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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_495/2017  
 
 
Urteil vom 16. April 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Pensionskasse A.________, 
vertreten durch B._________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Kempf, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 23. Mai 2017 (BV.2015.00067). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1964 geborene C.________ war vom 1. Januar 1993 bis zum 30. April 2004 bei der Gemeinde D.________ angestellt und deswegen bei der Pensionskasse A.________ (nachfolgend: Pensionskasse) für die berufliche Vorsorge versichert. 
Im Mai 2004 meldete sich C.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm - nachdem sie zunächst einen Anspruch verneint hatte (Urteil I 643/05 vom 5. Juli 2006) - mit Verfügung vom 14. Oktober 2010 eine ganze Invalidenrente ab 1. Mai 2005 (Invaliditätsgrad 70 %) zu. Die dagegen erhobene Beschwerde der Pensionskasse wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Dezember 2011 ab. Mit Mitteilung vom 29. November 2013 bestätigte die IV-Stelle einen unveränderten Invaliditätsgrad und Rentenanspruch. 
Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 anerkannte die Pensionskasse einen Anspruch auf Nachzahlung einer ganzen und ungekürzten Invalidenrente ab 1. Februar 2007. Die Rentenbetreffnisse für die vorangegangene Zeit hielt sie für verjährt. Mit Schreiben vom 16. Mai 2014 berechnete die Pensionskasse den Anspruch neu. Dabei rechnete sie C.________ ein hypothetisches Einkommen von jährlich Fr. 26'072.40 an; unter Verweis auf eine Überentschädigung kürzte sie ihre jährlichen Leistungen (Invaliden- und Kinderrente) ab 1. Juni 2014 um Fr. 18'545.40 auf Fr. 19'072.80. Mit einer weiteren Neuberechnung vom 15. Juli 2015 kürzte sie ihre jährlichen Leistungen unter Berücksichtigung eines jährlichen Einkommens von Fr. 26'464.80.- ab 1. August 2015 um Fr. 17'904.60 auf Fr. 19'713.60. 
 
B.   
C.________ liess am 30. Oktober 2015 Klage erheben, die das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. Mai 2017 teilweise guthiess. Es verpflichtete die Pensionskasse, C.________ für die Rentenbetreffnisse vom 1. Juni 2014 bis zum 31. Oktober 2015 Fr. 26'112.45 zuzüglich Zins zu 5 % ab 30. Oktober 2015 und eine ungekürzte Invalidenrente ab dem 1. November 2015 zuzüglich Verzugszins zu 5 % ab jeweiligem Fälligkeitsdatum zu bezahlen. Im Übrigen wies es die Klage mit der Feststellung, dass die Rentenbetreffnisse vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Januar 2007 verjährt seien, ab. 
 
C.   
Die Pensionskasse lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sinngemäss beantragen, der Entscheid vom 23. Mai 2017 sei aufzuheben, soweit sie damit zu einer Zahlung verpflichtet wird, und die Klage vom 30. Oktober 2015 sei abzuweisen; eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
C.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_101/2015 vom 30. November 2015 E. 1.1). 
 
2.   
Die Vorinstanz ist von einem Anspruch auf eine "Vollinvalidenrente" (vgl. § 15 Abs. 1 des Reglements der Pensionskasse vom 10. Dezember 2013 [nachfolgend: Reglement]) ab 1. Mai 2005 ausgegangen. Sodann hat sie die Rentenforderungen für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis zum 31. Januar 2007 als verjährt betrachtet. Was den Anspruch ab 1. Juni 2014 anbelangt, so hat sie gestützt auf das Gutachten des Dr. med. E.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 15. Mai 2010 festgestellt, dass der Beschwerdegegner im ersten Arbeitsmarkt resp. in der freien Wirtschaft vollständig arbeitsunfähig sei. Weiter hat sie - im Sinne einer Eventualbegründung - erwogen, dass auch bei Annahme einer Restarbeitsfähigkeit diese in concreto nicht verwertbar wäre. Folglich hat sie die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens und die entsprechende Kürzung der Rente für unzulässig gehalten. 
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob im Rahmen der Überentschädigungsberechnung ein hypothetisches Erwerbseinkommen ab 1. Juni 2014 berücksichtigt werden darf. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht stellte in E. 4 seines die Invalidenversicherung betreffenden Entscheids vom 23. Dezember 2011 fest, dass der Versicherte in seiner angestammten Tätigkeit als Elektromonteur noch zu 30 % arbeitsfähig (gewesen) sei, und schloss daraus auf einen Invaliditätsgrad von 70 %. Davon abweichend hat es in E. 4.3 des angefochtenen Entscheids eine vollständige Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Ob dies zulässig war, kann offenbleiben.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Vorsorgeeinrichtung kann die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen kürzen, soweit diese zusammen mit anderen Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung sowie weiteren anrechenbaren Einkünften 90 Prozent des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen (Art. 34a Abs. 1 BVG; ebenso Art. 24 Abs. 1 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2; SR 831.441.1] i.V.m. Art. 34a Abs. 1 BVG, je in den bis Ende 2016 geltenden Fassungen).  
Die Vorsorgeeinrichtung kann bei der Kürzung von Invalidenleistungen (vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters) insbesondere das weiterhin erzielte oder zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder Ersatzeinkommen anrechnen (Art. 24 Abs. 1 lit. d BVV 2 i.V.m. Art. 34a Abs. 5 lit. a BVG; ebenso Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 i.V.m. Art. 34a Abs. 1 BVG, je in den bis Ende 2016 geltenden Fassungen). 
 
3.2.2. Die entsprechenden Bestimmungen des Reglements lauten wie folgt: Ergeben bei Invalidität eines Mitgliedes die Leistungen der Pensionskasse zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften für das Mitglied und seine Kinder ein Renteneinkommen von mehr als 90 % seines letzten vollen Jahreslohnes, einschliesslich aller Zulagen, sind die von der Pensionskasse auszurichtenden Renten soweit zu kürzen, bis die genannte Grenze nicht mehr überschritten wird (§ 25 Abs. 1 Reglement).  
Bezügern von Invalidenleistungen wird u.a. das weiterhin erzielte oder zumutbarerweise noch erzielbare Erwerbs- oder Ersatzeinkommen angerechnet (...). Bei der Bestimmung des zumutbarerweise noch erzielbaren Erwerbseinkommens wird grundsätzlich auf das Invalideneinkommen gemäss IV-Entscheid abgestellt (§ 25 Abs. 2 Reglement). 
 
3.3.  
 
3.3.1. Im Bereich der obligatorischen beruflichen Vorsorge ist von einer grundsätzlichen Kongruenz von Valideneinkommen und mutmasslich entgangenem Verdienst im Sinne von Art. 34a Abs. 1 BVG (resp. Art. 24 Abs. 1 BVV 2 in der bis Ende 2016 geltenden Fassung) auszugehen. Dasselbe gilt für Invalideneinkommen und zumutbarerweise noch erzielbarem Erwerbseinkommen nach Art. 24 Abs. 1 lit. d BVV 2 (resp. Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BVV 2 in der bis Ende 2016 geltenden Fassung), weshalb das von den IV-Organen festgelegte Invalideneinkommen dem Grundsatz nach auch in der berufsvorsorgerechtlichen Überentschädigungsberechnung zu berücksichtigen ist (BGE 143 V 91 E. 4.2 S. 94; 141 V 351 E. 5.1 S. 354; 140 V 399 E. 5.2.1 S. 401; 137 V 20 E. 2.2 S. 23; 134 V 64 E. 4.1.3 S. 70).  
Von der vermuteten Kongruenz des Invalideneinkommens mit dem zumutbarerweise noch erzielbarem Erwerbseinkommen ist insbesondere dann abzuweichen, wenn - seitens der versicherten Person nachzuweisende - persönliche Umstände und die tatsächliche Lage auf dem im Einzelfall relevanten Arbeitsmarkt die Verwertung der (invalidenversicherungsrechtlich festgestellten) Restarbeitsfähigkeit erschweren resp. verunmöglichen (BGE 137 V 20 E. 2.2 S. 23; 134 V 64 E. 4.2 und 4.3 S. 70 ff.). 
 
3.3.2. Nach dem Wortlaut von § 25 Abs. 2 Reglement wird "grundsätzlich" auf das Invalideneinkommen abgestellt. Im Lichte des Vertrauensprinzips und der Unklarheitsregel (zur Auslegung des Reglements vgl. BGE 143 V 321 E. 3.1 S. 326) erhellt, dass die Pensionskasse die soeben dargelegten Prinzipien übernahm und sie somit für die Koordination ihrer reglementarischen (d.h. sowohl der obligatorischen wie auch der weitergehenden) Leistungen gelten.  
 
3.4.  
 
3.4.1. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin entspricht das im Entscheid vom 23. Dezember 2011 berücksichtigte Invalideneinkommen nicht einem tatsächlich erzielten Einkommen; ab Mai 2004 ist denn auch keine Erwerbstätigkeit aktenkundig. Vielmehr handelt es sich um einen hypothetischen Wert, der sich auf die bisherige Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage bezieht (vgl. Art. 16 ATSG).  
 
3.4.2. Das kantonale Gericht hat somit kein Recht verletzt, indem es im angefochtenen Entscheid vom 23. Mai 2017 die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit hinsichtlich der persönlichen Umstände und der tatsächlichen Lage auf dem im Einzelfall relevanten Arbeitsmarkt überprüft hat (E. 3.3.1 vorne). Diesbezüglich hat es festgestellt, dass die Erzielung eines Erwerbseinkommens nicht möglich sei. Das gehe deutlich aus den zahlreichen Bewerbungen resp. Absagen aus den Jahren 2008 und 2009 hervor. Mittlerweile bestünden infolge der langjährigen Nichterwerbstätigkeit noch schlechtere Aussichten.  
 
3.5. Dass diese Feststellungen (E. 3.4.2) offensichtlich unrichtig sein sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Sodann kann nicht von qualitativ und quantitativ ungenügenden Arbeitsbemühungen gesprochen werden. Die Vorinstanz stützte sich diesbezüglich auf das Verlaufsprotokoll Arbeitsvermittlung vom 2. April 2009. Daraus geht insbesondere hervor, dass sich der Versicherte mit Unterstützung einer Eingliederungsberaterin der Invalidenversicherung vom Juni 2008 bis ca. Ende Februar 2009 regelmässig nicht nur als Elektromonteur und Hauswart, sondern - auf entsprechende Mahnung hin - auch für zahlreiche andere Stellen (erfolglos) bewarb. Hinzu kommt, dass er (mindestens) vom Mai 2005 bis Mai 2006 Taggelder der Arbeitslosenkasse bezogen hatte, was entsprechende Arbeitsbemühungen voraussetzte (vgl. Art. 17 AVIG; SR 837.0). Die vorinstanzlichen Feststellungen betreffend die Verwertbarkeit beruhen somit auch nicht auf einer Rechtsverletzung, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1).  
 
3.6.  
 
3.6.1. Hinzu kommt Folgendes (vgl. Art. 106 Abs. 1 BGG) : Die Vorsorgeeinrichtung kann die Voraussetzungen und den Umfang einer Überentschädigungskürzung jederzeit überprüfen und ihre Leistungen anpassen, wenn die Verhältnisse sich wesentlich ändern (Art. 24 Abs. 5 BVV 2, sowohl in der bis Ende 2016 als auch in der seither geltenden Version). Als wesentliche Änderung der Verhältnisse gilt eine Leistungsanpassung in der Grössenordnung von mindestens 10 % zugunsten oder zuungunsten der rentenbeziehenden Person (BGE 143 V 91 E. 4.1 S. 93; 125 V 163 E. 3b S. 164 f.; 123 V 193 E. 5d S. 201).  
In concreto ist keine reglementarische Bestimmung über die Überprüfung der Überentschädigungsberechnung resp. die entsprechende Leistungsanpassung ersichtlich. Die soeben genannten Regeln sind daher (auch im überobligatorischen Bereich) zu berücksichtigen (vgl. BGE 143 V 434 E. 3.4.2 S. 440). 
 
3.6.2. Die Pensionskasse anerkannte im Schreiben vom 28. Februar 2012 vorbehaltlos einen (Nachzahlungs-) Anspruch auf die "Vollinvalidenrenrente" samt Kinderrente ab Februar 2007 und richtete in der Folge ungekürzte Leistungen aus. Dass sich die Verhältnisse seither wesentlich geändert haben sollen, wird nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Auch aus diesem Grund war die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens ab 1. Juni 2014 unzulässig. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
4.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die unterliegende Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Der Beschwerdegegner hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. April 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann