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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
C 33/06 
 
Urteil vom 15. Dezember 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Lanz 
 
Parteien 
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (AWA), Rain 53, 5000 Aarau, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
M.________, 1985, Beschwerdegegner, vertreten durch S.________ 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 10. Januar 2006) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1985 geborene M.________ meldete sich im Februar 2005 zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 1. März 2005 an. Mit Schreiben vom 18. März 2005 wies ihn die Verwaltung an, sich bis 22. März 2005 schriftlich für eine angebotene Stelle zu bewerben. Nachdem M.________ dies unterlassen hatte, stellte ihn das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (AWA) mit Verfügung vom 13. Juni 2005 für die Dauer von 38 Tagen ab 19. März 2005 in der Anspruchsberechtigung ein. Daran hielt das AWA mit Einspracheentscheid vom 9. September 2005 fest. 
B. 
M.________ erhob Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei auf zwei Tage herabzusetzen. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die Beschwerde teilweise gut und setzte die Einstelldauer auf 25 Tage fest (Entscheid vom 10. Januar 2006). 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das AWA die Aufhebung des kantonalen Entscheids. 
M.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Da es um Versicherungsleistungen geht, ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
2. 
Das kantonale Gericht hat nach zutreffender Darstellung der Rechtsgrundlagen erkannt, dass sich der Beschwerdegegner nicht für eine amtlich zugewiesene, zumutbare Stelle beworben hat, was wie die Ablehnung einer solchen Stelle zu behandeln ist, und er deswegen gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG in der Anspruchsberechtigung einzustellen ist. Dies ist zu Recht nicht umstritten. Streitig ist das Mass der Sanktion. 
3. 
Die Dauer der Einstellung wird gemäss den im angefochtenen Entscheid ebenfalls korrekt wiedergegebenen Bestimmungen nach dem Grad des Verschuldens festgesetzt (Art. 30 Abs. 3 AVIG; Art. 45 Abs. 2 AVIV), wobei ein schweres Verschulden vorliegt, wenn der Versicherte ohne entschuldbaren Grund eine zumutbare Arbeit abgelehnt hat (Art. 45 Abs. 3 AVIV). Das AWA hat diese Bestimmung angewandt und den Beschwerdegegner in dem bei schwerem Verschulden gegebenen Rahmen von 31-60 Tagen (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV) für 38 Tage in der Anspruchsberechtigung eingestellt. Das kantonale Gericht ist demgegenüber von einem nur mittelschweren Verschulden ausgegangen und hat die Dauer der Sanktion innerhalb der hiefür vorgesehenen 16-30 Einstelltage (Art. 45 Abs. 2 lit. b AVIV) auf 25 Tage festgesetzt. Die Vorinstanz begründet dies damit, dass das Verschulden aufgrund bestimmter Gesichtspunkte als geringer anzusehen sei. 
4. 
4.1 Wie im angefochtenen Entscheid richtig erwogen, ist bei der Ablehnung einer zumutbaren Stelle nicht zwingend von einem schweren Verschulden auszugehen, wenn ein entschuldbarer Grund vorliegt, da diesfalls Art. 45 Abs. 3 AVIV nicht anwendbar ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Stelle amtlich zugewiesen wurde oder nicht. Entschuldbar sind Gründe, die - ohne zur Unzumutbarkeit der betreffenden Stelle zu führen, ansonsten es schon an der Erfüllung der in Art. 45 Abs. 3 AVIV erwähnten Einstellungstatbestände fehlte - das Verschulden als mittelschwer oder leicht erscheinen lassen können. Ein solcher im konkreten Einzelfall liegender Grund kann die subjektive Situation der Person oder eine objektive Gegebenheit beschlagen (zum Ganzen: BGE 130 V 125 ff., namentlich 130 f. Erw. 3.4.3 und Erw. 3.5 mit Hinweisen). 
4.2 Die Annahme eines nur mittelschweren Verschuldens ist nach Auffassung des kantonalen Gerichts gerechtfertigt, weil der Beschwerdegegner die zuweisende Amtsstelle über die Nichteinhaltung der Bewerbungsfrist orientiert habe. Sodann sei ihm zugutezuhalten, dass er sich intensiv um eine neue Stelle bemüht und dadurch bereits im Oktober 2005 über eine entsprechende Zusage verfügt habe. 
4.3 Diese Erwägungen überzeugen nicht. Die von der Vorinstanz genannten Gesichtspunkte mögen allenfalls bei der ermessensweisen Festsetzung der Einstelldauer innerhalb des für den entsprechenden Verschuldensgrad geltenden Rahmens relevant sein. Ein entschuldbarer Grund, welcher im Sinne von Art. 45 Abs. 3 AVIV den Schluss auf ein nicht schweres Verschulden gestattet, kann darin aber mit der Verwaltung nicht gesehen werden. 
Entscheidend ist, dass der Beschwerdegegner durch Unterlassen der Bewerbung um die zugewiesene Stelle eine Chance versäumt hat, die Arbeitslosigkeit rasch und auch wesentlich früher als mit der im Oktober 2005 erhaltenen Zusage, zu beenden. Sodann trifft zwar zu, dass der Versicherte der zuständigen Amtsstelle rasch mitteilte, dass er die Bewerbungsfrist ungenutzt hatte verstreichen lassen. Dieser Gesichtspunkt vermag ihn aber entgegen der Vorinstanz nicht entscheidend zu entlasten. Entsprechendes liesse sich auch nicht aus dem im angefochtenen Entscheid erwähnten Urteil H. vom 9. Dezember 2003 (C 58/03) herleiten. Dort war ebenfalls zu prüfen, ob der Grad des schweren Verschuldens bei einer versicherten Person, welche die Bewerbungsfrist für eine zugewiesene Stelle nicht eingehalten hatte, wegen eines entschuldbaren Grundes unterschritten werden könne. Dabei wurde der versicherten Person zugutegehalten, dass sie die zuweisende Amtsstelle über das Versäumnis umgehend in Kenntnis gesetzt hatte. Dies geschah aber zum einen vor einem Hintergrund, der mit dem hier gegebenen nur teilweise vergleichbar ist. Denn dort wurde die Bewerbungsfrist wegen einer Unterlassung im Zusammenhang mit dem Versand des Bewerbungsschreibens verpasst, während es hier nicht einmal zu einem solchen Bewerbungsversuch gekommen ist. Zum anderen genügte auch im damaligen Verfahren alleine die umgehende Mitteilung über die verpasste Bewerbungsfrist nicht zur Annahme eines weniger als schweren Verschuldens. Hiefür war vielmehr mitverantwortlich, dass der versicherten Person, deren Einstellung in der Anspruchsberechtigung zur Diskussion stand, in der Arbeitslosigkeit ein über eineinhalb Jahre hinweg arbeitslosenversicherungsrechtlich nicht zu beanstandendes Verhalten angerechnet werden konnte. Ein derartiger Tatbeweis des guten Willens liegt hier nicht vor. 
4.4 Was der Versicherte vorbringen lässt, rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtungsweise. Er wurde mit der amtlichen Stellenzuweisung vom 18. März 2005 unmissverständlich aufgefordert, sich bis 22. März 2005 um die angebotene Stelle zu bewerben. Dies hat er unterlassen. Dass dies nicht etwa auf ein - unter Umständen entschuldbares - falsches Verständnis des Zuweisungsschreibens zurückzuführen war, geht aus seiner Stellungnahme an die Verwaltung vom 10. Mai 2005 hervor. Danach hatte er sich vorgenommen, eine Bewerbung einzureichen. Dass dies nicht geschehen sei, liege darin begründet, dass er einige Tage Stress gehabt habe und somit erst nach Ablauf der Frist dazu gekommen sei, sich mit der Bewerbung zu befassen. Dabei habe er realisiert, dass die gesetzte Frist bereits abgelaufen gewesen sei, und er habe, da verspätete Bewerbungen ohnehin nicht berücksichtigt würden, von der Einreichung einer solchen abgesehen. 
Dass der Versicherte die Bewerbungsfrist nicht eingehalten hat, ist demnach darauf zurückzuführen, dass er die Stellenzuweisung erst mit zeitlicher Verzögerung genau durchgelesen hat. Dieses Versäumnis lässt sich nicht mit Stress entschuldigen, ist doch der Versicherte, der Leistungen der Arbeitslosenversicherung beanspruchen will, gehalten, im Rahmen der Schadenminderungspflicht alles Notwendige zur Vermeidung oder Verkürzung der Arbeitslosigkeit zu tun. Das umgehende und sorgfältige Durchlesen arbeitsamtlicher Zustellungen stellt einen elementaren Bestandteil dieser Verpflichtung dar. Der Beschwerdegegner kann sich auch nicht mit dem Vorbringen entlasten, die Amtsstelle habe ihn nach Erhalt seiner Mitteilung über die versäumte Bewerbungsfrist nicht darüber informiert, ob eine nachträgliche Bewerbung noch möglich sei. Denn es wäre an ihm gelegen, sich seinerseits zumindest nach einer allfälligen solchen Möglichkeit zu erkundigen. 
4.5 Das kantonale Gericht hat somit zu Unrecht auf ein nur mittelschweres Verschulden geschlossen. 
Bei dem demnach gegebenen schweren Verschulden ist eine Einstellung zwischen 31 und 60 Tagen auszusprechen (Art. 45 Abs. 2 lit. c AVIV). Die Verwaltung hat die Dauer der Sanktion auf 38 Tage festgesetzt. Es bestehen indessen keine triftigen Gründe, über das Minimum bei schwerem Verschulden hinauszugehen, zumal es um die erstmalige Einstellung eines noch jungen und beruflich unerfahrenen Versicherten geht, welcher sich ansonsten fleissig um eine neue Arbeitsstelle bemüht und die Unterlassung betreffend die zugewiesene Stelle umgehend gemeldet hat. Die Dauer der Einstellung wird daher auf 31 Tage festgesetzt. 
5. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der Beschwerdegegner ist nicht anwaltlich oder in anderer Weise qualifiziert vertreten, weshalb ihm keine Parteientschädigung zusteht. Eine solche wird denn auch nicht geltend gemacht. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 10. Januar 2006 aufgehoben und der Einspracheentscheid des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau vom 9. September 2005 insoweit abgeändert wird, als die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf 31 Tage festgesetzt wird. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 15. Dezember 2006 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: