Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_653/2022
Urteil vom 15. September 2022
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichter Beusch, Hartmann,
Gerichtsschreiber Marti.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jakob Rhyner,
gegen
Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
Oberer Graben 38, 9001 St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
Beschwerde gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen,
Abteilung II, vom 17. Juni 2022 (B 2022/5).
Erwägungen:
1.
1.1. Der aus Nordmazedonien stammende A.________ (geb. 1988) heiratete am 10. August 2007 die in der Schweiz niederlassungsberechtigte Landsfrau B.________. Ihrem Gesuch um Familiennachzug entsprechend erhielt A.________ am 22. März 2008 eine Aufenthaltsbewilligung. Aus der Ehe ging 2010 der gemeinsame Sohn C.________ hervor, der in der Schweiz niederlassungsberechtigt ist. Seit dem 22. März 2013 besitzt auch A.________ eine Niederlassungsbewilligung.
1.2. Mit Strafbefehlen vom 8. August 2013, 27. Januar 2014, 15. Mai 2014 und 5. Februar 2016 wurde A.________ wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz mit Bussen zwischen Fr. 100.-- und 400.-- sowie mit einer bedingten Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je Fr. 80.-- verurteilt. Am 3. Juni 2019 verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Zürich zudem wegen schwerer Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (begangen in der ersten Hälfte des Jahres 2016) sowie wegen Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz und geringfügigen Diebstahls zu einer zu vollziehenden Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je Fr. 80.-- (im Zusatz zum Strafbefehl vom 5. Februar 2016) und zu einer Busse von Fr. 800.--. Es wiederrief zudem den bedingten Vollzug der am 5. Februar 2016 ausgesprochenen Geldstrafe. Am 2. März 2020 trat A.________ die Freiheitsstrafe an. Mit Strafbefehl vom 19. Mai 2021 wurde er ferner der mehrfachen Übertretung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen; er hatte seit Mai 2018, letztmals zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in der Weihnachtszeit 2020 in der Justizvollzugsanstalt Marihuana konsumiert.
1.3. Am 18. August 2020 widerrief das Migrationsamt des Kantons St. Gallen die Niederlassungsbewilligung von A.________ und wies ihn auf den Termin der Haftentlassung aus der Schweiz weg. Die dagegen auf kantonaler Ebene erhobenen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen vom 20. Dezember 2021; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Juni 2022).
Mit Beschwerde vom 22. August 2022 gelangt A.________ an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Juni 2022 sei aufzuheben; ihm sei weiterhin die Niederlassungsbewilligung zu gewähren und es sei eine Verwarnung auszusprechen. Eventuell sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen bzw. der Fall zu weiteren Beweiserhebungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
2.
2.1. Angefochten ist das verfahrensabschliessende (Art. 90 BGG) Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. Juni 2022 (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), das den Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers bestätigt. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a BGG), da grundsätzlich ein Anspruch auf den Fortbestand der Niederlassungsbewilligung besteht (Art. 83 lit. c BGG [e contrario]; BGE 135 II 1 E. 1.2.1). Da auch die weiteren Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 100 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 und 2 sowie Art. 89 Abs. 1 BGG), ist grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten.
2.2. Der Beschwerdeführer muss in Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angefochtenen Entscheid sachbezogen darlegen, dass und inwiefern die Vorinstanz mit ihrem Entscheid Recht verletzt hat (vgl. Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 106 Abs. 2 BGG). Die vorliegende Beschwerde, die diese Voraussetzungen nur knapp erfüllt, ist zwar zulässig, aber offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt wird.
3.
3.1. Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2).
3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG ). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (Art. 9 BV; BGE 141 IV 317 E. 5.4). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 144 V 50 E. 4.2).
3.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Echte Noven, d.h. Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Urteil eingetreten sind, bleiben im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall unberücksichtigt (BGE 143 V 19 E. 1.2).
4.
Bereits vor der Vorinstanz blieb unbestritten, dass mit der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 3. Juni 2019 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten der Widerrufsgrund einer längerfristigen Freiheitsstrafe nach Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 Abs. 1 lit. b AIG erfüllt ist. Da die verfahrensauslösenden Delikte vor dem 1. Oktober 2016 begangen wurden, finden Art. 66a ff. StGB und Art. 63 Abs. 3 AIG keine Anwendung (BGE 146 II 1 E. 2.1.2; Urteil 2C_514/2020 vom 20. November 2020 E. 3). Streitig ist indessen, ob der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers verhältnismässig und mit Art. 8 EMRK bzw. Art. 96 Abs. 1 AIG vereinbar ist (BGE 139 31 E. 2.3.2; Urteil 2C_844/2021 vom 11. Mai 2022 E. 7.6).
4.1. Die Vorinstanz führte diesbezüglich im Wesentlichen aus, dass angesichts der Schwere der Anlasstat und der ernsthaften Rückfallgefahr das sicherheitspolizeiliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung hoch einzustufen sei. Demgegenüber komme zwar auch den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in der Schweiz ein beträchtliches Gewicht zu, zumal er seinem langjährigen Aufenthalt entsprechend integriert und der hier niederlassungsberechtigten Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn eine Ausreise nicht ohne weiteres zumutbar sei. Allerdings hätten selbst seine berufliche Integration und die Familie ihn nicht davon abgehalten, in schwerer Weise straffällig zu werden. Eine allfällige Trennung der Familie führe sodann nicht zum Abbruch des Kontakts.
Weiter erwog die Vorinstanz, dass der Reintegration des Beschwerdeführers in Nordmazedonien keine Hindernisse entgegenstünden: er habe bis zum zwanzigsten Altersjahr in seiner Heimat gelebt und dort die prägende Kindheits- und Jugendzeit verbracht; es sei davon auszugehen, dass er in seinem Heimatland über ein familiäres und soziales Netz verfüge und ihm seine beruflichen Erfahrungen und seine Sprachkenntnisse den Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern. Unter diesen Umständen könnten die privaten Interessen des Beschwerdeführers die öffentlichen Interessen am Widerruf der Niederlassungsbewilligung nicht überwiegen.
4.2. Was der Beschwerdeführer hiergegen einwendet, überzeugt nicht: Entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz die Rückfallgefahr gestützt auf seinen Marihuana-Konsum in übertriebener Weise potenziere. Zwar wies die Vorinstanz im Rahmen der Beurteilung des Rückfallrisikos darauf hin, dass der Beschwerdeführer während des Strafvollzugs Marihuana konsumierte. Die Annahme einer ernsthaften Rückfallgefahr begründete die Vorinstanz jedoch insbesondere auch damit, dass der Beschwerdeführer trotz beruflicher Integration und Familie schwer straffällig wurde und seine weitgehende Deliktsfreiheit seit der Anlasstat aufgrund des Strafvollzugs zu relativieren sei (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.2.1 S. 5 f.). Dass die Vorinstanz vor diesem Hintergrund von einem erheblichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung ausging, ist weder konventions- noch bundesrechtswidrig, zumal das Bundesgericht beim Drogenhandel aus rein finanziellen Motiven ausländerrechtlich in Übereinstimmung mit dem EGMR eine strenge Praxis verfolgt (BGE 139 II 121 E. 5.3 in fine; Urteil 2C_1038/2021 vom 18. März 2022 E. 4.2.2).
4.3. Wie auch die Vorinstanz anerkannte, hat der Beschwerdeführer ein gewichtiges privates Interesse daran, in der Schweiz verbleiben zu können: Er hält sich seit rund vierzehn Jahren hier auf und ist entsprechend seiner Aufenthaltsdauer beruflich und sozial integriert. Ebenso hielt die Vorinstanz zutreffend fest, dass der Ehefrau und dem gemeinsamen zwölfjährigen Sohn nicht ohne Weiteres zugemutet werden kann, zusammen mit dem Beschwerdeführer auszureisen. Eine mit der Aufenthaltsbeendigung so allenfalls verbundene örtliche Trennung der Mitglieder der Kernfamilie stünde dabei insbesondere dem grundlegenden Interesse des Sohnes entgegen, weiterhin gemeinsam mit beiden Elternteilen aufzuwachsen. Dennoch durfte die Vorinstanz im Rahmen ihrer Gesamtwürdigung davon ausgehen, dass darin keine aussergewöhnlich schwerwiegenden Umstände liegen, die einer Aufenthaltsbeendigung - trotz des erheblichen öffentlichen Interesses daran - entgegenstehen (vgl. Urteil 2C_773/2019 vom 5. Dezember 2019 E. 3.5.3). Mit der schweren Straffälligkeit hat der Beschwerdeführer insbesondere sein Familienleben und das Kindeswohl aufs Spiel gesetzt. Sollte sich das Ehepaar für den Verbleib der Ehefrau und des Sohnes in der Schweiz entscheiden, könnten die familiären Kontakte zudem weiterhin im Rahmen von Ferienbesuchen oder über die modernen Kommunikationsmittel aufrechterhalten und gepflegt werden (vgl. Urteil 2C_641/2019 vom 3. Oktober 2019 E. 3.6).
4.4. Schliesslich kann der Einwand des Beschwerdeführers, Nordmazedonien sei ihm sozial wie wirtschaftlich fremd geworden, nicht infrage stellen, dass für ihn eine Reintegration in der Heimat zumutbar erscheint. In dieser Hinsicht ist auf die vorinstanzlichen Ausführungen zu verweisen, wonach weiterhin ein Bezug zur Heimat besteht (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.4; Art. 109 Abs. 3 BGG). Dass der Vater des Beschwerdeführers am 30. Juli 2022 dort getötet worden sei, stellt ein echtes Novum dar, welches das Bundesgericht nicht berücksichtigen kann (vgl. vorstehende E. 3.3). Daran vermag auch das Urteil des EGMR
Udeh gegen die Schweiz vom 16. April 2013 (Nr. 12020/09) nichts zu ändern (vgl. BGE 141 II 169 E. 5.1; 139 I 325 E. 2.4).
4.5. Im Ergebnis nahm die Vorinstanz eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der nach der Rechtsprechung einschlägigen Kriterien vor (vgl. angefochtener Entscheid insbesondere E. 3.1), die entgegen den Einwänden des Beschwerdeführers Art. 8 EMRK nicht verletzt. Eine Verwarnung (Art. 96 Abs. 2 AIG) fällt demnach nicht in Betracht; auch eine Rückstufung auf eine Aufenthaltsbewilligung (Art. 63 Abs. 2 AIG) kommt vorliegend nicht infrage (vgl. Urteil 2C_782/2019 vom 10. Februar 2020 E. 3.3.4) und es besteht kein Grund, die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
5.
Die Beschwerde erweist sich damit als offensichtlich unbegründet. Die Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet ( Art. 68 Abs. 1 und 3 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt.
Lausanne, 15. September 2022
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Der Gerichtsschreiber: C. Marti