe lebenden Ehepaaren mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 431'300.-- in der Veranlagungsperiode 2011 ein Steuersatz von 9,906 Prozent. Die Berechnung ist mithin bundesrechtskonform ausgefallen.  
 
3.5. Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist. Für alles Weitere kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.  
Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Steuerpflichtigen aufzuerlegen. Diese tragen ihren Anteil zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 66 Abs. 5 BGG). Dem Kanton Aargau, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, steht keine Entschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt. Diese tragen ihren Anteil zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Juni 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher