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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_579/2021  
 
 
Urteil vom 15. November 2022  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Chaix, Haag, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Advokat Alain Joset, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Wirtschaftskriminalität, 
Rheinstrasse 27, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Beschlagnahme/Kontosperre, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 8. Juni 2021 
(490 18 256 [D 215]). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Besondere Untersuchungsrichteramt Basel-Landschaft und anschliessend die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Wirtschaftskriminalität, führte bzw. führt ein Strafverfahren gegen B.________ wegen Vermögens-, Konkurs- und Urkundendelikten. Am 23. April 2006 verfügte das Untersuchungsrichteramt gegenüber einer Bank die Sperrung sämtlicher Konten, Depots und Safes, die auf die Namen des Beschuldigten, der C.________AG, der D.________, der E.________ AG, der A.________ AG und der F.________ AG lauteten oder an denen die genannten Personen wirtschaftlich berechtigt oder unterschrifts- bzw. zugriffsberechtigt waren. In der Folge wurde ein auf den Beschuldigten lautendes Bankkonto gesperrt. Auf eine von der A.________ AG (nachfolgend: Gesellschaft) gegen die Verfügung vom 23. April 2006 erhobene Beschwerde trat das Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft mit Beschluss vom 3. Juli 2008 nicht ein. 
 
B.  
Mit "Klage" vom 5. Juli 2018 beim Zivilkreisgericht Basel-Landschaft Ost beantragte die Gesellschaft, es sei die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft zu verpflichten, die am 23. April 2006 verfügte Sperre von Vermögenswerten aufzuheben und der Gesellschaft ab dem 23. April 2006 einen Zins von 5 % auf dem beschlagnahmten Vermögen zu bezahlen. Das Zivilkreisgericht übermittelte die Eingabe am 11. Juli 2018 zuständigkeitshalber an das Strafgericht Basel-Landschaft; dieses wies die "Klage" am 12. Juli 2018 zuständigkeitshalber weiter an das Kantonsgericht Basel-Landschaft. Mit Verfügung vom 15. August 2018 sistierte das Kantonsgericht das Verfahren betreffend "Klage". Mit Urteil vom 8. November 2019 entschied das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, in einem separaten Verfahren über die Verwendung des beschlagnahmten Guthabens auf dem gesperrten Konto. 
 
C.  
Am 9. Februar 2021 nahm das Kantonsgericht das Verfahren betreffend "Klage" vom 5. Juli 2018 wieder auf und behandelte diese als StPO-Beschwerde. Mit Beschluss vom 8. Juni 2021 trat das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, auf die Beschwerde der Gesellschaft vom 5. Juli 2018 nicht ein. Zur Begründung führte es aus, im Urteil vom 8. November 2019 sei über das gesperrte Kontenguthaben bereits endgültig (im Sinne einer "res iudicata") befunden worden; ausserdem fehle es der Gesellschaft diesbezüglich an der Beschwerdelegitimation. 
 
D.  
Gegen den Beschluss des Kantonsgerichtes vom 8. Juni 2021 gelangte die Gesellschaft mit Beschwerde vom 22. Oktober 2021 an das Bundesgericht. Die Beschwerdeführerin beantragt im Hauptstandpunkt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz. Sie rügt eine Verletzung von Bundesrecht, insbesondere von Art. 29 Abs. 1 BV (formelle Rechtsverweigerung) und ihrer durch Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO gewährleisteten Parteistellung. 
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz (diese innert erstreckter Frist) beantragen mit Stellungnahmen vom 5. November bzw. 3. Dezember 2021 je die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Beschwerdeführerin replizierte (innert erstreckter Frist) am 8. Februar 2022. Die Staatsanwaltschaft duplizierte (innert fakultativ angesetzter Frist) mit einer zusätzlichen Eingabe vom 16. Februar 2022. Weitere Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten gingen nicht mehr ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine Partei des Strafverfahrens (Art. 104 StPO). Der angefochtene Nichteintretensentscheid wirkt sich für sie verfahrensabschliessend aus, weshalb Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG hier nicht anwendbar ist. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei von der streitigen Kontensperre unmittelbar betroffen (vgl. Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO). Das vorinstanzliche Nichteintreten auf ihre StPO-Beschwerde könnte sich insofern als formelle Rechtsverweigerung auswirken, weshalb ihre Beschwerdelegitimation grundsätzlich zu bejahen ist (Art. 81 BGG). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt. 
 
