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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_234/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 15. Oktober 2013  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Helvetia Nostra,  
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Menge, 
 
Gemeinde Riom-Parsonz, 7463 Riom.  
 
Gegenstand 
Baueinsprache, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 31. Januar 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 5. Kammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Baugesuch vom 17. Oktober 2012 beantragte X.________ die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses auf Parzelle 440 in Talvangas, Riom-Parsonz. Dagegen erhob Helvetia Nostra Einsprache. Der Gemeindevorstand von Riom-Parsonz trat am 13. Dezember 2012 auf die Einsprache mangels Legitimation nicht ein und erteilte die Baubewilligung. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde der Helvetia Nostra wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 31. Januar 2013 ab. Es entschied, die Gemeinde sei zu Recht auf die Einsprache nicht eingetreten. Im Übrigen ging es davon aus, dass Art. 75b BV erst auf Baubewilligungen anwendbar sei, die nach dem 1. Januar 2013 erteilt würden. Daraus ergebe sich, dass auch in Gemeinden wie Riom-Parsonz, in denen die kritische Grenze von 20 % Zweitwohnungen überschritten sei, im Jahr 2012 noch Baubewilligungen für Zweitwohnungen nach bisherigem Recht erteilt werden durften. 
 
C.   
Dagegen erhob die Helvetia Nostra am 25. Februar 2013 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Eventualiter sei die dem Projekt von X.________ in Riom-Parsonz erteilte Baubewilligung aufzuheben. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 27. März 2013 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt und das Verfahren bis zum Vorliegen eines Grundsatzentscheids des Bundesgerichts zur Frage der Beschwerdebefugnis der Helvetia Nostra und der Anwendbarkeit von Art. 75b BV und Art. 197 Ziff. 9 BV sistiert. 
 
 Am 22. Mai 2013 fällte das Bundesgericht die ersten Leitentscheide: Es bejahte die Beschwerdebefugnis der Helvetia Nostra (BGE 139 II 271) sowie die direkte Anwendbarkeit von Art. 75b BV und Art. 197 Ziff. 9 BV ab dem 11. März 2012 (BGE 139 II 243 und 263). 
 
E.   
Mit Verfügung vom 2. Juli 2013 wurde das Verfahren wieder aufgenommen und dem Beschwerdegegner, der Gemeinde und dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. 
 
 Das Verwaltungsgericht und die Gemeinde haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. X.________ teilt mit, er werde ein neues Baugesuch für eine Erstwohnung bei der Gemeinde einreichen. Damit entfalle das rechtliche Interesse der Beschwerdeführerin, weshalb das Verfahren abgeschrieben werden könne. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Da der Beschwerdegegner sein Baugesuch nicht förmlich zurückgezogen hat, ist die ihm erteilte Baubewilligung nicht hinfällig geworden; insofern hat die Beschwerdeführerin noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung der vorliegenden Beschwerde. Auf diese ist somit einzutreten. 
 
2.   
Die Plafonierung des Zweitwohnungsbaus gemäss Art. 75b BV stellt eine Bundesaufgabe dar, die der Schonung der Natur und des heimatlichen Landschaftsbildes dient. Die nach Art. 12 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) beschwerdebefugten Organisationen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes - zu denen auch die Helvetia Nostra gehört - können daher Baubewilligungen wegen Verletzung von Art. 75b BV und seiner Übergangs- und Ausführungsbestimmungen anfechten (BGE 139 II 271 E. 11 S. 276 ff.). Das Verwaltungsgericht und die Gemeinde Riom-Parsonz haben somit die Einsprachebefugnis der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint. 
 
3.   
Das Verwaltungsgericht ging überdies davon aus, dass die neuen Verfassungsbestimmungen nicht anwendbar seien auf Baubewilligungen, die zwischen dem 11. März 2012 und dem 31. Dezember 2012 erstinstanzlich erteilt wurden (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV e contrario). 
 
 Das Bundesgericht hat in BGE 139 II 243 (E. 9-11 S. 249 ff.) entschieden, dass Art. 75b Abs. 1 BV seit seinem Inkrafttreten am 11. März 2012 anwendbar ist. Zwar bedarf diese Bestimmung in weiten Teilen der Ausführung durch ein Bundesgesetz. Unmittelbar anwendbar ist sie jedoch insoweit, als sie (in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) ein Baubewilligungsverbot für Zweitwohnungen in allen Gemeinden anordnet, in denen der 20 %-Zweitwohnungsanteil bereits erreicht oder überschritten ist. Dies hat zur Folge, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die zwischen dem 11. März und dem 31. Dezember 2012 in den betroffenen Gemeinden erteilt wurden, auf Beschwerde aufzuheben sind. 
 
4.   
Nach dem Gesagten steht fest, dass der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Fraglich ist, ob die Sache an das Verwaltungsgericht oder - unter Mitaufhebung des Einspracheentscheids und der Baubewilligung - an die erste Instanz, d.h. an die Gemeinde, zurückzuweisen ist (Art. 107 Abs. 2 BGG). 
Für letztere Lösung spricht der Umstand, dass die Gemeinde zu Unrecht auf die Einsprache der Helvetia Nostra nicht eingetreten ist, sich also noch nicht mit deren Einwänden befasst hat. Hinzu kommt, dass bereits feststeht, dass das Baugesuch in der ursprünglichen Form gegen Art. 75b BV verstösst und nicht bewilligt werden kann. Zwar möchte der Beschwerdegegner das geplante Wohnhaus nunmehr als Erstwohnung realisieren. Dies setzt jedoch - wie er selbst betont - Modifikationen des Baugesuchs voraus, zu denen der Helvetia Nostra im Einspracheverfahren das rechtliche Gehör gewährt werden muss. 
 
 Unter diesen Umständen erscheint es sinnvoll, in Gutheissung des Eventualantrags der Beschwerdeführerin den Einspracheentscheid und die Baubewilligung mitaufzuheben und die Sache an die Gemeinde zurückzuweisen. Es wird Sache des Beschwerdegegners sein zu entscheiden, ob er ein Projektänderungsgesuch oder ein völlig neues Baugesuch einreicht, oder ganz auf das Bauvorhaben verzichtet. In jedem Fall hat die Gemeinde die Möglichkeit, die Kosten des bisherigen Bau- und Einspracheverfahrens neu zu verlegen. 
 
5.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens obsiegt die Beschwerdeführerin. Der private Beschwerdegegner wird daher kostenpflichtig, und zwar sowohl für das bundesgerichtliche Verfahren (Art 66 BGG) als auch für das Verfahren vor Verwaltungsgericht (Art. 67 BGG). 
 
 Die Beschwerdeführerin war weder vor Verwaltungsgericht noch vor Bundesgericht anwaltlich vertreten, weshalb sie praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung hat. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 31. Januar 2013 sowie der Einspracheentscheid des Gemeindevorstands Riom-Parsonz und die Baubewilligung vom 13. Dezember 2012 werden aufgehoben. Die Sache wird im Sinne der Erwägungen an die Gemeinde Riom-Parsonz zurückgewiesen. 
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren und Fr. 1'033.-- für das verwaltungsgerichtliche Verfahren werden dem Beschwerdegegner (X.________) auferlegt.  
 
3.   
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Riom-Parsonz und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. Oktober 2013 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gerber