Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_547/2022
Urteil vom 16. Januar 2024
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin May Canellas,
Gerichtsschreiber Kistler.
Verfahrensbeteiligte
A.________ SAS,
vertreten durch Advokat Martin Boos,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Advokat Dr. Lukas Bopp,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 28. Oktober 2022 (RV220014-O/U).
Sachverhalt:
A.
Mit Eingabe vom 31. August 2022 ersuchte die A.________ SAS (Gesuchstellerin, Beschwerdeführerin) beim Bezirksgericht Zürich, Einzelgericht, um Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Urteils der Cour de Cassation vom 31. März 2021 (Kassationsurteil) sowie eines Urteils der Cour d'Appel de Toulouse vom 13. Januar 2020 (Urteil der Cour d'Appel). Gleichzeitig beantragte sie die Anordnung eines Arrests und verlangte, die Gerichts-, Verfahrens- und Parteikosten seien B.________ (Gesuchsgegner, Beschwerdegegner) aufzuerlegen. Bezüglich der gleichzeitig mit dem Gesuch um Anerkennung und Vollstreckbarerklärung beantragten Anordnung eines Arrests eröffnete das Einzelgericht ein separates Verfahren.
B.
Mit Urteil vom 1. September 2022 wies das Einzelgericht das Gesuch um Vollstreckbarerklärung des Kassationsurteils ab. Das Urteil der Cour d'Appel erklärte es hingegen für vollstreckbar.
Mit Urteil vom 28. Oktober 2022 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde der Gesuchstellerin gegen die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung des Kassationsurteils ab. Es erwog, eine Vollstreckung nach schweizerischem Recht sei nicht möglich, denn das Kassationsurteil enthalte keine Leistungsverpflichtung des Gesuchsgegners an die Gesuchstellerin. Ohne ein zusätzliches Verfahren sei offen, ob und in welchem Umfang die Gesuchstellerin einen Anspruch gegenüber dem Gesuchsgegner auf (Rück-) Zahlung von EUR 167'654.04 habe.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben, das Kassationsurteil anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1. Angefochten ist ein Entscheid des Obergerichts, mit dem ein gegen die erstinstanzliche Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung gemäss Art. 41 LugÜ [SR 0.275.12] gerichteter Rechtsbehelf (Art. 43 Abs. 1 LugÜ, Anhang III) abgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht zulässig (Art. 44 LugÜ, Anhang IV; Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG). Die im kantonalen Verfahren unterlegene Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Demnach ist sie zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).
1.2. Mit Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) und von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. b BGG). Dazu gehören Staatsverträge wie das LugÜ. Eine geltend gemachte Verletzung dieses Übereinkommens prüft das Bundesgericht frei (BGE 135 III 324 E. 3; Urteil 5A_299/2020 vom 11. August 2021 E. 1.2). Immerhin befasst es sich grundsätzlich nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Entscheid erfordert (BGE 142 III 364 E. 2.4).
2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2; 264 E. 2.3). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die genannten Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).
3.
Gegenstand der Beschwerde ist die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung des Kassationsurteils.
3.1. Mit dem Kassationsurteil hat die Cour de Cassation das Urteil der Cour d'Appel de Toulouse vom 14. Dezember 2018 aufgehoben und insoweit für nichtig erklärt, als die Beschwerdeführerin darin zur Zahlung von insgesamt EUR 167'654.04 an den Beschwerdegegner verpflichtet wurde. In diesem Punkt wurden der Rechtsstreit und die Parteien in die Lage vor dem Urteil der Cour d'Appel de Toulouse zurückversetzt und an die Cour d'Appel d'Agen verwiesen. Diese Aufhebung und Nichtigerklärung wurde auch in Ziff. 4.5 der von der Beschwerdeführerin beigelegten Vollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 54 i.V.m. Anhang V LugÜ vom 22. Juni 2022 festgehalten.
3.2. Zur Vollstreckbarerklärung nach Massgabe des LugÜ, dessen Geltungsbereich in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht unstreitig erfüllt ist, gilt Folgendes:
Nach Art. 38 Abs. 1 LugÜ werden die in einem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung beantragt, hat eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (Art. 53 Abs. 1 LugÜ). Ferner hat die Partei auch die Vollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 54 LugÜ vorzulegen (Art. 53 Abs. 2 LugÜ). Wenn die in Art. 53 LugÜ vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, wird nach Art. 41 Satz 1 LugÜ die Entscheidung unverzüglich für vollstreckbar erklärt, ohne dass eine Prüfung nach den Art. 34 oder 35 erfolgt (zur Zuständigkeit vgl. Art. 39 LugÜ). Der Schuldner erhält in diesem Abschnitt des Verfahrens keine Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben (Art. 41 Satz 2 LugÜ). Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen (Art. 43 Abs. 1 LugÜ). Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör massgebend sind (Art. 43 Abs. 3 LugÜ). Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden (Art. 36 LugÜ).
Damit sieht das LugÜ für die Vollstreckbarerklärung ein zweistufiges Verfahren vor: Im ersten Verfahrensabschnitt findet eine bloss formelle Prüfung statt, in welcher die beklagte Partei sich nicht äussern kann (vgl. Urteil 5A_385/2016 vom 29. November 2016 E. 3.2). Eine allfällige Vollstreckbarerklärung kann diese Partei in einem zweiten Verfahrensabschnitt gerichtlich überprüfen lassen. In diesem Verfahrensstadium ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör Genüge zu tun und sind zusätzlich die Gründe für die Verweigerung der Anerkennung nach Art. 34 f. LugÜ zu berücksichtigen (vgl. Urteile 5A_934/2016 vom 23. August 2017 E. 4; 5A_104/2019 vom 13. Dezember 2019 E. 3.1.1).
4.
Fraglich ist, mit welcher Kognition die Vorinstanz gemäss Art. 45 LugÜ das Kassationsurteil prüfen durfte.
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vollstreckbarerklärung dürfe gemäss Art. 45 Abs. 1 LugÜ vom Rechtsbehelfsgericht nur aus den in Art. 34 oder 35 LugÜ aufgeführten Verweigerungsgründen versagt werden. Die Vorinstanz habe jedoch die Vollstreckbarerklärung deshalb verweigert, weil dem Urteilsspruch keine Leistungsverpflichtung zu entnehmen sei. Dieser Verweigerungsgrund sei nicht von den Art. 34 f. LugÜ erfasst, weshalb die Vorinstanz ihre Kognition gemäss Art. 45 Abs. 1 LugÜ verletzt habe.
4.2. Vom Rechtsbehelfsgericht nach Art. 43 f. LugÜ darf die Vollstreckbarerklärung zwar dem Wortlaut von Art. 45 Abs. 1 Satz 1 LugÜ nach nur aus einem der in den Art. 34 f. LugÜ aufgeführten Verweigerungsgründe versagt oder aufgehoben werden. Allerdings darf das Rechtsbehelfsgericht auch diejenigen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung prüfen, die bereits die erste Instanz hat prüfen dürfen. Ansonsten wäre einerseits eine einheitliche Rechtsprechung zum Begriff der "Vollstreckbarkeit" oder der "Entscheidung" nicht zu erlangen (Urteile 5A_104/2019 E. 4.2; 5A_934/2016 vom 23. August 2017 E. 4; je mit Hinweisen). Andererseits wäre der Anspruch des Vollstreckungsgegners auf rechtliches Gehör verletzt, da sich dieser im erstinstanzlichen Verfahren zur Prüfung der formellen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung gerade nicht äussern kann (vgl. E. 3.2 hiervor).
4.3. Die Vorinstanz begründete die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung mit dem Fehlen einer Leistungspflicht. Das Fehlen einer Leistungspflicht betrifft die Voraussetzung des vollstreckungsfähigen Inhalts des zur Vollstreckbarerklärung vorgelegten Rechtstitels. Es handelt sich hier um eine Voraussetzung, welche die Erstinstanz zur Gewährung der Vollstreckbarerklärung zu prüfen hat (HOFMANN / KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2. Aufl. 2016, N. 37 und N. 144 zu Art. 38 LugÜ; STAEHELIN / BOPP, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 12 zu Art. 41 LugÜ; PAUL OBERHAMMER, in: Kommentar zur Zivilprozessordnung, Stein/Jonas [Hrsg.], Bd. X, 22. Aufl. 2011, N. 10 zu Art. 40, 41 EuGVVO; WALTER / DOMEJ, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 5. Aufl. 2012, S. 412; CHRISTIAN ARNOLD, Das Exequaturverfahren im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens vom 30. Oktober 2007 aus schweizerischer Sicht, 2020, S. 4; SPÜHLER / RODRIGUEZ, Internationales Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2022, S. 91). Entsprechend war die Vorinstanz befugt, ebenfalls über diese Voraussetzung zu urteilen (vgl. E. 4.2. hiervor). Die Vorinstanz hat ihre Kognition nicht überschritten und somit Art. 45 Abs. 1 LugÜ nicht verletzt, indem sie die Vollstreckbarerklärung des Kassationsurteils aufgrund der fehlenden Leistungspflicht prüfte und schliesslich verweigerte.
5.
Umstritten ist, ob das Kassationsurteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.
5.1. Die Vorinstanz verneinte einen vollstreckungsfähigen Inhalt des Kassationsurteils. Das Kassationsurteil enthalte keine Verpflichtung des Beschwerdegegners zur Rückleistung eines Geldbetrags. Eine solche Verpflichtung finde sich im Urteilsspruch nicht, sondern es werde lediglich ein Teil des vorinstanzlichen Entscheids aufgehoben sowie die Rückweisung an die Vorinstanz und die Rückversetzung in den Zustand vor Erlass des vorinstanzlichen Entscheids angeordnet. Diese Anordnungen würden in der Schweiz keinen vollstreckungsfähigen Inhalt darstellen. Vielmehr bilde ein Rückweisungsentscheid nach schweizerischem Rechtsverständnis einen nicht vollstreckungsfähigen prozessleitenden Zwischenentscheid, der keine Rechtskraftwirkung entfalte. Es sei nicht von Bedeutung, wie der Rückweisungsentscheid nach französischem Recht zu beurteilen und ob er in Frankreich vollstreckbar wäre. Die Beschwerdeführerin beantrage die Vollstreckbarerklärung in der Schweiz, weshalb zu prüfen sei, ob eine Vollstreckung nach schweizerischem Recht von der Sache her tatsächlich möglich sei. Dies sei nicht der Fall, denn das Kassationsurteil äussere sich nicht dazu, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Rückzahlung von EUR 167'654.04 habe und halte auch nicht fest, dass die Beschwerdeführerin diesen Betrag an die Beschwerdegegnerin bezahlt habe. Ohne ein zusätzliches Verfahren sei daher offen, ob und in welchem Umfang die Beschwerdeführerin einen Anspruch gegenüber dem Beschwerdegegner auf (Rück-) Zahlung von EUR 167'654.04 habe.
5.2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht das französische Recht für unbeachtlich erklärt und damit gegen Art. 38 Abs. 1 LugÜ verstossen. Nach Art. 38 Abs. 1 LugÜ sei massgebend, ob das zu vollstreckende Urteil im Urteilsstaat und damit in Frankreich vollstreckbar sei. Demgegenüber entbehre die Überprüfung der Vollstreckbarkeit des Urteils durch die Vorinstanz nach dem Recht des Vollstreckungsstaates jeglicher Grundlage im LugÜ. Vielmehr hätte die Vorinstanz das Kassationsurteil unter Berücksichtigung der französischen Rechtslage auslegen bzw. konkretisieren müssen. Die Vorinstanz habe aber eine Auseinandersetzung mit dem französischen Recht und den Tenorierungsgewohnheiten der Cour de Cassation ausdrücklich unterlassen. Sie habe damit ignoriert, dass Urteile der Cour de Cassation nach französischem Recht Leistungsurteile darstellen würden.
5.3.
5.3.1. Damit ein Rechtstitel überhaupt Gegenstand einer Vollstreckbarerklärung gemäss Art. 38 Abs. 1 LugÜ sein kann, muss er einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweisen (HOFMANN / KUNZ, a.a.O., N. 144 zu Art. 38 LugÜ; STAEHELIN / BOPP, a.a.O., N. 12 zu Art. 41 LugÜ; WALTER / DOMEJ, a.a.O., S. 412; ARNOLD, a.a.O., S. 4; SPÜHLER / RODRIGUEZ, a.a.O., S. 91; OBERHAMMER, a.a.O., N. 10 zu Art. 38 EuGVVO N. 20 f.). Mithin muss sich die dem Entscheid zukommende Rechtswirkung tatsächlich vollstrecken lassen (vgl. Urteil 5A_880/2015 vom 3. Juni 2016 E. 2). Ist dies nicht der Fall, so kann das Vollstreckungsgericht dem Exequaturantrag nicht stattgeben und hat diesen stattdessen in einen Antrag auf Feststellung der Anerkennung nach Art. 33 Abs. 3 LugÜ umzudeuten (STAEHELIN / BOPP, a.a.O., N. 12 zu Art. 41 LugÜ; OBERHAMMER, a.a.O., N. 20 zu Art. 38 EuGVVO).
Grundsätzlich können nur Leistungsurteile für vollstreckbar erklärt werden (HAIMO SCHACK, Internationales Zivilverfahrensrecht, 6. Aufl. 2014, S. 381; BAUMGARTNER / DOLGE / MARKUS / SPÜHLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 10. Aufl., 2018, S. 429; vgl. auch WALTER / DOMEJ, a.a.O. S. 413). Mit anderen Worten weist nur jenes Urteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt auf, das den Schuldner zu einer Leistung verpflichtet (OBERHAMMER, a.a.O., N. 10 zu Art. 40, 41 EuGVVO). Demgegenüber sind z.B. Feststellungsurteile oder Gestaltungsurteile nicht vollstreckungsfähig (HOFMANN / KUNZ, a.a.O., N. 145 zu Art. 38 LugÜ; SPÜHLER / RODRIGUEZ, a.a.O., S. 91).
5.3.2. Ob der Entscheid eines Vertragsstaates zu einer Leistung verpflichtet, ist durch Auslegung des Entscheids zu ermitteln. Dabei hat der Schweizer Vollstreckungsrichter unter Umständen den Tenor der ausländischen Entscheidung auszulegen und zu konkretisieren, damit diese die gleiche Wirkung hat wie ein Vollstreckungstitel eines Schweizer Gerichts (Urteil 5A_162/2012 vom 12. Juli 2012 E. 6.2.3). Sollte mithin der ausländische Titel den Schweizer Anforderungen an die Bestimmtheit nicht genügen, hat das Schweizer Gericht im Interesse der Urteilsfreizügigkeit eine Konkretisierung oder Ergänzung des Ausspruchs durch Auslegung im Exequaturverfahren vorzunehmen. Eine solche Auslegung ist möglich, wenn sich die Kriterien hierfür aus dem anwendbaren Recht oder ähnlichen im Inland gleichermassen zugänglichen und sicher feststellbaren Umständen ableiten lassen (PETER MANKOWSKI, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/ EuIPR, Kommentar, Rauscher [Hrsg.], Band I, 5. Aufl. 2020, N. 23 zu Vor Art. 39 - 41 Brüssel Ia-VO; OBERHAMMER, a.a.O., N. 17 zu Art. 40, 41 EuGVVO; Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofs vom 21. November 2013 in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2014, S. 702). Diese Auslegungskompetenz findet allerdings ihre Grenze am Verbot der révision au fond gemäss Art. 45 Abs. 2 LugÜ. Das Urteil darf demzufolge zwar unter Berücksichtigung des anwendbaren Rechts ausgelegt, aber inhaltlich nicht abgeändert werden. Dieses Spannungsverhältnis zwischen der Auslegungskompetenz und dem Verbot der révision au fond verdeutlicht sich am Erfordernis, dass die Entscheidung zu ihrer Vollstreckbarerklärung ein Mindestmass an Bestimmtheit aufweisen muss (sog. Erfordernis der Titelklarheit; HOFMANN / KUNZ, a.a.O., N. 150 zu Art. 38 LugÜ; KROPHOLLER / VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N. 12 zu Art. 38 EuGVO; STAEHELIN / BOPP, a.a.O., N. 38 zu Art. 38 LugÜ; MIGUEL SOGO, in: Lugano Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Schnyder/ Sogo [Hrsg.], 2. Aufl. 2020, N. 51 zu Art. 38 LugÜ). Demzufolge muss die in der Entscheidung enthaltene Anordnung immerhin so bestimmt gefasst sein, dass sie ohne zusätzliches Zwischenverfahren vollstreckt werden kann (HOFMANN / KUNZ, a.a.O., N. 151 zu Art. 38 LugÜ; MANKOWSKI, a.a.O., N. 21 zu Art. 38 Brüssel Ia-VO). Zugleich gebietet der effet utile des LugÜ, dass nicht jede Unklarheit oder Abweichung von nationalen Vorstellungen den Richter dazu veranlasst, die Vollstreckbarerklärung zu verweigern (Urteile 5A_162/2012 E. 6.2.3; 5A_646/2013 vom 9. Januar 2014 E. 5.2.2; je mit Hinweisen). Nur wenn der ausländische Rechtstitel derart unbestimmt gefasst ist, dass er (ohne gegen das Verbot der révision au fond zu verstossen) auch nicht mittels Auslegung durch das Gericht des Vollstreckungsstaates hinreichend konkretisiert werden kann, ist die Vollstreckbarerklärung zu verweigern (Urteile 5A_162/2012 E. 6.2.3; 5A_646/2013 E. 5.2.2).
5.3.3. Für den vorliegenden Rechtsstreit zentral ist, nach welchem Recht der zur Vollstreckbarerklärung vorgelegte Rechtstitel auszulegen und zu bestimmen ist, ob ihm ein vollstreckungsfähiger Inhalt zukommt, wenn sich die Leistungspflicht nicht unmittelbar dem Entscheid entnehmen lässt.
Auf den ersten Blick liegt es nahe, diese Frage als Teil der zu prüfenden Vollstreckbarkeit des Rechtstitels aufzufassen und sie daher nach Art. 38 Abs. 1 LugÜ zu beurteilen. Folglich wäre diese Frage nach dem Recht des Ursprungsstaates zu bestimmen, was in der Lehre auch teilweise vertreten wird (CHRISTIAN KOLLER, in: Kommentar zur Zivilprozessordnung, Stein/Jonas [Hrsg.], Bd. XII, 23. Aufl. 2023, N. 16 zu Art. 39 EuGVVO). Allerdings bildet die Frage, ob ein Rechtstitel einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist, eine von der Vollstreckbarkeit des Rechtstitels unabhängige Voraussetzung (OBERHAMMER, a.a.O., N. 20 f. zu Art. 38 EuGVVO). Während die Vollstreckbarkeit eine Voraussetzung bildet, damit der Entscheid für vollstreckbar erklärt werden kann, bildet der vollstreckungsfähige Inhalt eine Voraussetzung dafür, dass der Entscheid überhaupt Gegenstand eines Exequaturverfahrens sein kann. Mithin gelangen die Exequaturbestimmungen von Art. 38 ff. LugÜ erst zur Anwendung, wenn der Entscheid einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. STAEHELIN / BOPP, a.a.O., N. 6 zu Art. 38 LugÜ; OBERHAMMER, a.a.O., N. 20 zu Art. 38 EuGVVO). Die Voraussetzung eines vollstreckungsfähigen Inhalts ist damit der Voraussetzung der Vollstreckbarkeit nach Art. 38 Abs. 1 LugÜ vorgelagert und wird nicht durch diese Bestimmung geregelt. Vielmehr ist unabhängig von Art. 38 Abs. 1 LugÜ zuerst zu prüfen, ob der Rechtstitel eine Leistungspflicht vorsieht, die tatsächlich vollstreckt werden kann (vgl. HOFFMANN / KUNZ, a.a.O., N. 144 zu Art. 38 LugÜ; vgl. auch Urteil 5A_880/2015 vom 3. Juni 2016 E. 2). Ansonsten drohte die paradoxe Situation, dass ein Rechtstitel allein aufgrund des Umstands, dass er gemäss Art. 38 Abs. 1 LugÜ im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, für vollstreckbar erklärt werden müsste, obschon der mit dem Rechtstitel zuerkannte Rechtsanspruch im Vollstreckungsstaat nicht zwangsvollstreckt werden kann. Dies würde auf einen prozessualen Leerlauf hinauslaufen, was nicht dem Zweck der Vollstreckbarerklärung entsprechen kann.
In diesem Zusammenhang gilt zu berücksichtigen, dass das LugÜ zwar mit der Vollstreckbarerklärung die Zulassung zur Zwangsvollstreckung regelt, hingegen die Durchführung der Zwangsvollstreckung unberührt lässt (Urteil des EuGH vom 28. April 2009, C-420/07,
Apostolides, Randnr. 69; HOFMANN / KUNZ, a.a.O., N. 5 zu Art. 38 LugÜ; STAEHELIN / BOPP, a.a.O., N. 6 zu Art. 38 LugÜ; ANDREAS BUCHER, in: Commentaire Romand, 2011, N. 6 zu Art. 38 LugÜ). Die Durchführung der Zwangsvollstreckung richtet sich daher nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaates (STAEHELIN / BOPP, a.a.O., N. 6 zu Art. 38 LugÜ; BUCHER, a.a.O., N. 6 zu Art. 38 LugÜ). Entsprechend bestimmt auch das nationale Recht des Vollstreckungsstaates die zulässigen Vollstreckungsmassnahmen (vgl. MONIQUE JAMETTI Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, S. 38). Am vollstreckungsfähigen Inhalt mangelt es demnach, wenn die dem Entscheid zukommenden Rechtswirkungen nicht mittels den im Vollstreckungsstaat vorhandenen Vollstreckungsmassnahmen durchgesetzt werden kann. Es muss daher untersucht werden, ob der Rechtstitel unter der Annahme einer Vollstreckbarerklärung einen Leistungsanspruch vorsehen würde, der mit den inländischen Zwangsvollstreckungsmassnahmen durchgesetzt werden könnte.
Aus dem Gesagten folgt, dass zur Beurteilung, ob dem Rechtstitel ein vollstreckungsfähiger Inhalt zukommt, zunächst geprüft werden muss, welche Wirkungen dem Rechtstitel mit der Vollstreckbarerklärung zuzuerkennen wären. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts entfaltet eine gemäss LugÜ für vollstreckbar erklärte ausländische Entscheidung im ersuchten Staat grundsätzlich dieselbe Wirkung wie im Urteilsstaat (BGE 146 III 157 E. 6.5; 143 III 693 E. 3.4.3). Entsprechend ist festzuhalten, dass zur Beurteilung des vollstreckungsfähigen Inhalts eines Rechtstitels gedanklich in einem ersten Schritt zu prüfen ist, welche Wirkungen dem Rechtstitel nach dem Recht des Urteilsstaates zukommen. Erst in einem gedanklich zweiten Schritt wäre alsdann zu prüfen, ob die so zuerkannten Wirkungen überhaupt der Zwangsvollstreckung in der Schweiz zugeführt werden können. Nur sofern nach dem Recht des Ursprungsstaates dem Rechtstitel Wirkungen zukommen, die nicht in der Schweiz zwangsvollstreckt werden können, ist die Vollstreckbarerklärung mangels vollstreckungsfähigen Inhalts zu verweigern.
5.4.
5.4.1. Die Vorinstanz stützte sich vorliegend zur Verweigerung der Vollstreckbarerklärung einerseits auf den Umstand, dass dem Urteil bzw. dem Urteilsdispositiv keine Leistungspflicht zu entnehmen sei und andererseits ein Rückweisungsurteil nach schweizerischem Rechtsverständnis kein Leistungsurteil darstelle. Mit diesem Vorgehen hat sie die Exequaturbestimmungen des LugÜ verletzt. So wäre sie verpflichtet gewesen, in einem ersten Schritt festzustellen, welche Wirkungen dem Entscheid mit ihrer Vollstreckbarerklärung zukommen würden. Hierzu hätte sie das Urteil im Lichte des französischen Rechts und unter Berücksichtigung der Tenorierungsgewohnheiten der Cour de Cassation auslegen müssen. Nur sofern dem Kassationsurteil nach dieser Auslegung keine Leistungspflicht zukommen würde, die in der Schweiz einer Zwangsvollstreckung zugänglich wäre, wäre die Vollstreckbarerklärung mangels vollstreckungsfähigen Inhalts zu verweigern. Stellt hingegen - wie die Beschwerdeführerin behauptet - das Kassationsurteil nach französischem Recht ein Leistungsurteil dar, wäre die Vollstreckbarerklärung zu gewähren, sofern die darin enthaltene Leistungspflicht ohne weiteres Erkenntnisverfahren mit den Massnahmen des schweizerischen Zwangsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden kann.
5.4.2. Der Beschwerdegegner wendet hiergegen ein, aus dem Kassationsurteil ergebe sich keineswegs, dass er zur Zurückzahlung des Betrages von EUR 167'564.04 mit sofortiger Fälligkeit verpflichtet worden sei. Hierzu ist folgendes anzumerken: Aus dem vorgelegten Kassationsurteil ergibt sich, dass der Berufungsentscheid der Cour d'appel de Toulouse im Umfang von EUR 167'564.04 und damit im Umfang eines konkreten Betrages aufgehoben wurde. Dies folgt auch aus der von der Beschwerdeführerin beigelegten Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Damit erweist sich die Entscheidung als hinreichend bestimmt. Fraglich ist nur, ob sie zugIeich eine konkrete Rückleistungspflicht gegenüber dem Beschwerdegegner begründet und damit einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. So sind Entscheidungen, die ein Rechtsmittel für unbegründet erklären oder die angefochtene Entscheidung nur aufheben und den Rechtsstreit zurückverweisen, grundsätzlich nicht vollstreckungsfähig (PETER GOTTWALD, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. III, 4. Aufl. 2013, N. 21 zu Art. 32 EuGVO). Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn der Entscheid des Rechtsmittelgerichts zu einer Rückerstattung einer aufgrund eines unterinstanzlichen Urteils erbrachten Leistung verpflichtet (OBERHAMMER, a.a.O., N. 10 zu Art. 40, 41 EuGVVO; MANKOWSKI, a.a.O., 3. Aufl. 2011, N. 24 zu Art. 38 EuGVVO). Ob eine solche Verpflichtung vorliegt, ist in Übereinstimmung mit den bereits erwähnten Grundsätzen anhand des französischen Rechts zu beurteilen.
5.4.3. In diesem Zusammenhang ist die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Vollstreckbarkeitsbescheinigung zu berücksichtigen. So trägt die Gesuchstellerin zwar die Beweislast für diejenigen Tatsachen, die sie zu Gunsten ihres Gesuchs um Vollstreckbarerklärung geltend macht (z.B. die Existenz, den Inhalt, das Datum und die Vollstreckbarkeit des ausländischen Urteils). Die Erbringung dieses Beweises wird ihr jedoch mit der Vollstreckbarkeitsbescheinigung erleichtert (KILLIAS / LIENHARD, in: Lugano-Übereinkommen zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Schnyder/Sogo [Hrsg.], 2. Aufl., 2023, N. 10 zu Art. 54 LugÜ, m.w.H.). Die Bescheinigung dient dem Nachweis von Bestand und Vollstreckbarkeit eines Rechtstitels (Urteil 5a_934/2016 vom 23. August 2017 E. 5.3). Sie bescheinigt somit, dass das Kassationsurteil im Umfang der Aufhebung und damit in der Höhe von EUR 167'564.04 im Ursprungsstaat gegen den Beschwerdegegner vollstreckbar ist.
5.4.3.1. Die Wirkung der Bescheinigung nach Art. 54 LugÜ ist nicht abschliessend geklärt. Zwar steht fest, dass der Bescheinigung keine bindende Wirkung zukommt (Urteil 5A_104/2019 vom 13. Dezember 2019 E. 2.2; Urteil des EuGH vom 6. September 2012, C-619/10,
Trade Agency, Rz. 45 f.). Das mit einem Rechtsbehelf befasste Gericht des Vollstreckungsstaates ist somit befugt, die Angaben in der Bescheinigung zu überprüfen (Urteil
Trade Agency, Rz. 46)
Umstritten ist hingegen die Beweiskraft der Bescheinigung. Das Bundesgericht hat es in seiner bisherigen Rechtsprechung für zumindest nicht willkürlich erkannt, die Beweislast für die in der Bescheinigung beurkundeten Tatsachen dem Antragsgegner aufzuerlegen (Urteil 5A_663/2016 vom 31. Mai 2017 E. 3). Der EuGH misst seinerseits der Bescheinigung die Aussagekraft einer Auskunft zu (Urteil
Trade Agency, Rz. 36). Nach herrschender Lehre und der kantonalen Rechtsprechung wird die Richtigkeit der Angaben in der Bescheinigung vermutet (THOMAS GELZER, in: Basler Kommentar, Lugano Übereinkommen, 2. Aufl. 2016, N. 8a zu Art. 54 LugÜ; KILLIAS / LIENHARD, a.a.O., N. 12 zu Art. 54 LugÜ; JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ, in: IPRG/LugÜ Kommentar, 2. Aufl. 2019, N. 5 zu Art. 54 LugÜ; PIERRE - YVES MARRO, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 11 zu Art. 54 LugÜ; GEIMER / SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. 2020, N. 4 zu Art. 53 EuGVVO; DOMINIK MILANI, "Lugano"-Urteile über vorsorgliche Massnahmen und ihre Umsetzung mittels Sicherungsmassnahmen, ZZZ 2023, S. 53; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. Juli 2016, RT160016-O/U, E. 4.2; Urteil des Kantonsgerichts Waadt vom 28. August 2023, KH22.048247-230005183, E. IV.a). Folglich trage der Antragsgegner im Rechtsbehelfsverfahren die Behauptungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der in der Bescheinigung enthaltenen Angaben (GEIMER / SCHÜTZE, a.a.O., N. 4 zu Art. 53 EuGVVO; KILLIAS / LIENHARD, N. 12 zu Art. 54 LugÜ; MARRO, a.a.O., N. 12 zu Art. 54 LugÜ; KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., N. 6 zu Art. 54 LugÜ; ANSGAR STAUDINGER, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR, Rauscher [Hrsg.], 2011, N. 2 zu Art. 54 Brüssel I-VO; JÜRGEN RASSI, in: Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Fasching/ Konecny [Hrsg.], Bd. 5/2, 3. Aufl. 2020, N. 13 zu Art. 53 EuGVVO; Entscheidung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24. August 2020, RV20007-O/U, E. 4.4.). Eine andere Ansicht lehnt hingegen eine generelle Vermutung für die Richtigkeit der bescheinigten Punkte ab. Vielmehr sei nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, wen die Beweislast für welches Tatbestandsmerkmal treffe (OBERHAMMER, a.a.O., N. 14 zu Art. 54 EuGVVO; BURKHARD HESS, in: EU-Zivilprozessrecht, Schlosser/Hess [Hrsg.],4. Aufl. 2015, N. 7 zu Art. 37 EuGVVO; KOLLER, a.a.O., N. 9 zu Art. 37 EuGVVO).
5.4.3.2. Die Beweiskraft der Bescheinigung ist staatsvertragsautonom zu bestimmen (GELZER, a.a.O., N. 8a zu Art. 54 LugÜ; MARRO, a.a.O., N. 10 zu Art. 54 LugÜ; KILLIAS / LIENHARD, a.a.O., N. 10 zu Art. 54 LugÜ; Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. Juli 2016, RT160016-O/U, E. 4.2; vgl. auch Urteil
Trade Agency, Rz. 36). Dabei spricht die Feststellung des EuGH, dass die Bescheinigung die Aussagekraft einer blossen Auskunft habe (Urteil
Trade Agency, Rz. 36), prima vista gegen die Annahme einer Vermutung für die Richtigkeit der in der Bescheinigung enthaltenen Angaben. Allerdings ist z u berücksichtigen, dass der EuGH in der zitierten Rechtsprechung nirgends näher ausführt, welchen Beweiswert er einer "Auskunft" beimisst. Vielmehr stellt er - gestützt auf diese Erwägung - lediglich fest, dass das Rechtsbehelfsgericht in der Lage sein muss, den Inhalt der Bescheinigung frei zu prüfen, und die Bescheinigung daher die Kognition des Rechtsbehelfsgerichts zur Prüfung des Rechtsstreits nicht einschränkt (Urteil
Trade Agency, Rz. 38). Aus diesen Ausführungen lässt sich daher zwar ableiten, dass das Rechtsbehelfsgericht in der Lage sein muss, die Angaben der Bescheinigung zu überprüfen, weshalb die Bescheinigung keine unwiderlegbare Vermutung für die darin enthaltenen Angaben begründen kann (KILLIAS / LIENHARD, a.a.O., N. 10 und Fn. 20; vgl. auch Urteil 5A_104/2019, E. 5.2.2). Aus dieser Rechtsprechung lässt sich jedoch weder ableiten, welche Beweiskraft der Bescheinigung zukommt, noch wer die Beweislast für die in der Bescheinigung enthaltenen Angaben trägt.
5.4.3.3. Für eine Vermutung der Richtigkeit der Angaben in der Bescheinigung spricht hingegen die Funktion der Bescheinigung. Sie soll die erstinstanzliche Vollstreckbarerklärung derart erleichtern, dass sie fast automatisch erfolgt (Urteil
Trade Agency Ltd, Rz. 41; Urteil des EuGH vom 6. Juni 2019, C-361/18,
Ágnes Weil c
Géza Gulácsi, Rz. 32). Die Bescheinigung soll somit das Exequaturverfahren zugunsten des Antragstellers vereinfachen und beschleunigen, indem sie durch das Bereitstellen der wichtigsten Fakten dem Vollstreckungsgericht die Prüfung der für die Vollstreckbarerklärung erforderlichen Angaben erleichtert und gleichzeitig eine minimale Garantie für die Vollständigkeit des Vollstreckungsantrags bietet (GELZER, a.a.O., N. 2 zu Art. 54 LugÜ; RODRIGO RODRIGUEZ, Sicherung und Vollstreckung nach revidiertem Lugano Übereinkommen, AJP 2009, S. 1555; GOTTWALD, a.a.O., N. 1 zu Art. 54, 55 EuGVO; KROPHOLLER / VON HEIN, a.a.O., N. 4 zu Art. 53 EuGVO). Diese Funktion ist im Lichte des mit dem LugÜ angestrebten Zwecks der möglichst weitgehenden Urteilsfreizügigkeit zu sehen. Im Hinblick auf dieses Ziel hat das Bundesgericht bereits in seiner Rechtsprechung zum Lugano-Übereinkommen von 1988 festgehalten, dass sich das Vollstreckungsgericht bei der Prüfung der Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit vom Grundsatz leiten lassen soll, dass das Übereinkommen von einer "automatischen" Anerkennung ausländischer Entscheidungen ausgeht, weshalb die Beweislast für das Vorliegen von Verweigerungsgründen diejenige Partei treffen soll, die sich der Anerkennung widersetzt (BGE 138 III 82 E. 3.5.3).
Die Urteilsfreizügigkeit wurde mit dem Abschluss des revidierten LugÜ und der damit verbundenen Einführung der Bescheinigung weiter gestärkt. Ziel des LugÜ ist es, das bereits sehr liberale Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsregime des Lugano-Übereinkommens von 1988 durch den weiteren Abbau bestehender Hindernisse zu liberalisieren und zu vereinfachen. So soll die Rolle der Behörden des Vollstreckungsstaats weiter eingeschränkt und die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung auf kaum mehr als eine reine Formalität reduziert werden (Erläuternder Bericht von FAUSTO POCAR vom 23. Dezember 2009 zum Lugano Übereinkommen, C 319/1, Rz. 128). Dementsprechend beruht Titel III des LugÜ auf dem Grundsatz, dass die Vollstreckbarerklärung in gewissem Umfang automatisch erfolgen muss und nur einer formellen Prüfung unterliegt (Bericht POCAR, a.a.O., Rz. 129).
Angesichts dieses zentralen Zwecks der Urteilsfreizügigkeit erscheint es gerechtfertigt, in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und der kantonalen Rechtsprechung von einer Vermutung zugunsten der Richtigkeit der in der Bescheinigung enthaltenen Angaben auszugehen. Dies wird am ehesten der dargelegten Funktion der Vollstreckbarkeitsbescheinigung gemäss Art. 54 LugÜ, den dargelegten Revisionsbestrebungen des LugÜ sowie der bereits in BGE 138 III 82 sehr weit gehenden Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Beweislast des Antragsgegners für das Vorliegen von Verweigerungsgründen gerecht. Es widerspräche gerade dem System des LugÜ, das eine möglichst weitgehende Urteilsfreizügigkeit anstrebt und deshalb auf einem hohen gegenseitigen Vertrauen in die Rechtssysteme und Rechtspflegeorgane der Vertragsstaaten beruht (hierzu: YVES DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. II, 1997, Rz. 1761 ff.; ALEXANDER R. MARKUS, Internationales Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2020, S. 415; FELIX DASSER, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 5 zu 1 LugÜ), wenn die Gesuchstellerin im Vollstreckungsstaat Angaben, die bereits von den Behörden des Ursprungsstaates bescheinigt worden sind, erneut hinreichend substanziiert behaupten und beweisen müsste. Dies käme im Ergebnis einem erneuten Aufrollen des Verfahrens über den bereits beurteilten Streitgegenstand gleich und würde damit gerade dem mit der Bescheinigung nach Art. 54 LugÜ bezweckten, raschen und formalisierten Vollstreckbarerklärungsverfahren zuwiderlaufen.
5.4.4. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass aufgrund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Vollstreckbarkeitsbescheinigung eine Vermutung dafür besteht, dass das Kassationsurteil eine im Ursprungsstaat vollstreckbare Leistungspflicht enthält. Soweit der Beschwerdegegner geltend machen will, das Kassationsurteil enthalte keine solche Leistungsverpflichtung, trägt er und nicht die Beschwerdeführerin die Behauptungs- und Beweislast.
5.5. Die Beschwerde erweist sich als begründet. Da das Bundesgericht weder den Inhalt noch die Anwendung des französischen Rechts frei prüft (Art. 96 lit. b BGG), ist die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei hat die Vorinstanz den Beschwerdegegner anzuhören und ihm damit das bisher nicht gewährte rechtliche Gehör zu gewähren. Die Vorinstanz wird neu zu beurteilen haben, ob dem Kassationsurteil nach französischem Recht und unter Berücksichtigung der Tenorierungsgewohnheiten der Cour de Cassation eine mit den Massnahmen des schweizerischen Zwangsvollstreckungsrechts durchsetzbare Leistungspflicht zukommt. Sofern diese Frage bejaht wird, weist das Kassationsurteil einen vollstreckungsfähigen Inhalt auf und ist für vollstreckbar zu erklären. In diesem Zusammenhang ist die mit der Vollstreckbarkeitsbescheinigung begründete Vermutung für das Bestehen einer nach französischem Recht vollstreckbaren Leistungspflicht zu berücksichtigen. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass das Kassationsurteil nach französischem Recht keine vollstreckbare Leistungspflicht begründet, trägt daher der Beschwerdegegner.
6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis wird der Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs.1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ). Nach Art. 52 LugÜ dürfen im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine nach dem Streitwert abgestuften Gebühren erhoben werden. Diese Bestimmung ist einzig auf die Gerichtsgebühren anwendbar. Die Parteientschädigung richtet sich nach dem Tarif, wobei für den Streitwert der im ausländischen Titel verurkundete Forderungsbetrag massgebend ist (Urteil 4A_560/2021 vom 3. Februar 2022 E. 5). Die Gerichtskosten sind demnach streitwertunabhängig zu bemessen und betragen Fr. 4'000.--. Die Parteientschädigung ist mit Blick auf Art. 3 und 4 des Reglements vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht (SR 173.110.210.3) auf Fr. 6'500.-- festzulegen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 28. Oktober 2022 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
3. Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Januar 2024
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jametti
Der Gerichtsschreiber: Kistler