2.  
Art. 29 Abs. 1 und Art. 29a BV verbieten die formelle Rechtsverweigerung. Eine solche liegt nach der Praxis des Bundesgerichts insbesondere vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber befinden müsste. Überspitzter Formalismus ist gegeben, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und damit dem Rechtsuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 135 I 6 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Das Kantonsgericht ist mit einer doppelten Begründung auf die vorinstanzliche Beschwerde nicht eingetreten. Zum einen verneint die Vorinstanz (sinngemäss) das aktuelle Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin, da das Kantonsgericht bereits am 8. November 2019 über die Streitsache entschieden habe und folglich eine "res iudicata" vorliege. Zum anderen bestehe auch noch ein zusätzlicher Nichteintretensgrund, indem es der Beschwerdeführerin an einer unmittelbaren Betroffenheit und damit an der Beschwerdelegitimation fehle.  
 
3.2. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, kann offen bleiben, ob die Vorinstanz auf die Beschwerde schon deshalb nicht eintreten durfte, weil das Kantonsgericht am 8. November 2019 über die Streitsache entschied und deshalb von einer "res iudicata" auszugehen sei.  
 
3.3. Zur StPO-Beschwerde legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 393 ff. und Art. 379 StPO). Den Personen, die nicht Parteien des Strafverfahrens (Art. 104 StPO) aber von Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffen sind, stehen - als sogenannte "andere Verfahrensbeteiligte" - die ihnen zur Wahrung ihrer Interessen erforderlichen Verfahrensrechte einer Partei zu (Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO). Unmittelbar von Kontensperren (Art. 263 Abs. 1 lit. b-d i.V.m. Art. 266 Abs. 4 StPO) betroffen sind die Konteninhaberinnen und -inhaber, nicht aber weitere, an Kontenguthaben bloss wirtschaftlich bzw. obligationenrechtlich berechtigte Personen (Urteil des Bundesgerichtes 1B_388/2016 vom 6. März 2017 E. 3.1-3.2; s.a. BGE 133 IV 278 E. 1.3; vgl. Yasmina Bendani, in: Code de procédure pénale suisse, Commentaire romand, 2. Aufl., Basel 2019, Art. 105 N. 24; Viktor Lieber, in: Zürcher Kommentar StPO, 3. Aufl. 2020, Art. 105 N. 13).  
 
3.4. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin habe ihre Beschwerdelegitimation nicht ausreichend dargetan. Diese liege auch nicht offenkundig auf der Hand. Zwar habe die Beschwerdeführerin (in ihrer Eingabe vom 5. Juli 2018) unter anderem geltend gemacht, der Beschuldigte sei von ihren Aktionären mit Devisenhandel beauftragt worden, und sie habe (in den eingereichten Jahresrechnungen 2004/05, 2005/06 sowie 2017) das betroffene Konto unter ihren Aktiven aufgeführt. Nach den vorliegenden Akten laute das Konto jedoch auf den Beschuldigten; das Guthaben auf seinem Konto habe sie ihm nach eigenen Angaben treuhänderisch übertragen. Selbst wenn dies zuträfe, wäre die Beschwerdeführerin bloss wirtschaftlich am beschlagnahmten Konto berechtigt. Der Beschuldigte wäre als Treuhänder der alleinige "zivilrechtliche Eigentümer des Kontenguthabens"; die Beschwerdeführerin könnte lediglich einen obligatorischen Anspruch gegenüber dem Beschuldigten geltend machen. Folglich sei sie durch die Kontosperre auch nicht unmittelbar in ihren Rechten betroffen, weshalb sie (gestützt auf Art. 382 Abs. 1 StPO) auch nicht beschwerdelegitimiert sei.  
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass nicht sie, sondern die beschuldigte Person die Inhaberin des gesperrten Kontos (und direkt Berechtigte am Kontenguthaben) ist. Was sie diesbezüglich vorbringt, lässt sie - im Lichte der oben dargelegten Gesetzgebung und Rechtsprechung - nicht als von der provisorischen Vermögensbeschlagnahme unmittelbar betroffen erscheinen. Das gilt insbesondere für ihre Vorbringen, es gehe bei der fraglichen Eventualbegründung des Kantonsgerichtes "nicht um eine allfällige Beschwerdelegitimation nach Art. 382 Abs. 1 StPO, sondern um die Frage, ob sie als durch die Beschlagnahme von Vermögenswerten beschwerte Drittpartei Parteistellung nach Art. 105 Abs. 2 StPO beanspruchen" könne, und sie sei als "wirtschaftlich berechtigte Person unmittelbar in ihrer Rechtsposition betroffen". 
 
3.5. Das Nichteintreten auf die vorinstanzliche Beschwerde erweist sich damit als bundesrechtskonform.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 15. November 2022 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster