Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_67/2018  
 
 
Urteil vom 16. April 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Wüest. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Aargau, Rain 53, 5000 Aarau, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch syndicom Gewerkschaft Medien und Kommunikation, Frau lic. iur. Carole Humair, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung 
(Arbeitsmarktliche Massnahme), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 14. Dezember 2017 (VBE.2017.609). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1966, meldete sich am 27. Januar 2016 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Rheinfelden (RAV) zur Arbeitsvermittlung an und stellte am 16. Februar 2016 den Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 1. Februar 2016. Am 30. März 2017 ersuchte sie zudem um Übernahme der Kurskosten für die Weiterbildung zur Chauffeuse Kategorie C. Mit Verfügung vom 18. Mai 2017 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (nachfolgend: AWA oder Beschwerdeführerin) dieses Gesuch ab. Daran hielt es mit Einspracheentscheid vom 15. Juni 2017 fest. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 14. Dezember 2017 gut, hob den Einspracheentscheid vom 15. Juni 2017 auf und bejahte einen Anspruch von A.________ auf Übernahme der Kosten für den Erwerb des Führerausweises der Kategorie C im Sinne der Erwägungen. 
 
C.   
Das AWA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Zudem ersucht es um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde und des Gesuchs um Erteilung der aufschiebenden Wirkung schliessen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 13. März 2018 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Es wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht (mehr) vorgetragen wurden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Grundsätze und die gesetzlichen Vorschriften zum Anspruch auf arbeitsmarktliche Massnahmen (Art. 59 Abs. 1 und 2 AVIG), insbesondere individuelle oder kollektive Kurse zur Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung (Art. 60 Abs. 1 AVIG), sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (vgl. auch BGE 112 V 397 E. 1b S. 399, 111 V 271 E. 2 S. 274 ff. und 398 E. 2b S. 400 f.; ARV 2005 S. 280, C 48/05 E. 1.2) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Einspracheentscheid des AWA aufhob und einen Anspruch der Versicherten auf Übernahme der Kurskosten für die Weiterbildung zur Chauffeuse Kategorie C als arbeitsmarktliche Massnahme bejahte. Dabei ist grundsätzlich auf den bis zum Erlass des strittigen Einspracheentscheides (hier: vom 15. Juni 2017) eingetretenen Sachverhalt abzustellen (vgl. BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 446; Urteil 8C_644/2017 vom 20. Februar 2018 E. 4). 
 
3.1. Das kantonale Gericht hat festgestellt, die Versicherte sei gelernte Lageristin und seit Jahren als Chauffeuse tätig gewesen. Auch ihre Arbeitsbemühungen seit der Arbeitslosigkeit würden auf Stellen im Logistik- und Distributionsbereich zielen. Der Führerausweis der Kategorie C würde es ihr ermöglichen, basierend auf den vorhandenen beruflichen Fähigkeiten das ihr vertraute Tätigkeitsfeld zu erweitern. Sie wäre alsdann berechtigt, sämtliche Lastwagen zu fahren, was mit Blick auf die gerichtsnotorische Tatsache, dass vermehrt grosse Lastwagen eingesetzt würden, nicht unwesentlich erscheine. Somit sei prognostisch mit einer deutlich erhöhten Vermittlungsfähigkeit zu rechnen. Es könne auch nicht behauptet werden, der Erwerb des Führerausweises der Kategorie C lasse nur auf ein persönliches Interesse der Versicherten schliessen. Ferner erachtete es die Vorinstanz als nicht überzeugend, eine erschwerte Vermittelbarkeit mit den Argumenten zu verneinen, im Suchbereich habe es genügend Stellen, und die verschiedenen Beschäftigungen im Zwischenverdienst sprächen dafür, dass die Versicherte auch ohne Kurs gute Voraussetzungen für den aktuellen Arbeitsmarkt mitbringe. Denn offenbar habe sie ihre Arbeitslosigkeit noch immer nicht beenden können. Zusammenfassend sei die arbeitsmarktliche Indikation für den anbegehrten Kurs gegeben.  
 
3.2. Demgegenüber bringt die Beschwerdeführerin vor, der beantragte Kurs sei nicht arbeitsmarktlich indiziert, da die Vermittlungsfähigkeit dadurch nicht erheblich verbessert würde und die Versicherte ohnehin nicht erschwert vermittelbar sei. Sie habe mit Ausübung der verschiedenen Zwischenverdiensttätigkeiten unter Beweis gestellt, dass sie in ihrem erlernten Beruf als Lagermitarbeiterin vermittlungsfähig sei. Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids (14. Dezember 2017) sei die Versicherte in einem Vollzeitpensum bei der B._______ AG beschäftigt gewesen und habe seit September 2017 deshalb keine Arbeitslosenentschädigung mehr erhalten. Insofern treffe entgegen der Vorinstanz nicht zu, dass die Versicherte ihre Arbeitslosigkeit nicht habe beenden können. Die beantragte Massnahme sei somit arbeitsmarktlich nicht indiziert. Dies zeige sich im Übrigen auch daran, dass Fachkräfte im Bereich Logistik in der Zeit, als die Versicherte auf Stellensuche gewesen sei, zu den schweizweit meist gesuchten Arbeitskräften gehört hätten. Dies würden auch die von der Versicherten getätigten Arbeitsbemühungen belegen.  
 
4.   
 
4.1. Mit arbeitsmarktlichen Massnahmen soll die Eingliederung von Versicherten, die aus Gründen des Arbeitsmarktes erschwert vermittelbar sind, gefördert werden (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 AVIG). Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Teilnahme an individuellen arbeitsmarktlichen Massnahmen ist die arbeitsmarktliche Indikation. Leistungen sind nur zuzusprechen, wenn die (inländische) Arbeitsmarktlage dies unmittelbar gebietet. Die Anspruchsvoraussetzung der arbeitsmarktlichen Indikation besteht aus einer objektiven und subjektiven Komponente. Das objektive Element bezieht sich auf den aktuellen Bedarf des Arbeitsmarktes nach Arbeitskräften. Die subjektive Komponente betrifft die Anpassungsbedürftigkeit der versicherten Person an diese Nachfrage. Die Frage, ob die arbeitsmarktliche Indikation im Einzelfall gegeben ist, beurteilt sich aufgrund sämtlicher im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung massgebenden Umstände. Insbesondere ist mit Hilfe amtlicher und privater Statistiken die Situation auf dem konkreten, für die versicherte Person in Frage kommenden Arbeitsmarkt abzuklären (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2470 Rz. 666 ff.; BGE 111 V 271; SVR 2005 ALV Nr. 9 S. 29, C 147/04 E. 2.1.1 und E. 4; ARV 1999 Nr. 12 S. 64 E. 2; Urteil 8C_222/2016 vom 30. Juni 2016 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
4.2. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. E. 1) ist die Beschwerdegegnerin gelernte Lageristin und war zuletzt seit Jahren als Chauffeuse tätig. Sie verfügt über einen Führerausweis der Kategorien B, C1, BE, CE und F. Mit der Kategorie C wäre sie berechtigt, Lastwagen über 7'500 kg zu fahren. Damit könnte sie zwar ihr Tätigkeitsfeld erweitern. Entgegen der Vorinstanz ist allein daraus jedoch nicht auf eine deutliche Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit zu schliessen. Denn bei den Akten findet sich kein Beleg dafür, dass ein potentieller Arbeitgeber als Absagegrund auf den fehlenden Führerausweis der Kategorie C verwiesen hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Versicherte vor ihrer Arbeitslosigkeit Mühe gehabt hätte, ohne den Führerausweis der Kategorie C Stellen zu finden. Ferner ist nicht massgebend, dass ein beantragter Kurs die Chancen der versicherten Person innerhalb ihres bisherigen Tätigkeitsgebiets erhöht und das Bewerbungsfeld erweitert, da praktisch jede berufliche Massnahme wegen der dadurch vermittelten zusätzlichen Kenntnisse Vorteile auf dem Arbeitsmarkt bringt (Urteil 8C_222/2016 vom 30. Juni 2016 E. 4 mit Hinweis auf ARV 2005 S. 280, C 48/05 E. 2.2.1). Wie es sich damit genau verhält, kann aber offen bleiben. Ausschlaggebend für die entscheidwesentliche Frage der arbeitsmarktlichen Indikation ist nämlich vielmehr, ob der Arbeitsmarkt für Personen mit den Qualifikationen der Versicherten grundsätzlich Stellen bereit hält, und ob sie aus persönlichen Gründen im Wettbewerb um diese Stellen benachteiligt ist (vgl. Urteil 8C_222/2016 vom 30. Juni 2016 E. 4).  
 
Das kantonale Gericht stellte nicht in Frage, dass eine Abfrage auf der Internetplattform job-room.ch mit den entsprechenden Parametern ("Lagermitarbeiterin", "80-90 %", "unbefristet", "Aargau") 24 Stellenangebote ergab. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass es damit im erlernten Beruf der Versicherten genügend offene Stellen gab und prognostisch von einem intakten Arbeitsmarkt auszugehen war. Dies zeigt sich auch anhand der zahlreichen getätigten Arbeitsbemühungen der Versicherten im Bereich der Logistik. Daran ändert der Umstand nichts, dass das an einem bestimmten Tag durchgeführte "Matching" keine entsprechende Stelle ergab, sind doch gemäss den überzeugenden Ausführungen der Beschwerdeführerin in der abgefragten Datenbank längst nicht alle offenen Stellen erfasst. 
Betreffend die subjektive Komponente der arbeitsmarktlichen Indikation verdient die Auffassung des AWA ebenfalls Zustimmung: Bereits bevor die Versicherte das Kursgesuch eingereicht hat, war sie ab   16. Juni 2016 als Lagermitarbeiterin im Zwischenverdienst tätig, sodass im Zeitpunkt des Gesuchs prognostisch (vgl. BGE 112 V 397 E. 1a S. 398) von keiner erschwerten Vermittelbarkeit auszugehen war (vgl. Urteil C 280/02 vom 18. November 2003 E. 2.2). Dies wird durch die im weiteren Verlauf der Arbeitslosigkeit angetretenen Arbeitsstellen im Zwischenverdienst bestätigt. Immerhin war die Versicherte im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids vom 14. Dezember 2017 bereits seit über drei Monaten im Rahmen eines Temporäreinsatzes als Lageristin bei der B.________ AG in einem Vollzeitpensum tätig. Im Unterschied zum Sachverhalt, der dem Urteil C 242/05 vom 6. Oktober 2006 zu Grunde lag, ist vorliegend von einem genügenden Stellenangebot auf dem für die Beschwerdeführerin in Frage kommenden Arbeitsmarkt sowie - mit Blick auf die ausgeübten Zwischenverdiensttätigkeiten - von einer grundsätzlich bestehenden Vermittelbarkeit auszugehen, weshalb der Verweis auf das genannte Urteil im angefochtenen Entscheid nicht verfängt. 
 
4.3. Zusammenfassend ist unter den gegebenen Umständen der Erwerb des Führerausweises der Kategorie C arbeitsmarktlich nicht indiziert. Der angefochtene Entscheid stützt sich auf eine falsche Anwendung der gesetzlichen und rechtsprechungsgemässen Regeln über die arbeitsmarktlichen Massnahmen und ist deshalb bundesrechtswidrig. Die Beschwerde des AWA ist begründet.  
 
5.   
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 1 BGG) zu tragen. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 14. Dezember 2017 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Aargau (AWA) vom 17. Juni 2017 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. April 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest