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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_350/2022  
 
 
Urteil vom 16. Januar 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, Hartmann, 
Gerichtsschreiber Beriger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas von Wartburg, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
(Wieder) Erteilung der Niederlassungs- bzw. 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Zürich vom 23. Februar 2022 
(VB.2022.00020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1962) ist türkischer Staatsangehöriger. Er reichte am 21. Oktober 1988 erfolglos ein Asylgesuch in der Schweiz ein. Am 19. April 1995 reiste er erneut in die Schweiz ein und durchlief ein weiteres Asylverfahren erfolglos. Am 10. Oktober 1996 heiratete er die Schweizer Bürgerin B.________ und erhielt im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung und am 21. Februar 2002 die Niederlassungsbewilligung. Die Ehe wurde am 23. Mai 2003 geschieden. Am 30. Mai 2013 reiste A.________ in die Türkei zurück.  
 
A.b. Am 10. Juli 2015 reiste A.________ erneut in die Schweiz ein und stellte am 6. August 2015 im Kanton Thurgau ein Gesuch um Wiedererteilung der Aufenthaltsbewilligung. Das Migrationsamt des Kantons Thurgau teilte ihm mit Schreiben vom 10. August 2015 mit, dass das Gesuch aufgrund fehlender Unterlagen nicht geprüft werde und im Übrigen die Frist zur Wiederzulassung abgelaufen sei. A.________ verliess die Schweiz in der Folge zu einem nicht bekannten Zeitpunkt.  
 
A.c. Am 8. November 2018 reiste A.________ erneut in die Schweiz ein und schloss am 1. Februar 2019 in U.________ die Ehe mit der in der Schweiz niedergelassenen thailändischen Staatsangehörigen C.________. Am 4. Februar 2019 ersuchte er um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. In der Folge fand eine eingehende Sachverhaltsabklärung wegen des Verdachts auf das Vorliegen einer Scheinehe statt. Am 16. Juli 2019 meldete sich die Ehefrau bei der Stadtpolizei U.________ und gab an, bei der Befragung gelogen zu haben und eine Scheinehe eingegangen zu sein. A.________ wurde am 16. Juli 2019 verhaftet, am nächsten Tag schriftlich befragt und am 18. Juli 2019 aus der Haft entlassen. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft U.________ vom 19. August 2020 wurde A.________ wegen Täuschung der Behörden (Scheinehe) mit einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu Fr. 30.-- (Probezeit von zwei Jahren) bestraft.  
 
A.d. Am 30. September 2019 verlegte A.________ seinen Wohnsitz in den Kanton Thurgau und ersuchte dort am 5. Juni 2020 um Kantonswechsel. Das Migrationsamt des Kantons Thurgau trat auf das Gesuch mit Entscheid vom 11. September 2020 mangels gültiger Aufenthaltsbewilligung im Vorkanton nicht ein. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft.  
 
A.e. Am 19. November 2020 zog A.________ nach V.________ und ersuchte im Kanton Zürich um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs ersuchte er am 17. Dezember 2020 um Wiedererteilung der Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsbewilligung.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 26. Januar 2021 wies das Migrationsamt die Gesuche von A.________ ab, wies ihn aus der Schweiz weg und setzte ihm Frist zum Verlassen der Schweiz bis am 31. März 2021. Einen gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. Dezember 2021 ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 23. Februar 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. Mai 2022 beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich vom 23. Februar 2022 sei aufzuheben. Weiter sei das Migrationsamt des Kanton Zürich anzuweisen, dem Beschwerdeführer eine Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und dem Beschwerdeführer zu bewilligen, den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abzuwarten. 
Mit Verfügung vom 5. Mai 2022 ist der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und verzichtet im Übrigen auf eine Vernehmlassung. Die Sicherheitsdirektion hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Migrationsamt und das Staatssekretariat für Migration haben sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit (Art. 29 Abs. 1 BGG) bzw. die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 140 IV 57 E. 2 mit Hinweisen). 
 
1.1. Der Beschwerdeführer stützt die von ihm begehrte Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf Art. 8 EMRK (Achtung des Privatlebens), da er sich rund 17 Jahre lang rechtmässig in der Schweiz aufgehalten habe und die (Wieder-) Erteilung der Niederlassungsbewilligung auf Art. 34 Abs. 3 AIG (SR 142.20) i.V.m. Art. 61 VZAE (SR 142.201) bzw. Art. 96 AIG.  
 
1.2. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche Bewilligungen betreffen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels vom Bestehen eines Rechtsanspruchs ab, ist ein potenzieller Anspruch in vertretbarer Weise geltend zu machen. Ob der geltend gemachte Anspruch besteht, ist nicht im Rahmen des Eintretens zu prüfen, sondern bei der materiellen Beurteilung (BGE 147 I 268 E. 1.2.7; 139 I 330 E. 1.1, je mit Hinweisen).  
 
1.3. Die Rechtsprechung gemäss BGE 144 I 266, wonach nach einer rechtmässigen Aufenthaltsdauer von zehn Jahren regelmässig davon auszugehen ist, dass sich die sozialen Bindungen zur Schweiz derart entwickelt haben, dass besondere Gründe erforderlich erscheinen, um den Aufenthalt einer ausländischen Person zu beenden, bezieht sich auf Fallkonstellationen, in denen es um die Beendigung bzw. Nichtverlängerung eines Aufenthaltsrechts geht, nicht aber um dessen Begründung bzw. Neuerteilung (Urteile 2C_25/2020 vom 18. März 2020 E. 1.4; 2C_979/2019 vom 7. Mai 2020 E. 5). Um eine Neuerteilung geht es auch dann, wenn eine einstmals bestehende Bewilligung nicht mehr existiert, etwa weil sie erloschen ist (Urteil 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 E. 4.6, zur Publikation vorgesehen). In solchen Fällen ist der Schutzbereich von Art. 8 EMRK nicht eröffnet (Urteil 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 E. 4.8, zur Publikation vorgesehen).  
 
1.4. Im vorliegenden Verfahren ist nicht die Beendigung bzw. Nichtverlängerung des Aufenthaltsrechts angefochten, da die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers infolge seines Auslandaufenthalts während mehreren Jahren unbestrittenermassen erloschen ist (vorinstanzliches Urteil E. 2.2). Es geht allein um die Begründung eines Aufenthaltsrechts. Anders als vom Beschwerdeführer geltend gemacht, kann er sich daher trotz des geltend gemachten langjährigen Aufenthalts in der Schweiz nicht auf die Rechtsprechung gemäss BGE 144 I 266 (vgl. vorne E. 1.3) berufen. Da es um die Neuerteilung eines Aufenthaltstitels geht, ist der Schutzbereich von Art. 8 EMRK nicht berührt (vgl. vorne E. 1.3). Aus dem von ihm angeführten Urteil 2C_292/2019 vom 8. April 2019, in dem ein Anspruch aus Art. 8 EMRK auf Neuerteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach vorgängigem langjährigen Aufenthalt in der Schweiz geprüft, im Ergebnis aber verneint wurde, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten, nachdem die Rechtslage mit dem zur Publikation vorgesehenen Urteil 2C_528/2021 vom 23. Juni 2022 geklärt wurde (vgl. vorne E. 1.3). Der Beschwerdeführer kann sich für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung somit nicht in vertretbarer Weise auf einen Anspruch auf Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK berufen.  
 
1.5. Auch soweit der Beschwerdeführer sich auf Art. 34 Abs. 3 AIG i.V.m. Art. 61 VZAE bzw. Art. 96 AIG beruft, vermag er einen potenziellen Rechtsanspruch nicht in vertretbarer Weise darzutun. Es handelt sich bei der erneuten Erteilung der Niederlassungsbewilligung nach einem Auslandaufenthalt klarerweise um eine Ermessensbewilligung (vgl. die "Kann"-Formulierung in Art. 34 Abs. 3 AIG bzw. Art. 61 VZAE; vgl. Urteil 2C_1060/2020 vom 19. Februar 2021 E. 4.2.2), weshalb auf die Beschwerde auch insoweit nicht einzutreten ist. Aus dem gleichen Grund ist auch auf das Begehren des Beschwerdeführers, eventualiter sei ihm gestützt auf Art. 61 VZAE eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, nicht einzutreten.  
 
1.6. Aus Art. 43 AIG ergeben sich vorliegend aufgrund des Bestehens einer Scheinehe (vgl. vorn Sachverhalt "A.c") ebenfalls keine Aufenthaltsansprüche (vgl. Art. 50 AIG).  
 
1.7. Zusammenfassend kann sich der Beschwerdeführer auf keine Anspruchsgrundlage berufen, die ihm ein Recht auf Aufenthalt oder Einreise in die Schweiz verschaffen könnte. Infolgedessen ist in Anwendung von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig, steht unter bestimmten Voraussetzungen die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen (Art. 113 ff. BGG). Mit dieser kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG), wobei die Beschwerdeberechtigung ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Urteils erfordert (Art. 115 Abs. 1 lit. b BGG). Da der Beschwerdeführer bezüglich Bewilligungserteilung keine Rechte geltend machen kann, fehlt es vorliegend an einem rechtlich geschützten Interesse, und zwar selbst dann, wenn er die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) anrufen würde (BGE 137 II 305 E. 2; Urteil 2C_25/2020 vom 18. März 2020 E. 2.1).  
 
2.2. Der Beschwerdeführer rügt sodann auch keine Verfahrensfehler, die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommen und die das Bundesgericht im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde losgelöst von der Sache selber prüfen könnte (sog. "Star"-Praxis; vgl. BGE 137 II 305 E. 2; Urteile 2C_85/2022 vom 24. Mai 2022 E. 1.2.2; 2C_25/2020 vom 18. März 2020 E. 2.2). Demzufolge kann die vorliegende Beschwerde auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden.  
 
3.  
Die Beschwerde erweist sich damit als unzulässig, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Dem Verfahrensausgang entsprechend trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 und Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Januar 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Beriger