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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.9/2005 /blb 
 
Urteil vom 16. März 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Riemer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Kläger und Berufungskläger, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beklagten und Berufungsbeklagten, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Otzenberger. 
 
Gegenstand 
Anfechtung eines Vereinsausschlusses, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, vom 10. November 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ war Mitglied des Y.________, eines Vereines im Sinne von Art. 60 ZGB (nachfolgend: der Verein oder der Beklagte). Mit Schreiben vom 2. April 2002 wurde ihm mitgeteilt, der Vorstand habe an seiner Sitzung vom 22. März 2002 beschlossen, eine frühere Suspendierung der Mitgliedschaft nicht zu verlängern und seinen Ausschluss aus dem Verein auszusprechen, sofern er (X.________) nicht bis 20. April 2002 austrete. Nach Beendigung der Mitgliedschaft werde der Verein seine statutarische Option ausüben und die Aktie (von X.________) an der Z.________ AG zum wirklichen Wert von Fr. 9'000.-- kaufen. 
B. 
Mit Klage vom 7. Oktober 2002 stellte X.________ (nachfolgend: der Kläger) sechs Anträge, mit denen er das Ausschlussverfahren beanstandete (formelle Mängel), jedoch nicht die Wiederherstellung der Mitgliedschaft, sondern Schadenersatz und Genugtuung verlangte und im Übrigen bezüglich der genannten Aktie die Bezahlung der Differenz von Fr. 21'000.-- zum wirklichen Wert beantragte. 
 
Mit Urteil vom 4. Juli 2003 wies das Amtsgericht Luzern-Stadt die Klage ab. Die hiergegen erhobene Appellation des Klägers blieb erfolglos (Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 10. November 2004). 
C. 
Der Kläger erhebt eidgenössische Berufung mit dem Antrag, die Berufung gegen das vorinstanzliche Urteil im Zusammenhang mit einem Mitgliedsausschluss aus dem Verein ganz bzw. teilweise gutzuheissen und die Klage zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Kläger weist auch vor Bundesgericht ausdrücklich darauf hin, dass er vor den kantonalen Instanzen weder die Nichtigkeit seines Ausschlusses noch die Wiederherstellung seiner Mitgliedschaft beantragt habe. Somit ist davon auszugehen, dass er auch heute weder eine Nichtigerklärung noch eine Anfechtung der Ausschliessung beabsichtigt. Auf jeden Fall wäre ein gegenteiliger Antrag neu und damit unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. b letzter Satz OG). 
2. 
Vielmehr geht es dem Kläger ausdrücklich um Schadenersatz und Genugtuung sowie um die erwähnte Differenz betreffend die Aktie. 
2.1 Was Schadenersatz und Genugtuung wegen der Ausschliessung als solcher betrifft, hat das Bundesgericht vor längerer Zeit eine Klage auch für den Fall nicht ausgeschlossen, dass die Ausschliessung nicht angefochten wurde (BGE 85 II 525 E. 7 S. 539 f.). Der Entscheid ist in der Literatur teilweise auf Zustimmung gestossen (Badertscher, Der Ausschluss aus dem Verein nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1980, S. 224 f.), teilweise aber auch auf Kritik (Liver, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1959, in: ZBJV 96/1960 S. 397; Riemer, Berner Kommentar, N. 118 zu Art. 72 ZGB, unter Hinweis auf die in einem solchen Verzicht liegende nachträgliche Genehmigung der persönlichkeitsverletzenden Ausschliessung, was ihre Widerrechtlichkeit ausschliesse; vgl. hierzu auch BGE 131 III 97 E. 3.2 Abs. 3, wonach die auf Art. 72 Abs. 1 ZGB gestützte Ausschliessung nicht widerrechtlich im Sinne von Art. 28 Abs. 1 ZGB ist). Effektiv liegt in der Nichtanfechtung der Ausschliessung (samt Verzicht auf Feststellung einer allfälligen Nichtigkeit) durch das ausgeschlossene Mitglied eine Anerkennung oder Bestätigung der gesetzlich (Art. 72 Abs. 1 ZGB) zulässigen Persönlichkeitsverletzung seitens des Vereins, was die Annahme einer entsprechenden Widerrechtlichkeit (Art. 28 ZGB, Art. 41 Abs. 1 und 49 Abs. 1 OR) ausschliesst. 
2.2 Allerdings kann in diesem Zusammenhang dennoch eine Klage wegen widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung gegeben sein, wenn nicht die Ausschliessung als solche, sondern die Art und Weise des Vorgehens des Vereins an sich persönlichkeitsverletzend war (Riemer, a.a.O., N. 118 zu Art. 72 ZGB). Das scheint der Kläger denn auch zu meinen mit seinen Vorwürfen, es sei der Ausschliessungsbeschluss nicht begründet und er nicht angehört worden. Aus den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; Art. 63 Abs. 2 OG) in Bezug auf den Verfahrensablauf (Suspendierung und Ausschliessung samt der diesbezüglichen Korrespondenz) ergibt sich, dass der Kläger die Ausschliessungsgründe kannte und genügend Zeit hatte, seine Einwendungen vorzubringen. Damit aber scheitern die geltend gemachten Forderungsklagen (Schadenersatz und Genugtuung) bereits an der Unbegründetheit der Vorwürfe, so dass offen bleiben kann, wie es sich verhielte, hätten sie sich als zutreffend erwiesen. 
2.3 Der Kläger wiederholt auch sein Schadenersatzbegehren aufgrund der von ihm bezahlten Eintrittsgebühr (Fr. 5'000.--), welche er mit der heutigen (Fr. 20'000.--) sowie mit jener eines anderen Clubs (Fr. 30'000.--) vergleicht. Einer Forderung dieser Art stehen jedoch sowohl Art. 73 Abs. 1 ZGB als auch Ziff. 17 der Statuten des Beklagten entgegen. 
2.4 Der Kläger erhielt für die dem Beklagten zurückgegebene Aktie der Z.________ AG Fr. 9'000.--; er ist nach wie vor der Ansicht, diese sei effektiv Fr. 30'000.-- wert (innerer Wert/bzw. Substanzwert aufgrund des Wertes der AG), weshalb er den Differenzbetrag von Fr. 21'000.-- geltend macht. 
 
Gemäss Ziff. 17 Satz 2 der Statuten des Beklagten ist dieser berechtigt, die Aktien der Z.________ AG von ausgeschlossenen Mitgliedern zum "wirklichen Wert" im Zeitpunkt des Ausschlusses zu kaufen. Der "wirkliche Wert" wird gemäss Ziff. 31 der Statuten jährlich von der Mitgliederversammlung des Beklagten auf Antrag des Komitees festgelegt und betrug im fraglichen Zeitpunkt Fr. 9'000.--. Das ist an sich unbestritten. Der Kläger beruft sich indessen auf Art. 685b OR und macht geltend, der "wirkliche Wert" im Sinne dieser Statutenbestimmungen sei höher. 
 
Wie die Vorinstanz erwogen hat, kann "wirklicher Wert" im Sinne von Ziff. 17 der Statuten nur den von der Mitgliederversammlung gestützt auf Ziff. 31 der Statuten festgelegten Wert bedeuten. Soweit sie damit den effektiven (statutarischen) Willen des Beklagten meint, sind ihre diesbezüglichen Feststellungen wiederum verbindlich (Art. 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2 OG). Anhaltspunkte für ein anderweitiges Auslegungsergebnis bestehen keine, wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat. Das gilt insbesondere auch für eine Auslegung der Statuten nach dem Vertrauensprinzip (Art. 2 Abs. 1 ZGB), welche vom Bundesgericht überprüft werden könnte (vgl. BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71). Was die vom Kläger angerufene Norm (Art. 685b OR) betreffend den wirklichen Wert im Sinne des inneren oder Substanzwertes anbelangt (welcher zwingend ist, vgl. Oertle/du Pasquier, Basler Kommentar, OR II, 2. Aufl. 2002, N. 19 zu Art. 685b OR, mit Hinweisen), so bezieht sich diese auf das Verhältnis zwischen Aktionär und AG und nicht unmittelbar auf vorliegende Konstellation. Bezüglich der Frage der Anwendbarkeit auf den konkreten Fall hat die Vorinstanz in einer Eventualerwägung immerhin hervorgehoben, die vom Kläger für die Höhe dieses wirklichen Wertes eingereichte Bilanz sei als Beweismittel untauglich, während er andere Beweismittel nicht oder zu spät beantragt habe. Soweit der Kläger diese Eventualerwägung überhaupt anficht, richtet er sich gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung bzw. gegen die Anwendung kantonalen Verfahrensrechts, wofür die Berufung nicht gegeben ist (BGE 126 III 388 E. 8 S. 389; Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). 
3. 
Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss wird der Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung an die Gegenpartei entfällt mangels Einholung einer Berufungsantwort. 
 
Das Gesuch des Klägers um unentgeltliche Rechtspflege ist ebenfalls abzuweisen, da die Rechtsbegehren von Anfang an als aussichtslos erschienen sind (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch des Klägers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 16. März 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: