Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_626/2023
Urteil vom 15. November 2024
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin,
Bundesrichter Donzallaz, Bundesrichterin Ryter,
Gerichtsschreiberin Wortha.
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Donato Del Duca,
gegen
Amt für Migration und Integration des
Kantons Aargau, Rechtsdienst,
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau.
Gegenstand
Familiennachzug,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 2. Oktober 2023
(WBE.2023.98).
Sachverhalt:
A.
A.A.________ ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er reiste am 23. November 2009 in die Schweiz ein und ersuchte gleichentags um Asyl. Im März 2010 wurde er vorläufig aufgenommen und am 24. Mai 2016 erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung. Seit dem 1. Dezember 2021 verfügt er über eine Niederlassungsbewilligung.
In seiner Heimat war A.A.________ mit einer Landsfrau verheiratet, welche im Jahr 2018 starb. Aus der Ehe sind die Tochter B.A.________ (geb. 20. März 2004) und der Sohn C.A.________ (geb. 2008) hervorgegangen.
B.
B.a. Am 20. Dezember 2021 ersuchte A.A.________ das Amt für Migration und Integration Kanton Aargau (nachfolgend MIKA) um Familiennachzug für seine beiden Kinder. Er gab an, die Kindsmutter sei am 13. August 2018 verstorben und die Kinder seien seither in Pakistan von der Grossmutter väterlicherseits betreut worden. Am 14. März 2022 teilte das MIKA A.A.________ mit, dass es beabsichtige, das Gesuch um Familiennachzug wegen verpasster Nachzugsfrist und mangels wichtiger Gründe für einen nachträglichen Familiennachzug abzulehnen, und gewährte ihm dazu das rechtliche Gehör. Im Rahmen dieser Frist teilte A.A.________ mit, dass sich der Gesundheitszustand der Grossmutter der Kinder in den letzten Jahren sehr verschlechtert habe und sie am 1. April 2022 verstorben sei, sodass die Kinder nun ohne jegliche familiäre Unterstützung in Pakistan und auf sich alleine gestellt seien. Am 18. Mai 2022 verfügte das MIKA die Ablehnung des Familiennachzugs und verweigerte den beiden Kindern die Einreise in die Schweiz.
B.b. Die dagegen beim Rechtsdienst des MIKA erhobene Einsprache blieb erfolglos. Hingegen hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 2. Oktober 2023 die dagegen geführte Beschwerde teilweise gut und wies das MIKA den Sohn betreffend an, dem SEM die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit dem Antrag auf Zustimmung zu unterbreiten. Die Tochter betreffend wies das Verwaltungsgericht das Gesuch um Familiennachzug ab.
C.
A.A.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. November 2023 ans Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils vom 2. Oktober 2023 in Bezug auf das Familiennachzugsgesuch für seine Tochter B.A.________, die Gutheissung des Gesuchs und die Anweisung an das MIKA, dem SEM die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Antrag auf Zustimmung zu unterbreiten.
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das MIKA sowie das SEM haben sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen:
1.
1.1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 II 66 E. 1.3).
1.2. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide betreffend ausländerrechtliche Bewilligungen nur zulässig, wenn das Bundesrecht oder das Völkerrecht einen Anspruch auf die Bewilligung einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG
e contrario). Für das Eintreten genügt, wenn die betroffene Person in vertretbarer Weise dartut, dass potenziell ein solcher Anspruch besteht. Ob tatsächlich ein Aufenthaltsrecht besteht, ist eine materielle Frage und keine Eintretensfrage (BGE 147 I 268 E. 1.2.7; 139 I 330 E. 1.1).
Der Beschwerdeführer macht für seine Tochter B.A.________ einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des nachträglichen Familiennachzugs gestützt auf Art. 43 AIG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 4 AIG geltend. Für die Beurteilung des Anspruchs auf Familiennachzug auf Grundlage des AIG ist das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung massgebend (vgl. BGE 145 I 227 E. 2; 136 II 497 E. 3.2; Urteil 2C_865/2021 vom 2. Februar 2022 E. 1.1).
Die Tochter B.A.________ wurde am 20. März 2004 geboren und war bei Gesuchseinreichung am 20. Dezember 2021 somit 17 Jahre alt. Da der Beschwerdeführer über die Niederlassungsbewilligung verfügt und in vertretbarer Weise wichtige familiäre Gründe für einen nachträglichen Familiennachzug geltend macht, kann er sich auf einen potenziellen Bewilligungsanspruch stützen. Damit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig.
1.3. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 42, Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG ), ist auf die Beschwerde mit der vorgenannten Einschränkung einzutreten.
2.
2.1. Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden ( Art. 95 lit. a und b BGG ). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ) nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 149 II 337 E. 2.2; 147 I 73 E. 2.1). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Individualrechte verletzt worden sein sollen (BGE 150 I 80 E. 2.1; 149 I 248 E. 3.1; 149 I 105 E. 2.1; 148 I 104 E. 1.5; 147 II 44 E. 1.2).
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 150 I 50 E. 3.3.1).
2.3. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; unechte Noven; BGE 148 I 160 E. 1.7), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 344 E. 3). Für die Berücksichtigung eines Novums im bundesgerichtlichen Verfahren muss das kantonale Gericht materielles Recht derart angewendet haben, dass bestimmte Sachumstände neu und erstmals - durch den angefochtenen Entscheid - Rechtserheblichkeit erhalten (Urteile 2C_525/2023 vom 19. Juni 2024 E. 2.3; 2C_484/2020 vom 19. Januar 2021 E. 2.4). Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (BGE 143 V 19 E. 1.2 mit Hinweisen). Echte Noven sind dagegen in jedem Fall unzulässig (vgl. BGE 149 III 465 E. 5.5.1; 148 V 174 E. 2.2).
Der Beschwerdeführer reicht neu die Lohnausweise der Jahre 2016 bis 2019 sowie zwei Abrechnungen der Arbeitslosenversicherung aus den Jahren 2018 und 2019 zu den Akten. Er macht geltend, erst der Entscheid der Vorinstanz habe Anlass dazu gegeben, seine finanziellen Verhältnisse der Jahre 2016 bis 2019 vorzulegen. Die Beweismittel sind allesamt vor dem vorinstanzlichen Entscheid entstanden. Nachdem es bereits in erster Instanz darum ging, dass das Familiennachzugsgesuch verspätet eingereicht wurde, und es am Beschwerdeführer war, Gründe dafür geltend zu machen, hat nicht erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gegeben. Die neuen Beweismittel sind daher im bundesgerichtlichen Verfahren unbeachtlich.
3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, seiner Tochter sei eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, weil wichtige familiäre Gründe für den Nachzug vorliegen würden. Er rügt eine Verletzung von Art. 47 Abs. 4 AIG.
3.1. Nach Art. 43 Abs. 1 AIG haben ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung. Das Gesuch für den Nachzug von Kindern über 12 Jahren muss innerhalb von 12 Monaten eingereicht werden (Art. 47 Abs. 1 AIG; Art. 73 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]). Diese Fristen beginnen gemäss Art. 47 Abs. 3 lit. b AIG i.V.m. Art. 73 Abs. 2 VZAE mit der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses zu laufen (Urteil 2C_50/2023 vom 31. Juli 2023 E. 3.1 mit Hinweisen). Ein sog. Statuswechsel von der Aufenthalts- zur Niederlassungsbewilligung begründet nur dann eine neue Frist für den Familiennachzug, sofern bereits fristgerecht, aber erfolglos ein Nachzugsgesuch gestellt wurde (BGE 145 II 105 E. 3.10; 137 II 393 E. 3.3; Urteile 2C_505/2023 vom 18. Juni 2024 E. 6.5; 2C_10/2022 vom 21. September 2022 E. 3.1).
Die Tochter B.A.________ wurde am 20. März 2016 12 Jahre alt. Der Beschwerdeführer erhielt am 24. Mai 2016 die Aufenthaltsbewilligung. Das Gesuch um Familiennachzug stellte er erst am 20. Dezember 2021. Die einjährige Frist war zu diesem Zeitpunkt lange abgelaufen. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer am 1. Dezember 2021 die Niederlassungsbewilligung erhielt; deren Erteilung löste keine neue Frist aus, nachdem er zuvor kein Gesuch gestellt hatte.
Dass die Fristen für den Familiennachzug gemäss Art. 47 Abs. 1 und 3 AIG verstrichen sind, ist unstrittig. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist somit einzig, ob die Voraussetzungen für einen nachträglichen Familiennachzug der Tochter wegen wichtiger familiärer Gründe gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG gegeben sind.
3.2. Gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG wird ein nachträglicher Familiennachzug nur bewilligt, wenn wichtige familiäre Gründe vorliegen. Damit soll Härtefällen Rechnung getragen werden (vgl. Urteile 2C_323/2018 vom 21. September 2018 E. 8.1; 2C_363/2016 vom 25. August 2016 E. 3.3). Solche wichtigen familiären Gründe sind gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG i.V.m. Art. 75 VZAE gegeben, wenn das Kindeswohl nur durch einen Nachzug in die Schweiz gewahrt werden kann. Entgegen dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung ist dabei praxisgemäss jedoch nicht ausschliesslich auf das Kindswohl abzustellen; es bedarf vielmehr einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller relevanten Elemente im Einzelfall (Urteile 2C_280/2023 vom 29. September 2023 E. 5.2; 2C_347/2020 vom 5. August 2020 E. 3.4). Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des Gesetzgebers zwar die Ausnahme zu bleiben (Urteil 2C_505/2023 vom 18. Juni 2024 E. 7.1). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das nationale Gesetzesrecht dennoch möglichst verfassungs- und konventionskonform auszulegen (Urteil 2C_432/2016 vom 26. Januar 2018 E. 5.3.1). Ein wichtiger Grund liegt rechtsprechungsgemäss vor, wenn die weiterhin notwendige Betreuung der Kinder im Herkunftsland beispielsweise wegen des Todes oder einer Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle andere Alternative in der Heimat gefunden werden kann. Für den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland bestehen umso höhere Anforderungen, je älter das nachzuziehende Kind ist und je grösser die Integrationsschwierigkeiten erscheinen, die ihm in der Schweiz drohen (Urteil 2C_347/2020 vom 5. August 2020 E. 3.4 mit Hinweisen).
3.3. Der vorliegende Fall weist die prozessuale Besonderheit auf, dass das Familiennachzugsgesuch sowohl für die Tochter als auch für den Sohn gestellt wurde. Die Vorinstanz behandelt die beiden Geschwister jedoch unterschiedlich. Da die Tochter im März 2022 volljährig wurde und die Grossmutter, die die beiden Kinder betreute, zu jenem Zeitpunkt noch lebte, bejahte die Vorinstanz im massgeblichen Zeitpunkt von der Gesuchseinreichung im Dezember 2021 bis zur Volljährigkeit der Tochter im März 2022 eine ausreichende Betreuung für sie im Heimatland. In der Folge verneinte die Vorinstanz wichtige familiäre Gründe für die Tochter (angefochtener Entscheid E. 2.3.2.2, E. 2.3.2.6). Dies ist für sich genommen bundesrechtlich nicht zu beanstanden, nachdem die Tochter nur wenige Monate vor der Volljährigkeit stand und ihre Integration in der Schweiz mangels Sprachkenntnissen und Bezug zur Schweiz schwierig sein dürfte (angefochtener Entscheid E. 2.3.2.5.2; vorstehend E. 3.2).
Für den nach wie vor minderjährigen Sohn ist hingegen auch die Zeit nach dem Tod der Grossmutter im April 2022 relevant. Nachdem mit der Grossmutter die Betreuungsperson verstorben ist, die knapp volljährige Schwester aufgrund der eigenen Betroffenheit und der schwierigen lokalen Gegebenheiten genau so wenig geeignet war wie der Onkel, der bei nächster Gelegenheit zu seiner Familie ins Ausland flüchten wollte, besteht für den Sohn keine ausreichende Betreuungsalternative im Heimatland. Daher bejahte die Vorinstanz wichtige familiäre Gründe für den Sohn und hiess dessen Gesuch um Familiennachzug gut (angefochtener Entscheid E. 2.3.3.2).
Indem die Vorinstanz das Gesuch um nachträglichen Familiennachzug des Bruders guthiess, trennte sie die beiden Geschwister, welche unbestrittenermassen ihr gesamtes Leben zusammen verbracht haben.
3.4. Führt der vorinstanzliche Entscheid zu einer durch diesen verursachten (erneuten) Spaltung der Familie, ist diese Änderung in der Familienkonstellation zu berücksichtigen (Urteil 2C_571/2021 vom 8. Juni 2022 E. 7.4). Gleichermassen darf die Vorinstanz den Kontext, in dem das Nachzugsgesuch eingereicht wird, nicht unbeachtet lassen. Dies gilt namentlich für politische und humanitäre Krisen im Heimatland (Urteil 2C_325/2019 vom 3. Februar 2020 E. 3.5).
3.5. Der vorinstanzliche Entscheid führt vorliegend dazu, dass die Tochter, die zusammen mit dem Bruder um Familienzusammenführung mit dem Vater ersuchte, während die Geschwister zum Zeitpunkt der Gesuchstellung noch minderjährig waren, nun
sowohl vom Vater
als auch vom Bruder getrennt lebt. Die Vorinstanz durfte diese neue, durch sie geschaffene Situation unter dem Blickwinkel von Art. 47 Abs. 4 AIG nicht unbeachtet lassen.
Dazu kommt der Kontext, in dem das Gesuch eingereicht wurde: Im Sommer 2021 übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan, hernach hat sich die Situation für Frauen im Land kontinuierlich verschlechtert. Die Menschenrechtslage in Afghanistan ist für Frauen prekär; es ist ihnen kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen, da sie systematisch diskriminiert und unterdrückt werden. Junge, unverheiratete Frauen sind zudem dem konkreten Risiko der Zwangsheirat ausgesetzt, gegen die sie sich nicht zur Wehr setzen können (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts E-2303/2020 vom 23. April 2024 E. 7.3.2; F-1451/2022 vom 27. März 2024 E. 7.1, E. 8.4; D-4386/2022 vom 22. November 2023 E. 5.5, E. 5.5.4, E. 6.5). Im Dezember 2021 stellte der Beschwerdeführer das Nachzugsgesuch für seine beiden Kinder. Der vorinstanzliche Entscheid führt nun dazu, dass die Tochter allein, ohne jegliche Familienangehörige, in Afghanistan verbleibt, wo sie seit dem 19. Oktober 2022 mit dem Bruder beim Onkel gelebt hat. Als ledige junge Frau ohne männliche Familienangehörigen droht der Tochter nicht nur - wie allen anderen Frauen in Afghanistan - Unterdrückung und Diskriminierung. Vielmehr ist sie aufgrund ihrer konkreten Situation - 19-jährig, unverheiratet, ohne Vater, Bruder, Onkel - dem Risiko der Zwangsverheiratung ausgesetzt. Dies hätte die Vorinstanz berücksichtigen müssen, um Art. 47 Abs. 4 AIG bundesrechtskonform anzuwenden.
3.6. Mit Blick darauf, dass Art. 47 Abs. 4 AIG familiäre Härtefälle vermeiden soll (vorstehend E. 3.2) und der Beschwerdeführer die Gesuche für die Kinder nach Ergreifung der Macht durch die Taliban gestellt hat, die Tochter aufgrund des Entscheids der Vorinstanz vom Bruder getrennt allein in Afghanistan zurückbleiben müsste, wo ihr die Zwangsverheiratung droht, liegt aufgrund der Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalls ein wichtiger familiärer Grund für die nachträgliche Familienzusammenführung im Sinne von Art. 47 Abs. 4 AIG vor, nachdem das Gesuch gestellt worden war, während die Tochter des Beschwerdeführers noch minderjährig war. Die Rüge der Verletzung von Art. 47 Abs. 4 AIG ist somit begründet.
3.7. Nachdem auch die Voraussetzungen von Art. 43 Abs. 1 AIG gegeben sind (angefochtener Entscheid E. 2.1.2), ist dem Gesuch um Familiennachzug der Tochter zu entsprechen.
4.
4.1. Die Beschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen. Das Urteil der Vorinstanz ist im angefochtenen Umfang aufzuheben und das Migrationsamt des Kantons Aargau anzuweisen, der Tochter des Beschwerdeführers eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
4.2. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG) und es steht dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Die Sache ist zur Neuverlegung der kantonalen Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 68 Abs. 5 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Oktober 2023 wird aufgehoben, soweit es die Tochter des Beschwerdeführers, B.A.________, betrifft. Das Migrationsamt des Kantons Aargau wird angewiesen, B.A.________ eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
2.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen der kantonalen Rechtsmittelverfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.
3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. November 2024
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin
Die Gerichtsschreiberin: A. Wortha