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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_287/2017  
 
 
Verfügung vom 16. März 2021  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Haag, Einzelrichter, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Dr. Simone Nadelhofer, Sandrine Giroud, 
Dominik Elmiger und Dr. Cédric Marti, Rechtsanwälte, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration, 
Quellenweg 6, 3003 Bern, 
 
Gegenstand 
Asyl, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des 
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung V, 
vom 30. März 2017 (E-4652/2016). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 18. Januar 2016 ersuchte A.________ in der Schweiz um Asyl, da er durch Russland politisch verfolgt werde. 
Mit Verfügung vom 19. Juli 2016 wies das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Gesuch ab. 
Die von A.________ dagegen eingereichte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (Abteilung V) am 30. März 2017 ab. Es führte aus, A.________ besitze nebst der russischen auch die britische Staatsangehörigkeit. Er geniesse somit den Schutz Grossbritanniens und bedürfe keines Asyls durch die Schweiz. Die Subsidiarität des schweizerischen Asylrechtsschutzes stehe der Asylgewährung entgegen. Ob A.________ aus politischen Gründen verfolgt werde, könne offenbleiben. 
 
B.   
Hiergegen erhob A.________ am 22. Mai 2017 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht (Verfahren 1C_287/2017). 
Mit Verfügung vom 10. August 2017 wies der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab und setzte das Verfahren 1C_287/2017 aus. Er erwog, die russischen Behörden hätten um die Auslieferung von A.________ ersucht. Dieser sei am 22. März 2015 am Flughafen Zürich festgenommen worden, als er die Schweiz habe verlassen wollen. Am 19. August 2015 habe ihn das Bundesamt für Justiz (BJ) nach Leistung einer Kaution und einer Schriftensperre aus der Auslieferungshaft entlassen. Seither halte er sich in X.________ (Schweiz) auf, wo er einer Meldepflicht unterliege. Das Asyl- und das Auslieferungsverfahren seien zu koordinieren. Aus diesem Grunde sei das Bundesgericht sowohl im Asyl- als auch im Auslieferungsverfahren letzte Instanz, womit widersprüchliche Entscheide zum Asyl- und Auslieferungspunkt vermieden werden könnten. Es sei zweckmässig, das Verfahren 1C_287/2017 auszusetzen, bis Klarheit darüber bestehe, ob das BJ bzw. das Bundesstrafgericht die Auslieferung bewilligten und sich das Bundesgericht mit der Auslieferung zu befassen haben werde. 
 
C.   
Am 20. Januar 2020 bewilligte das BJ die Auslieferung von A.________ an Russland, nachdem das Bundesstrafgericht die Sache zweimal zur Vervollständigung des Sachverhalts an es zurückgewiesen hatte. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesstrafgericht am 19. August 2020 gut. Es hob den Entscheid des BJ auf und lehnte die Auslieferung ab. 
Auf die von A.________ hiergegen eingereichte Beschwerde trat das Bundesgericht am 26. November 2020 nicht ein (Urteil 1C_456/2020). 
 
D.   
Am 23. Dezember 2020 schrieb das Bundesgericht den Verfahrensbeteiligten im Verfahren 1C_287/2017, wie A.________ in der Beschwerde vom 22. Mai 2017 ausführe, benötige er keinen Schutz mehr vor Russland, wenn es zu keiner Auslieferung komme; er werde in diesem Fall entweder aufgrund einer bis dann allenfalls erteilten Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz bleiben oder nach Grossbritannien zurückkehren können. Das Bundesgericht legte dar, nach seinem Urteil 1C_456/2020 vom 26. November 2020 komme es zu keiner Auslieferung nach Russland. Das aktuelle praktische Interesse an der Behandlung der Beschwerde vom 22. Mai 2017 gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts scheine somit dahingefallen zu sein. Das Bundesgericht nehme deshalb in Aussicht, das Verfahren 1C_287/2017 als gegenstandslos geworden am Geschäftsverzeichnis abzuschreiben. Das Bundesgericht gab den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, sich dazu und zu den Kostenfolgen zu äussern. 
 
E.   
Das Bundesverwaltungsgericht antwortete, es sei davon auszugehen, dass das bundesgerichtliche Verfahren 1C_287/2017 nicht zugunsten von A.________ ausgegangen wäre. Damit seien ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen. 
Das SEM führt aus, es habe keine Einwände gegen die Abschreibung des Verfahrens 1C_287/2017. Da die Beschwerde abzuweisen gewesen wäre, seien die Verfahrenskosten A.________ aufzuerlegen. 
A.________ bemerkt, er habe keine Einwände gegen die Abschreibung des Verfahrens 1C_287/2017. Kosten seien ihm keine aufzuerlegen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit dem Asylgesuch bezweckte der Beschwerdeführer, seine Auslieferung nach Russland zu verhindern. Nach dem bundesgerichtlichen Urteil 1C_456/2020 vom 26. November 2020 kommt es zu keiner Auslieferung. Der Beschwerdeführer hat daher kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr an der Behandlung seiner Beschwerde vom 22. Mai 2017 im Verfahren 1C_287/2017. Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht eine Beschwerde trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses behandelt (dazu BGE 140 IV 74 E. 1.3.3 S. 78 mit Hinweis), sind hier nicht gegeben. Dass es sich anders verhalte, macht auch niemand geltend. Das Verfahren 1C_287/2017 ist daher - durch den Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32 Abs. 2 BGG) - am Geschäftsverzeichnis abzuschreiben. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP (SR 273) entscheidet der Instruktionsrichter mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes. Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dieser wird summarisch geprüft. Es ist nicht auf alle Rügen einzeln und detailliert einzugehen (BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494 f.).  
 
2.2. Die Vorinstanz stützt sich auf Art. 1 A Ziff. 2 Satz 2 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK; SR 0.142.30). Diese Bestimmung lautet:  
Wenn jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit besitzt, wird als Heimatstaat jedes Land betrachtet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Wer nicht aus einem stichhaltigen, auf begründeter Furcht beruhenden Grunde den Schutz eines der Staaten, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, ablehnt, gilt nicht als des Schutzes seines Heimatstaates beraubt. 
Nach dieser Bestimmung gilt der Beschwerdeführer nicht als des Schutzes Grossbritanniens beraubt. Die Inanspruchnahme dieses Schutzes geht der Asylgewährung durch die Schweiz vor (Subsidiarität des Asylrechtsschutzes). 
Die Vorinstanz weist sodann zutreffend darauf hin, dass die Asylgewährung in einem Fall wie hier zu einem befremdlichen Ergebnis führen würde. Infolge der Asylgewährung müsste die Auslieferung abgelehnt werden. Der Betroffene könnte damit in seinen zweiten Heimatstaat (hier: Grossbritannien) zurückkehren, wo er Schutz geniesst. Da er folglich nicht mehr auf den Schutz der Schweiz angewiesen wäre, wäre das Asyl sogleich wieder zu widerrufen und die Flüchtlingseigenschaft abzuerkennen (Art. 63 Abs. 1 lit. b AsylG [SR 142.31] i.V.m. Art. 1 C Ziff. 3 FK). 
Die Vorinstanz legt sodann dar, zwar könne der Beschwerdeführer aufgrund der Schriftensperre im Auslieferungsverfahren nicht nach Grossbritannien zurückkehren. Seine Wegweisung sei somit unmöglich. Dies stelle lediglich ein Vollzughindernis dar, das gemäss Art. 83 Abs. 1 f. des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (SR 142.20) zur vorläufigen Aufnahme in der Schweiz führen könne. Diese Argumentation ist nachvollziehbar. 
Zu berücksichtigen ist sodann, dass der Beschwerdeführer erst in der Schweiz um Asyl ersuchte, nachdem hier ein Auslieferungsverfahren gegen ihn eröffnet worden war und er das Land aufgrund der Schriftensperre nicht mehr verlassen durfte. Er bezweckte mit seinem Asylgesuch somit nicht, in der Schweiz ein entsprechendes Aufenthaltsrecht zu erlangen, sondern einzig, seine Auslieferung nach Russland zu verhindern. Insoweit standen ihm jedoch die Rechtsschutzmöglichkeiten im Auslieferungsverfahren zur Verfügung, von denen er auch mit Erfolg Gebrauch gemacht hat. 
 
2.3. In Anbetracht dessen wäre die Beschwerde vom 22. Mai 2017 bei summarischer Prüfung mutmasslich abzuweisen gewesen. Die Kosten des Verfahrens 1C_287/2017 werden daher dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) und es wird ihm keine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 68 BGG).  
 
3.   
Die vorliegende Verfügung wird unter Anonymisierung des Namens des Beschwerdeführers in der bundesgerichtlichen Datenbank veröffentlicht. Ebenso erfolgt die öffentliche Auflage des Dispositivs (Art. 59 Abs. 3 BGG) unter Anonymisierung des Namens des Beschwerdeführers. Seinem Geheimhaltungsinteresse wird damit hinreichend Rechnung getragen (ebenso Urteil 1C_456/2020 vom 26. November 2020 E. 4). 
 
 
 Demnach verfügt der Einzelrichter:  
 
1.   
Das Verfahren 1C_287/2017 wird als gegenstandslos geworden am Geschäftsverzeichnis abgeschrieben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Diese Verfügung wird dem Beschwerdeführer, dem Staatssekretariat für Migration und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung V, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. März 2021 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Haag 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri